Schulstart in Hessen unter Corona: Das gilt es zu beachten
Schulen bleiben geöffnet: Präsenzunterricht in Hessen findet trotz steigender Corona-Zahlen statt. Das Kultusministerium verschärft die Maßnahmen.
Frankfurt – Vor wenigen Tagen erst warnte das Robert Koch-Institut, die vierte Welle des Coronavirus* habe begonnen. Die in Hessen rapide ansteigende 7-Tage-Inzidenz spiegelt dies wider. Lag sie vor zwei Monaten noch unter 10, so hat sie mit 75 hessenweit und mit sogar 111 respektive 120 (Robert-Koch-Institut/30.08.2021) in den Städten Frankfurt am Main* und Offenbach einen hohen Anstieg verzeichnet. Dabei stehen der Herbst und Winter noch bevor. Weitere Faktoren, die zum Anstieg der Inzidenz beitragen, werden wohl bald hinzukommen. So könnten Reiserückkehrer die Zahlen weiter in die Höhe treiben. Auch die nahende Grippesaison könnte eine Rolle spielen.
Unter diesen Vorzeichen hat am Montag (30.08.2021) für die Schülerinnen und Schüler in Hessen* das neue Schuljahr begonnen – und das in voller Klassenstärke und in Präsenzunterricht. Rund 760.000 Schülerinnen und Schüler werden nun wieder im Klassenzimmer Platz nehmen. Kultusminister Alexander Lorz (CDU) stellte vor Ende der Ferien noch einmal klar, es werde keinen Wechselunterricht oder gar geschlossene Schulen geben. Das sehe das hessische Eskalationskonzept nicht vor.

Corona-Krise: Als „sehr fahrlässig“ bezeichnet GEW-Vorsitzende Aussage von Lorz
Diese Aussage des Ministers trifft nicht überall auf Zustimmung. Zum Beispiel bei Birgit Koch, Vorsitzende der GEW, der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Hessen. Sie hält die Aussage des Ministers, flächendeckend mit dem Präsenzunterricht zu beginnen ohne Wechselunterricht vorzusehen, für „sehr fahrlässig“, sagte sie gegenüber der Hessenschau.
Laut der GEW Hessen starten Schulen unzureichend vorbereitet ins neue Schuljahr. Zu den neuen Herausforderungen gesellen sich altbekannte Probleme. So stellt Birgit Koch fest: „Die bereits in den vergangenen Jahren bestehenden Probleme bezüglich des Lehrkräftemangels sind leider nach wie vor nicht gelöst. Bei anderen Herausforderungen, wie der IT-Ausstattung, geht es ebenfalls schleppend voran. Noch immer wurden nicht alle Lehrer mit digitalen Leihgeräten ausgestattet.“
Hessen: Schulstart unter strengeren Corona-Regeln
Aufgrund der Corona-Situation hat das Kultusministerium für den Schulstart strengere Regeln beschlossen. So sollen in zwei sogenannten Präventionswochen Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts eine Maske tragen. Bei Einschulungsfeiern und ähnlichen Veranstaltungen im Freien sollen diese auch getragen werden, so die Empfehlung des Kultusministeriums.
Corona-Tests sollen ein weiterer Baustein dieses Plans sein. Die Testfrequenz wird erhöht: Schülerinnen und Schüler müssen, ebenso wie Lehrkräfte, dreimal pro Woche einen Selbsttest durchführen, dessen Ergebnis in das neu eingeführte Testheft eingetragen wird.
Die strengeren Corona-Regeln der ersten zwei Schulwochen in Hessen im Überblick:
- Testpflicht: Drei Tests pro Woche
- Maskenpflicht: Medizinische Masken auch am Platz während des Unterrichts, dringende Empfehlung zum Tragen der Maske auch im Freien bei Einschulungsfeiern und vergleichbaren Schulveranstaltungen
- Quarantäne: Bei positivem Testergebnis muss nicht mehr die ganze Klasse in Quarantäne, sondern nur unmittelbare Kontaktpersonen
Corona in Hessen: Ist Testheft Erleichterung für Schüler oder bürokratischer Wahnsinn für Schulen?
„Damit erspart man, dass die Kinder sich an einem Tag zweimal testen müssen, weil sie nach der Schule zum Beispiel noch mal zum Sport gehen“, so Kultusminister Lorz. Das Testheft soll außerdem für den Kino- oder Restaurantbesuch nutzbar sein. Einschränkend gilt: Es müsse natürlich von der dortigen Stelle akzeptiert werden, es sei eben ein Selbsttest, so Lorz.
Weniger begeistert von dieser Idee ist der Verband für Bildung und Erziehung (VBE). Das Anpreisen des neuen Testheftes als „Erleichterung in Schule und Alltag“, mache ihn „fassungslos“, erklärte der VBE-Landesvorsitzende Stefan Wesselmann am Freitag (27.08.2021) in einer Mitteilung. „Für die Schulen bedeutet das Testheft weiteren Verwaltungsaufwand“, vor allem wenn sie auch die Ergebnisse von Bürgertests dokumentieren sollen. Das sei sinnlos wie überflüssig und zeige wieder einmal, wie abgehoben vom Schulalltag das Kultusministerium laut Wesselmann arbeitet.
Quarantäne: Auswirkung positiver Corona-Tests an Hessens Schulen gemildert
Sofern ein Covid-Test bei einer Schülerin oder einem Schüler positiv ausfällt, hat das nicht mehr so große Auswirkungen wie bisher. Laut Kultusminister Lorz werden bei einem Corona-Fall keine ganzen Klassen in die Quarantäne geschickt. Man habe sich mit dem Gesundheitsministerium darauf verständigt, dass sich lediglich Sitznachbarn oder andere unmittelbare Kontaktpersonen zu Hause isolieren müssten.
„Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die wir über das Virus und seine Verbreitung haben, erlauben jetzt präzisere und punktgenauer Maßnahmen“, so Lorz. Übrige Klassenmitglieder müssten sich nach einem Corona-Fall über zwei Wochen täglich testen.
Schulen in Hessen: Muss nach zwei Wochen noch die Corona-Maske getragen werden?
Nach Ablauf der beiden Präventionswochen werden die Corona-Regeln wieder gelockert. Es werden zum Beispiel nur noch zwei Tests pro Woche vonnöten sein. Des Weiteren müssen die Schülerinnen und Schüler am Platz keine Maske mehr tragen, sofern die Inzidenz im Kreis unter 100 liegt. Liegt sie über dem Richtwert, so sieht das Eskalationskonzept eine Maskenpflicht im Unterricht vor.
Viele Städte habe schon jetzt diesen Richtwert überschritten. Am Montag (30.08.2021) lag die Inzidenz in Frankfurt bei knapp 112 und Offenbach bei 120, weitere Städte wie Wiesbaden (92) und Kassel (99) stehen kurz vor dem Überschreiten dieses Grenzwertes.
Schulen in Hessen haben in der Corona-Krise mit fehlender Ausrüstung zu kämpfen
Auch die Luftfilter-Anlagen* in den Schulen sorgen weiterhin für Gesprächsstoff. Die GEW beispielsweise kritisiert den Fakt, dass Bund und Länder zwar Gelder bereitgestellt hätten, aber keinerlei Handlungsempfehlungen herausgegeben habe. Beispielsweise welche Geräte überhaupt sinnvoll seien und gefördert werden. Dazu meint GEW Vorsitzende Birgit Koch: „Sie fehlen in den Schulen, sie sind nicht in den Klassenräumen.“
Entgegen aller Hoffnungen sei zu befürchten, dass der Schulbetrieb weiterhin deutlich durch die Corona-Pandemie beeinträchtigt wird. Die Entscheidung für die Förderung mobiler Luftfilteranlagen sei zu spät getroffen worden: „Die Landesregierung trägt die Hauptverantwortung dafür, dass die erforderliche Ausstattung der Klassenräume mit Luftfilteranlagen viel zu langsam in die Gänge kommt.“
Luftfilter in Hessens Schulen oftmals weder vorhanden noch bereit
Innerhalb der letzten Ferienwoche hatten mehrere Städte angekündigt, mobile Luftreinigungsgeräte zeitnah in Schulen und Kitas zu verteilen. Nach eigenen Aussagen hat Offenbach 800 Geräte gekauft, Darmstadt rund 400. Elf Darmstädter Schulen sollen fest eingebaute Lüftungsanlagen erhalten. Länger dauert es da schon in Frankfurt: Erste Luftfilteranlagen für die Klassen 1 bis 6 sollen erst zum Ende der Herbstferien kommen. Geplant sei ein Aufstellen von Luftfiltern in 2500 Räumen in 140 Schulen.
Eine Griesheimer Schule (Darmstadt/Dieburg) sieht sich einem größeren Problem gegenüber. Aktuell findet der Unterricht, aufgrund von Bauarbeiten, vollständig in Containern statt. Luftfilter gibt es nicht und Lüften ist wegen des Baustellenlärms nicht möglich.
Corona-Impfungen in Hessen: Zwei Drittel der Schüler noch ohne erste Dosis
Die Corona-Schutzimpfung ist einer der Bausteine, welche einen sicheren Schulalltag ermöglichen sollen. Das sieht auch Kultusminister Lorz so und freut sich daher über die Entscheidung der Ständigen Impfkommission (Stiko), die Impfung auch generell für Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren zu empfehlen. Doch nur rund 30 Prozent dieser Altersgruppe haben das Angebot angenommen und die erste Spritze erhalten.
Lorz kündigte spezielle Angebote für Schülerinnen und Schüler an den Schulen an. „Wir sollten uns jedoch immer wieder bewusst machen, dass nach einhelliger Auffassung der Wissenschaft Unterricht in den Schulen dann am sichersten ist, wenn sich möglichst viele Erwachsene impfen lassen und so eine Übertragung des Virus auf Kinder und Jugendliche erschweren“, so Lorz zum Ferienende. (Lukas Zigo) *fnp.de ist ein Angebot der IPPEN.MEDIA.