1. Startseite
  2. Hessen

Streik der Lkw-Fahrer in Gräfenhausen zeigt Wirkung: „Endlich schaut Deutschland mal hin“

Erstellt:

Von: Pitt v. Bebenburg

Kommentare

Der Streik der Lkw-Fahrer in Gräfenhausen an der A5 geht weiter.
Der Streik der Lkw-Fahrer in Gräfenhausen an der A5 geht weiter. © Sebastian Gollnow/dpa

Etwa 50 Lkw-Fahrer streiken auf einer Autobahnraststätte bei Darmstadt. Die Politik reagiert, der Mediator sieht erste Erfolge.

Update vom Montag, 10. April, 13.30 Uhr: Drei Tage nach der Rastplatz-Eskalation an der A5 bei Darmstadt harren die streikenden Lkw-Fahrer weiterhin aus. An Karfreitag musste die Polizei mit einem Großaufgebot intervenieren, nachdem der Spediteur mithilfe von Sicherheitsleuten offenbar versucht hatte, den Streik zu brechen. Die Polizei intervenierte und konnte so eine gewalttätige Auseinandersetzung verhindern. Inzwischen erfahren die hauptsächlich aus Georgien und Usbekistan stammenden Autofahrer breite Solidarität von verschiedenen Organisationen, darunter Gewerkschaften aus Deutschland und vorbeifahrenden Autofahrern.

Auch die Politik hat dem Streiklager in Gräfenhausen einen Besuch abgestattet. „Was hier in Gräfenhausen passiert, das kann überall passieren - und oftmals sehen wir es nicht“, sagte der rheinland-pfälzische Arbeitsminister Alexander Schweitzer (SPD) am Sonntag vor Ort. Der Streik habe aber auch etwas Gutes: „Endlich schaut Deutschland mal hin und sieht, was passiert auf deutschen Straßen.“ Die Situation in Gräfenhausen wolle Schweitzer zum Anlass nehmen, die Arbeitsbedingungen im internationalen Güterverkehr in der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

Auch im hessischen Landtag reagiert die Politik auf den Streik. „Das, was am Freitag geschehen ist, darf sich ein Rechtsstaat nicht gefallen lassen“, sagte etwa der SPD-Fraktionsvorsitzende Günther Rudolph am Sonntag.

Streik in Gräfenhausen: Mediator sieht erste Erfolge

Und auch außerhalb der Politik zeigt der Streik erste Erfolge. „Erste Unternehmen haben gesagt, dass sie die Zusammenarbeit eingestellt haben, als sie von den Arbeitsbedingungen erfuhren“, sagte Edwin Atemna von der Europäischen Transportarbeitergewerkschaft. Die Streikenden haben ihn als Mediator ernannt. Nun dürfe man aber nicht aufhören: Die Unternehmen müssen nun ihren Einfluss geltend machen und dadurch die angemessene Bezahlung der Fahrer durchsetzen, so die Hoffnung Atemnas.

Schon zuvor seien die Fahrer eingeschüchtert worden. „Es gab auch Proteste von kleinen Fahrergruppen auf anderen Rastplätzen in Deutschland, zum Beispiel in Garbsen bei Hannover“, erklärte Atemna. Dort habe man den Streik nach ähnlichen Einschüchterungen beendet. Einige seien anschließend nach Gräfenhausen gekommen. Ebenso seien Lkw-Fahrer aus Italien angereist. „Dort hat die Polizei nichts unternommen gegen die Schlägertrupps, anders als hier.“

Solidarität mit streikenden Lkw-Fahrer auf Raststätte – Polizei an A5 auf Dauerstreife

Update vom Sonntag, 9. April, 14.14 Uhr: Weiterhin streiken die rund 50 Lastwagenfahrer in Gräfenhausen. Bereits seit Tagen harren die osteuropäischen Fahrer an der Autobahnraststätte aus. Inzwischen erfahren sie Unterstützung durch das Beratungsnetzwerk Faire Mobilität und deutschen Gewerkschaften. Aber Autofahrer zeigen sich solidarisch: Wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur beobachtet hat, erhielten die Streikenden kleine Spenden. So habe eine Familie den Lkw-Fahrern mehrere Kilo Nudeln und eine Palette Tomatensoße überreicht und gleichzeitig „Frohe Ostern“ gewünscht.

Der Streik der vor allem aus Georgien und Usbekistan stammenden Fahrern hatte überregional für Aufsehen gesorgt, als der polnische Speditionsinhaber mit einer Sicherheitsfirma und einem Kamerateam angereist war. Bei dem Vorfall an Karfreitag versuchten sie, die Lastwagen wieder in Besitz zu nehmen. Die Polizei musste einschreiten, rund 20 Personen wurden festgenommen.

Jetzt zeigt die Polizei Präsenz an der Raststätte der A5, um weitere Zwischenfälle zu vermeiden. „Die Polizei ist permanent vor Ort und fährt Streife“, so ein Sprecher der Gewerkschaft Verdi. Für den späten Nachmittag ist ein Grillfest für die streikenden Fahrer geplant. Auch Politikerinnen und Politiker aus Hessen und Rheinland-Pfalz werden erwartet.

Streikende Lkw-Fahrer auf Raststätte attackiert – Spediteur und Schläger wieder frei

Update vom Samstag, 8. April, 17.20 Uhr: Der Streik der Fernfahrer an der Autobahnraststätte Gräfenhausen-West an der A5 bei Darmstadt dauert nach dem Großeinsatz der Polizei am Freitag (7. April) weiter an. Die Lage hat sich laut Polizei, die den Ausstand weiter beobachtet, wieder beruhigt. Die 19 vorläufig festgenommenen Personen, darunter der polnische Speditionsinhaber selbst, seien zwar mittlerweile wieder auf freiem Fuß, wie ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Sie seien am Samstag aber nicht mehr an der Raststätte aufgetaucht, wie die Polizei gegenüber der Hessenschau bestätigte.

Am Freitagvormittag hatte der polnische Spediteur versucht, den Streik seiner Lkw-Fahrer, der seit einigen Tagen andauert, gewaltsam zu brechen (siehe Erstmeldung). Die Sicherheitskräfte des Unternehmers sollten die Fahrzeuge der Streikenden zur Not wohl mit Gewalt entwenden. Den rund 50 Fernfahrern der polnischen Firma, die unter anderem aus Usbekistan kommen, wurde nach eigenen Angaben teilweise seit Monaten kein Lohn mehr gezahlt. Die Polizei war am Freitag mit rund 100 Einsatzkräften vor Ort und verhinderte eine Eskalation.

Ein gepanzerter Wagen des Sicherheitsdienstes steht nach einem Polizeieinsatz auf der Raststätte Gräfenhausen.
Ein gepanzerter Wagen des Sicherheitsdienstes steht nach einem Polizeieinsatz auf der Raststätte Gräfenhausen. © Sebastian Gollnow/dpa

DGB und die hessische SPD verurteilten das Vorgehen des Speditionsinhabers. Der Rechtsstaat dürfe es sich nicht gefallen lassen, dass Spediteure zur Selbstjustiz greifen und sich mit martialischen Mitteln Zutritt zu den Lastwagen verschaffen wollten, sagte SPD-Fraktionschef Günter Rudolph.

A5: „Paramilitärische Einheit“ attackiert streikende Lkw-Fahrer

Erstmeldung vom Freitag, 7. April, 16.17 Uhr: Gräfenhausen - Die Autobahnraststätte Gräfenhausen-West an der A5 bei Darmstadt ist am Karfreitag über mehrere Stunden hinweg gesperrt gewesen. Der Grund: ein großer Polizeieinsatz wegen eines Angriffs auf streikende georgische und usbekische Lkw-Fahrer.

Nach Angaben von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern hatten am Freitagmorgen Schlägertrupps die Lkw-Fahrer attackiert und versucht, die Fahrzeuge von der Raststätte zu holen, mutmaßlich im Auftrag des polnischen Spediteurs, der auch Ersatzfahrer nach Gräfenhausen hatte bringen lassen.

Stefan Körzell, Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstands, war vor Ort. Er berichtete der Frankfurter Rundschau von einer „paramilitärischen Einheit“, die mit schusssicheren Westen in einem gepanzerten Fahrzeug vorgefahren sei.

Großeinsatz auf der A5: Polizei rückt mit 100 Einsatzkräften an

Die Polizei hatte nach eigenen Angaben rund 100 Einsatzkräfte vor Ort. Sie trennten die Gruppen voneinander und nahmen Personalien auf. Es sei niemand verletzt worden. 19 Personen seien vorläufig festgenommen worden. Es bestehe unter anderem der Verdacht auf versuchten schweren Landfriedensbruch und versuchte schwere Körperverletzung.

Die osteuropäischen Lkw-Fahrer streiken, weil sie seit geraumer Zeit keinen Lohn erhalten haben.
Die osteuropäischen Lkw-Fahrer streiken, weil sie seit geraumer Zeit keinen Lohn erhalten haben. © Michael Schick

Die rund 40 Fahrer der Speditionen des polnischen Unternehmers Lukasz Mazur befinden sich seit mehr als zwei Wochen im Streik. Sie geben an, dass ihnen Löhne vorenthalten worden seien. Mazur, der am Freitag an der Seite seiner Security in Gräfenhausen war, bestreitet das. Gleichzeitig waren weitere georgische und usbekische Fahrer seiner Firmengruppe auch in Italien und der Schweiz in den Streik getreten.

Verhandlungsführer spricht von Mafia-Methoden

Der niederländische Gewerkschafter Edwin Atema, der für die Streikenden als Verhandlungsführer benannt wurde, berichtete, bisher habe sich das Unternehmen auf keine Verhandlungen eingelassen. Der Vorfall von Freitag erinnere ihn an die Mafia. „So schlimm ist das im Güterverkehr“, sagte Atema. Bei der Firma Lukmaz war keine Auskunft zum Auftreten der Security in Gräfenhausen zu erhalten. 

Der Niederländer und sein deutscher Kollege Körzell forderten große Unternehmen wie VW, Ikea und DHL auf, nicht länger Aufträge an die Firmengruppe zu vergeben.

Ihre Lastwagen firmieren unter anderem unter dem Namen Lukmaz, sollen aber nach Gewerkschaftsangaben ab der nächsten Woche auch unter dem Namen Megatrans fahren.

DGB-Gwerkschafter Körzell: „Sklavenähnliche Bedingungen“

Gewerkschafter Körzell verlangte außerdem eine Gesetzesverschärfung, um leichter Strafen gegen Unternehmen verhängen zu können, die Menschen unter „sklavenähnlichen Bedingungen“ ausbeuteten.

Einige georgische Fahrer hätten ihre Familien seit einem Jahr nicht mehr gesehen, da sie ständig in ihren Lastwagen unterwegs seien, berichtete Körzell. Bei der Firma Lukmaz war keine Auskunft zum Auftreten der Security in Gräfenhausen zu erhalten. (Pitt v. Bebenburg/Niklas Hecht)

Auch interessant

Kommentare