Annette Gümbel, Frau des hessischen SPD-Chefs, blickt zuversichtlich auf die Landtagswahl
Dr. Annette Gümbel wollte als Heranwachsende Entwicklungshelferin werden, schätzt Herbert Grönemeyer und ist eine Anpackerin. Die gebürtige Nordhessin und Wahl-Licherin wird am Sonntag der Hessenwahl 46 Jahre alt. Und hofft, dass an diesem Tag nicht nur sie selbst, sondern auch ihr Mann Glückwünsche entgegennehmen kann. Gümbel ist die Frau des hessischen SPD-Chefs Thorsten Schäfer-Gümbel, der erneut um das Amt des Ministerpräsidenten kämpft. Eine Dreiviertelstunde mit einer potenziellen First Lady auf einer Holzbank.
Der erste persönliche Eindruck täuscht nicht. Die zierliche Frau in Rock und Blazer, die zur Begrüßung ein fröhliches „Hallo“ über den Licher Bürgerpark herüberruft, ist eine unkomplizierte Gesprächspartnerin. Der Park ist einer ihrer Lieblingsplätze. Als die Idee für einen Innenstadtspielplatz aufkam, war Gümbel im SPD-Vorstand und als Grundschulfördervereinsvorsitzende geübt, Projekte in Gemeinschaft zu realisieren. Der Bürgerpark Lich e. V. wurde gegründet, dessen Schriftführerin sie ist: „Wir haben das hier alles selber gebaut und geplant. Der Gedanke, dass es etwas Besonderes ist, gemeinsam zu gestalten, hat funktioniert.“
Familie als Anker
Und er ist typisch für das Engagement Gümbels, die in etlichen weiteren Ehrenämtern aktiv ist, allen voran seit zweieinhalb Jahren den Licher Basketball leitet, Chefin des Fördervereins der Dietrich-Bonhoeffer-Schule ist und im Beirat der Licher Chambré-Stiftung zur Erinnerung an das hessische Judentum mitarbeitet. Aufgaben erkennen, mitdenken, sich beteiligen – dieses Prinzip kennt sie seit ihrer Kindheit. Gümbel ist in Grebenstein bei Hofgeismar auf einem Bauernhof groß geworden, der von einem ihrer beiden Brüder weitergeführt wird. Als Kind tanzte sie in der Garde, liebte ihr dickes Pony und graste die Bücherei ab. Basketball hat sie übrigens nie gespielt.
Gümbel ging am Ort zur Schule, dann auf ein Kasseler Gymnasium. Nach dem Abi entschied sie sich für ein Geschichts- und Germanistikstudium. 1992 kam sie daher nach Gießen – und blieb. Vor allem, weil ihr hier der Mann fürs Leben über den Weg lief – der Uni sei Dank. Thorsten Schäfer spannte sie einem Kommilitonen aus, den Heiratsantrag machte später sie. Die Ehe wurde im Jahr 1998 geschlossen, die drei Kinder Svenja, Gregor und Charlotte sind heute 20, 16 und 11 Jahre alt.
Familie bedeutet Gümbel sehr viel: „Sie ist die Basis unseres Lebens.“ Ein Anker, auch für ihren Mann. An ihm mag sie seine stabilen Ansichten, seinen Humor. Das Familienleben sei immer Geben und Nehmen: „Während meiner Promotion hat sich mein Mann um unsere Tochter gekümmert, dann gab es eine Phase ‚pari-pari’, jetzt ist es andersherum.“
Ihre Doktorarbeit trägt den Titel „Volk ohne Raum – Hans Grimm zwischen nationalkonservativem Denken und völkischer Ideologie“. Beruflich ist Gümbel vielseitig, arbeitete als Referentin für gesellschaftliche Verantwortung für die evangelische Kirche, leitete später das Wahlkreisbüro des SPD-Bundestagsabgeordneten Rüdiger Veit. Seit 2017 ist sie Geschäftsführerin der Kinderhilfe-Stiftung für die Gebäudedienstleistungsfirma WISAG. Wenn sie mal Zeit hat, fährt sie gern Fahrrad. Seit 2005 ist Gümbel SPD-Mitglied, Ergebnis eines Deals mit ihrem Mann: „Er trat wieder in die Kirche ein und ich in die Partei. Das trägt uns beide.“ Mit dem Grundgedanken, eine Heimat zu haben, auch wenn man nicht alles gut finden muss. Von den politischen Anliegen ihres Mannes unterstützt sie besonders bezahlbaren Wohnraum für alle Menschen.
Drei Dinge sind Gümbel wichtig: Familie, Freunde und aufrechte Haltung. Oberste Priorität haben für sie Werte wie Aufrichtigkeit, Zusammenhalt und Beständigkeit. Gibt es ein Leitwort für ihr Leben? „Versuche, die Dinge mit Freude zu tun – dann klappen sie auch. Ich habe keine Lust auf dieses Rumgejammere.“ Das kommt mit Nachdruck.
Gümbel vermittelt Optimismus – aber sie macht sich auch Sorgen über die politische Situation in Deutschland, über den Populismus und die AfD. Als Historikerin falle es ihr nicht leicht, die Partei im Bundestag sitzen zu sehen. Was es schwer mache, ihr entgegenzutreten: „Dass die Partei aus Emotion gewählt wird und die anderen Parteien ihr auf der Sachebene begegnen müssen – da läuft man schnell ins Leere.“
Karitatives Engagement
Bange machen lassen will sie sich von den neuen Verhältnissen aber nicht: „Wir sind eine gefestigte Demokratie. Die Wirtschaft läuft, die etablierten Parteien werden ihren Umgang mit der AfD finden und hoffentlich zu ihrer Entzauberung beitragen. Im Aufstehen der demokratischen Menschen sehe ich die Chancen für unsere Zukunft.“ Angesprochen auf den Rechtsruck in Europa verdüstert sich Gümbels Miene wieder: „Eine Katastrophe.“ Und für eines hat sie gar kein Verständnis: Wenn Menschen gar nicht zur Wahl gehen.
Zurück nach Hessen. Kein Zögern bei der Antwort auf die Frage, warum ihr Mann der Richtige wäre für das Amt des Ministerpräsidenten: „Weil es nach 19 Jahren CDU Zeit wird für einen Wechsel und er den nötigen Sachverstand hat, Elan und Erfahrung mitbringt und inhaltlich stark ist.“
Wie würden wir Annette Gümbel als First Lady erleben? Sie würde sich freuen über die Kontakte zu den Menschen, sähe ihren Schwerpunkt im sozialen und karitativen Bereich. Dass ihr eigenes Leben durch einen Wahlsieg auf den Kopf gestellt würde, glaubt sie nicht, vor allem, da ein Umzug nicht zur Debatte stehe. Und wenn es nicht klappt am 28. Oktober? Gümbel lächelt und schaut entspannt über den Bürgerpark. „Dann geht es weiter wie bisher.“ Mit anderen Worten: eine Idee haben, sich Leute suchen, die zu dieser Idee passen und gemeinsam mit ihnen etwas umsetzen.