Bundesweites Förderprogramm für Fluggesellschaften: Nur ein Placebo-Effekt?

„Halbungelegte Eier“ werde es von ihr nicht geben, versichert Regine Barth. Hessens Fluglärmbeauftragte sieht sich in einer „Scharnierfunktion“ zwischen Luftverkehrsbranche und Anwohnern. Lärmgegner sprechen dagegen von Augenwischerei.
Hessens Beauftragte für Fluglärmschutz hat es im Kampf für mehr Ruhe in der Luft mit schwarzen Schafen, notorischen Nörglern, aufgebrachten Anwohnern und einer Flut von Beschwerden zu tun. Das dickste Brett bei der Arbeit von Regine Barth ist aber der Wust an Vorschriften und unterschiedlichen Zuständigkeiten. „Wir haben beim Lärmschutz nicht viele rechtliche Hebel, sondern fast immer nur den Überzeugungshebel“, sagt die Juristin. Neben dem Dauerdialog mit den Fluggesellschaften und der Flugsicherung sieht die Expertin deshalb Anreizsysteme für die Unternehmen als den entscheidenden Schritt an, um mehr gegen Fluglärm und für den Klimaschutz zu erreichen.
Hessen startet daher einen Vorstoß für ein Förderprogramm des Bundes, das auch mit EU-Mitteln flankiert werden kann. Mindestens eine halbe Milliarde Euro solle das Paket umfassen, fordern führende Köpfe aus Politik, Luftverkehrsbranche und Kommunen.
Die Luftverkehrssteuer habe keinerlei Anreizwirkung für die Airlines, kräftig in lärm- und klimaschonende Flugzeuge zu investieren, sagt Barth in Wiesbaden. Um bei dem Thema weiterzukommen, müsse die Branche finanziell entlastet werden.
„Scheinheiliger Verweis“
Kritik kam prompt von der Opposition: Die Luftverkehrsindustrie bekomme bis 2019 bereits eine halbe Milliarde an zusätzlicher Förderung, erklärte der Obmann der Linken-Bundestagsfraktion im Verkehrsausschuss, Herbert Behrens. „Jetzt mit scheinheiligem Verweis auf den Lärmschutz noch mal das Gleiche zu fordern, lässt jeglichen Anstand vermissen.“Die Triebwerke sollten leiser werden, und es solle vor allem mehr auf bessere Technik wie satellitengestützte Anflugsysteme gesetzt werden, fordern Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne), der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, Matthias von Randow und Fraport-Vorstandsmitglied Anke Giesen in einem Brief an die Bundesregierung. Unterzeichnet wurde das Papier auch von den Vorständen des Forums Flughafen und Region sowie dem Chef der Frankfurter Fluglärmkommission.
Der Druck auf die Fluggesellschaften und die Piloten in der täglichen Arbeit muss nach Einschätzung von Hessens oberster Fluglärmschützerin aber auch hochgehalten werden. 6624 Beschwerden hat Barth im Vorjahr erhalten, dass Flüge besonders laut waren, weil Jets nicht die vorgesehene Flugspur beim Abflug eingehalten haben.
In den meisten Fällen gab es bei der Prüfung zwar eine schlüssige Erklärung, wie Wetterumstände oder Anweisungen der Fluglotsen. Gegen die wenigen schwarzen Schafe unter den Piloten, die beispielsweise bewusst eine unerlaubte Abkürzung geflogen haben, wird jedoch ein Ordnungswidrigkeitsverfahren durchgeführt.
Hohe Erwartungen
Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung ist dafür zuständig und verhängt Bußgelder. Je nach Verstoß können bis zu 50 000 Euro fällig werden. In der Regel sind die Bußgelder aber geringer, die die Piloten aus eigener Tasche bezahlen müssen.
„Die Erwartung bei den Fluglärmgegnern ist sehr hoch, dass unglaublich viele Ordnungswidrigkeiten ausgesprochen werden“, berichtet Barth. Auch wegen der rechtlich vorgeschriebenen Toleranzbereiche wird am Ende der Prüfung aber nur selten regelwidriges Verhalten festgestellt. Um so wichtiger sei, dass man sich auch um systematische Abweichungen kümmere, die zwar nicht rechtswidrig seien, aber trotzdem vermeidbare Belastungen verursachten, sagt die Expertin.
Das zu erklären und die von Fluglärm geplagten Anwohner an Deutschlands größtem Airport bei ihrer Forderung nach mehr Maßnahmen ernst zu nehmen, sieht Barth als entscheidende Aufgabe in ihrer „Scharnierfunktion“ an. „Es ist wichtig, so gut wie möglich Vertrauen zu schaffen. Die Betroffenen müssen sich darauf verlassen können, dass sie nicht veräppelt werden.“ „Halbungelegte Eier“ zu versprechen und die dann nicht einzuhalten, wäre der schlimmste Fehler in ihrem Job als Fluglärmschutzbeauftragte.
Gerade beim harten Kern der Fluglärmgegner, die sich jeden Montag am Frankfurter Flughafen treffen, sind der Protest und die Verärgerung jedoch ungebrochen. Monika Plottnik, Sprecherin der Bürgerinitiative Sachsenhausen, bezeichnet die von der schwarz-grünen Landesregierung eingerichtete Stelle als einen „Placebo-Posten“. Der Vorstoß für ein bundesweites Förderprogramm für die Fluggesellschaften für mehr Lärmschutz sei „Augenwischerei“. Es gebe seit Jahren leere Versprechen, dass mehr gegen den Lärm getan werde. Stattdessen würden ein drittes Terminal am Flughafen gebaut und Billigfliegern Rabatte eingeräumt.
Weitere Maßnahmen
Noch im laufenden Jahr soll es neben Lärmpausen und den geplanten Lärmobergrenzen weitere Schritte für mehr Ruhe rund um das Frankfurter Drehkreuz geben. Das Forum Flughafen und Region, das für einen Interessenausgleich zwischen der Luftfahrtwirtschaft und den Anwohnern gegründet wurde, will dann ein weiteres Maßnahmenpaket für den aktiven Schallschutz vorstellen.
Dabei soll es nach Angaben von Günter Lanz, Geschäftsführer des Umwelthauses, um Gebühren für die Fluggesellschaften, Möglichkeiten durch neue Navigationssoftware sowie Förderprogramme und Forschungsprojekte gehen. Lanz rechnet mit einer Präsentation des Paketes noch in der ersten Jahreshälfte.