Berufsziel Märtyrer - Was wird aus den Kindern radikaler Salafisten?

Der Polizei seien Einzelfälle bekannt, bei denen Kinder vor allem in Kitas und Grundschulen «Äußerungen mit salafistischem Gedankengut» gemacht haben, sagt der Sprecher des Landeskriminalamts, Max Weiß. «So wurde beispielsweise offen kommuniziert, dass aus religiösen Gründen kein Kontakt zu Andersgläubigen gewünscht wird.» Das Kultusministerium spricht von ganz vereinzelten Ausnahmefällen.
Sie malen islamistische Terrorkämpfer und wollen mit Andersgläubigen nichts zu tun haben: Solche Schüler sind in Hessen zwar schon mal aufgefallen, allerdings nur als Einzelfälle. Doch das Problem könnte nach Einschätzung von Fachleuten größer werden. Es sei mit einer neuen Generation gewaltbereiter Salafisten zu rechnen, die von ihren Eltern schon in ganz jungen Jahren zum Hass auf Andersgläubige erzogen würden, hatte der Leiter des Staatsschutzes der Frankfurter Polizei, Wolfgang Trusheim, vor einigen Wochen im Radiosender «hr-info» gewarnt. Die Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI), Susanne Schröter, stimmt zu: «Das ist ein Problem, das auf uns zukommt.»
Der Polizei seien Einzelfälle bekannt, bei denen Kinder vor allem in Kitas und Grundschulen «Äußerungen mit salafistischem Gedankengut» gemacht haben, sagt der Sprecher des Landeskriminalamts, Max Weiß. «So wurde beispielsweise offen kommuniziert, dass aus religiösen Gründen kein Kontakt zu Andersgläubigen gewünscht wird.» Das Kultusministerium spricht von ganz vereinzelten Ausnahmefällen.
Die Sicherheitsbehörden beobachteten diese Entwicklung «sehr aufmerksam und reagieren äußerst sensibel darauf», sagt LKA-Sprecher Weiß. Das Informations- und Kompetenzzentrum gegen Extremismus der Landesregierung werde bei den wenigen bekannten Fällen eingebunden und koordiniere Prävention- und Interventionsangebote.
Der Geschäftsführer des damit in Hessen betrauten Violence Prevention Network (VPN), Thomas Mücke, betont: «Wir sind darauf angewiesen, dass Kitas und Schulen mit der Beratungsstelle in Kontakt treten.» Wie rechtsextreme Eltern kämen ja auch Salafisten nicht in die Beratung. Im Einzelfall könne es durchaus um eine Gefährdung des Kindeswohls gehen.
«Fast alle Salafistinnen haben Kinder», stellt Ethnologin Schröter fest. «Es gibt ja die Idee, dass man sich fortpflanzen und Kämpfer in die Welt setzen soll, damit der Dschihad weiter geführt wird.» Die Kinder radikaler Salafisten würden in diesem Geiste erzogen. Und: «Das ist eine Bewegung, die damit arbeitet, dass es kein Mindestalter gibt, um sich an einer radikalen Tat zu beteiligen.»
«Dazu passt, dass es schon für Kleinstkinder, Mädchen, Vollverschleierung gibt», sagt Schröter. Und: «Der IS hat Kinderlager, in denen die Jungs gleich schon an Waffen ausgebildet werden.» Die Indoktrination sei ein Problem, betont die Wissenschaftlerin. «Wenn jemand in der Schule sagt, mein Berufswunsch ist Märtyrer, oder: Ich möchte mit den ungläubigen Mitschülern nichts zu tun haben.» Schröter warnt vor den Folgen: «Solche Kinder isolieren sich auch selbst, entsprechende Frustrationserlebnisse folgen. Ein Weg, der nur im Übel enden kann.»
Die stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Wiedwald, kennt solche extremen Fälle aus der Praxis nicht. Sie hat aber festgestellt, dass Religion in den Schulen mehr betont wird, «sich alle mehr beobachtet fühlen», und viele Mädchen schon in der Grundschule Kopftuch tragen. «Das kann aber auch eine Gegenreaktion auf das sein, was Menschen hier erleben», sagt die Lehrerin an einer weiterführenden Schule. «Es kann aber auch sein, dass die Kinder teilweise angehalten werden, darüber in der Schule nicht zu reden.»
Der Vorsitzende der hessischen Ausländerbeiräte und Lehrer, Enis Gülegen, hat von einigen Fällen gehört, in denen junge Leute eine salafistische Gesinnung äußerten - allerdings außerhalb der Schule. «Wenn sich Salafisten als Salafisten zu erkennen geben, dann ist die Radikalisierung schon durchlaufen.» Dies sei jedoch eine «ganz kleine Minderheit». Gülegen, der auch Mitglied im Personalrat der Frankfurter Lehrer ist, sieht darin ein gesellschaftliches Problem und keine Gefahr, die im religiösen Sinne im Islam stecke. Denn: «Unter den Salafisten sind Kinder, die nicht einmal aus einer muslimischen Familie kommen.» Er fordert eine «ganz klare Anti-Diskriminierungspolitik»: Die Gesellschaft müsse sich mehr mit dem Problem und seinen Ursachen beschäftigen.
Wiedwald von der Bildungsgewerkschaft GEW fordert mehr niedrigschwellige Sozialarbeit für Mädchen und Jungen im Alltag. In den Grundschulen gebe es so etwas fast gar nicht, in den weiterführenden Schulen zu wenig. «Es geht darum, diese Kinder zu stärken, einen anderen Weg zu gehen.»
(dpa)