Betrunkene Lkw-Fahrer ertappt: Osteuropäer auffällig - Verband fordert, deren Arbeitsbedingungen zu verbessern

Osteuropäische Brummi-Fahrer greifen immer wieder zum Alkohol, um lange Wartezeiten auf Rastplätzen zu überbrücken. Experten fordern kürzere Arbeitszeiten und eine „Heimkehrpflicht“ für die Fahrer.
Bei einer großen Kontrollaktion auf Hessens Autobahn-Rastplätzen hat die Polizei Dutzenden alkoholisierten Lastwagenfahrern die Weiterfahrt verboten. Bei einigen seien mehr als zwei Promille festgestellt worden, teilte die Polizei gestern mit. Von rund 1200 kontrollierten Personen hatten demnach 190 Alkohol getrunken – 79 von ihnen so viel, dass sie auch nach dem Ende des Sonntagsfahrverbots um 22 Uhr nicht losfahren durften. Die Beamten behielten in einigen Fällen die Fahrzeugschlüssel ein.
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An der Aktion am Sonntagabend waren rund 250 Polizisten beteiligt. An der Raststätte Wetterau West trafen die Beamten auf einen Fahrer, dessen Atemalkoholwert zunächst bei 5 Promille lag und sich dann auf 2,7 Promille einpendelte. Grund für die extreme Schwankung: Der Mann habe kurz vor der Kontrolle getrunken. Da er bis zur geplanten Weiterfahrt am Montagmorgen nicht nüchtern gewesen wäre, sprachen die Beamten ein Fahrverbot aus und setzten den Lkw mit einer Parkkralle fest.
Bei der Kontrollaktion fielen den Beamten immer wieder Fahrer aus Osteuropa auf. Das liege auch daran, dass Brummilenker aus Deutschland in der Regel nicht das Wochenende auf Rastplätzen verbringen müssten, sagte die Polizeisprecherin in Gießen.
Lkw-Fahrer sind oft wochenlang unterwegs
Die Ergebnisse solcher Kontrollen, ob in Hessen oder anderswo, seien leider immer dieselben, sagt Martin Bulheller. Er ist Sprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) und erklärt, osteuropäische Fahrer hätten häufig kurz vor der Aufhebung des Sonntagsfahrverbots um 22 Uhr noch zu viel Alkohol im Blut.
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Die Gründe für den übermäßigen Alkoholkonsum dieser Fahrer liegen nach Ansicht Bulhellers darin, dass diese Lkw-Lenker „wochen- und monatelang auf westeuropäischen Straßen unterwegs sind“. In den vorgeschriebenen Fahrpausen auf den park- und Rastplätzen würde diese Fahrer zur Flasche greifen, um die Wartezeit zu überbrücken. Bulheller spricht sich dafür aus, die Arbeitsbedingungen für diese Fahrer zu verbessern. Der BGL unterstütze deshalb den Vorschlag der EU-Verkehrsminister, dass es für die osteuropäischen Fahrer spätestens nach vier Wochen eine „Heimkehrpflicht“ geben müsse. Bulheller sagte, osteuropäische Lkw-Fahrer sei eine sehr lange Zeit von ihren Familien getrennt, weil sie auf Folgeaufträge warten müssten, anstatt nach Hause zu fahren. In diesem Zusammenhang macht Bulheller darauf aufmerksam, dass in Deutschland rund 35 Prozent der Speditionsaufträge „aus Kostengründen“ an ausländische Unternehmen vergeben würden.
„Für den ADAC Hessen-Thüringen: war das eine gute Aktion der hessischen Polizei“, sagt Wolfgang Herda, Verkehrsexperte des Verbandes. Leider fehle bei manchen Berufskraftfahrern das Problembewusstsein beim Alkohol- und Drogenkonsum. Aus Sicht des ADAC wäre es wünschenswert, wenn die hessische Polizei häufiger solche Aktionen durchführen würde.
Weniger Unfälle
Der Verkehrexperte weist aber auch darauf hin, dass die Zahl der Alkoholunfälle in Deutschland nach wie vor rückläufig sei. Und das gelte auch für den Güterverkehr: „Bei Güterfahrzeugen sind lediglich 1,7 Prozent der Unfälle mit Personenschäden auf Alkoholeinfluss zurückzuführen“, so Herda weiter. Allerdings verursachten die Lkw-Unfälle oft schwere Schäden, immer wieder mit Getöteten. Möglicherweise könnten technische Maßnahmen helfen, sagte Herda und nennt die Einführung von Wegfahrsperren, sogenannten Alkohol-Interlock-Systemen, „zumindest für alkoholauffällige Berufskraftfahrer“.
Trotz allem sei die Zahl der Verkehrsunfälle mit Lkw-Beteiligung in Deutschland rückläufig: Seit 2005 habe sich die Zahl der Unfälle um 23 Prozent und die Zahl der Unfälle mit Getöteten um 36 Prozent reduziert – trotz der Zunahme im Güterverkehrsaufkommen.
Bei der Polizeikontrolle am Sonntagabend waren die Polizisten auch auf einen Fahrer gestoßen, der in einem mit Salpetersäure beladenen Gefahrguttransporter saß. Der Fahrer hatte fast 1,6 Promille Alkohol im Atem. Hinterm Steuer von Gefahrgut-Lkws gilt die 0,0-Promille-Grenze. Dem Mann sei eine Zwangspause verordnet worden.