Rich Kids über ihren CO₂-Ausstoß: „Ist mir relativ scheiß egal“

Victoria aus Hessen fliegt mit dem Privatjet ihres Vaters nach Sylt, weil es „schneller geht“. Eine neue Doku zeigt, wie Superreiche über die Klimakrise denken.
Kassel - Dürre, Hitze, Waldbrände: Deutschland durchlebt in diesem Jahr den nächsten Rekord-Sommer. Wieder einmal - wie schon 2022 - könnte das aktuelle Jahr zum wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werden. Weltweit sorgt die Klimakrise für extreme Wettereignisse, von denen Hitzetage in Deutschland noch zu den geringeren Übeln zählen. In Kanada wüten Waldbrände, in der Antarktis fehlt Eis und der Nordatlantik erwärmt sich derzeit in erschreckendem Umfang. Dass all diese Wetterphänomene in direktem Zusammenhang mit der Klimakrise stehen, steht für weite Teile der Wissenschaft außer Frage.
Wie verheerend der warme Sommer auch für Kassel und Hessen ist, zeigt ein Blick auf den Dürre-Monitor des Helmholtz-Instituts. Für den Gesamtboden (ca. 1,80 Meter) zeigt er gerade in Teilen Nordhessen „außergewöhnliche Dürre“ an. Im Bereich des pflanzenverfügbaren Wasser (bis 25 cm) „extreme Dürre“ für fast ganz Hessen.
Landwirt aus Kassel: „Das, was wir hier sehen, ist die Klimakrise“
„Wir leben natürlich in Zeiten des Klimawandels, und da ist es normal, dass wir immer wieder zu hohe Temperaturen haben“, sagte der Sprecher des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach, Andreas Friedrich, kürzlich gegenüber Reuters TV. Die klimatischen Veränderungen führten in den Sommern zu hohen Temperaturen und wenig Niederschlag, verbunden mit kurzzeitigen Starkregenereignissen. Ein solches Unwetter traf vor wenigen Wochen auch Kassel und Nordhessen. Es sorgte für Überschwemmungen, entwurzelte Bäume, massive Schäden.
„Das, was wir hier sehen, ist die Klimakrise“, erklärte nach dem Sturm ein Landwirt aus dem Kreis Kassel und teilte auf Twitter ein Video von seinen überschwemmten Feldern. „Das ist nichts Unvorhergesehenes, was einfach so passiert und worauf wir keinen Einfluss haben können.“ Der Klimawandel sei menschengemacht. Er forderte: „Wir müssen jetzt handeln. Es ist Zeit für radikalen Klimaschutz. Worauf warten wir?“
Doch was tun? In ihrem Buch „Klima vs. Kapitalismus“ beschreibt die kanadische Journalistin Naomi Klein verschiedene Arten der Klimaleugnung und des Wegschauens. Eine Art, die in der westlichen Welt weit verbreitet ist, erläutert Klein, wie folgt: „Oder wir schauen hin, trösten uns aber damit, dass der Mensch intelligent ist und schon irgendein technisches Wundermittel erfinden wird, das das Kohlendioxid gefahrlos aus der Atmosphäre saugen oder auf magische Art die Hitze der Sonne drosseln wird.“
Victoria aus Kassel: „Man lebt nur einmal“
Anschauungsmaterial für diese Art der Klimaleugnung, bei der das Problem bewusst ist, aber man selbst keinen Finger krumm machen will, um zur Lösung des Problems beizutragen, konnte man nun in einem neuen Video des Reportageformats STRG_F einsehen. Thema der halbstündigen Dokumentation, die seit Dienstag (11. Juli) online ist, ist die Frage, wie Superreiche das Klima beeinflussen. Die Antworten, die die vermögenden Interviewpartner geben, sind stumpf und erschreckend. Tenor: Schon schlimm, das mit dem Klimawandel, aber mir eigentlich auch egal, solange ich mit meinem Privatjet noch um die Welt fliegen kann.
Dabei ist wissenschaftlich bewiesen, dass Superreiche das Klima deutlich mehr schädigen, als Menschen mit wenig Geld. Die reichsten Menschen in Deutschland emittieren nach einer Datenanalyse der taz zigmal so viel klimaschädliche Treibhausgase wie der Durchschnitt. Während die Ärmsten 2019 etwas über drei Tonnen CO₂ pro Jahr emittierten, waren es beim reichsten ein Prozent etwa 105 Tonnen - also fast das 35-fache, wie die Zeitung unter Berufung auf Daten des World Inequality Labs, einer Denkfabrik um den Ökonomen Thomas Piketty, berichtete. Laut einer Untersuchung der NGO Oxfam bewirken schon allein die Investitionen von 125 Milliardären jährlich so viel Treibhausgase wie ganz Frankreich.
Can, Victoria und Theo interessiert das alles nicht. Die Rich Kids fliegen regelmäßig mit Privatjets durch das Land - zum Feiern nach Sylt, oder zum Geschäftsessen nach Monaco. Victoria aus Kassel ist mit dem Privatflieger ihres Vaters nach Sylt geflogen, weil es „schneller geht“ als mit dem Auto. Über das Reisen mit dem Privatjet sagt ihr Vater gegenüber STRG_F: „Nachteile gibt es nicht.“ Außerdem: „Die, die kein Geld haben, können ja auch trotzdem fliegen - also vielleicht mit dem normalen Flugzeug oder so“, findet Victoria. Sie mache sich durchaus Gedanken übers Klima, aber „man lebt nur einmal.“ Es sei ein schwieriges Thema, gesteht sie zum Ende des Gesprächs Widersprüche ein.
„Ich will jetzt auf jeden Fall nicht einsparen“
Auch dem 23-jährige Can, nach eigenen Angaben Selfmade-Millionär, der in diesem Jahr schon viermal Privatjet geflogen sei, wie das Team von STRG_F erklärt, sei die Umwelt wichtig. Deshalb werfe er Cola-Dosen nicht auf die Straße, sondern in den Mülleimer. Und was ist mit dem Klima, fragt ihn der Reporter des NDR. „Ich bin nicht so aufgeklärt darüber, woher auch am Ende des Tages.“ Es fehle an Aufmerksamkeit für die Klimakrise, findet er. Und der 18-jährige Theo, der ebenfalls mit dem Privatflieger nach Sylt jettet, sagt über seinen CO₂-Ausstoß schlicht: „Ich will jetzt auf jeden Fall nicht einsparen. Eigentlich ist es mir relativ scheiß egal.“
Womöglich bereuen diese jungen, wohlhabenden Menschen ihre Aussagen irgendwann. Sie zeigen dennoch, wie das obere Prozent teils über den Klimawandel denkt.
Zu der Frage, wie umgehen mit Superreichen, die das Klima überdurchschnittlich schädigen, erklärte Hans Joachim Schellnhuber unlängst im HNA-Interview: „Man sollte einzelne Menschen nie an den Pranger stellen. Allerdings ist es tatsächlich so: Die ärmste Milliarde der Menschheit trägt null zum Klimawandel bei. Die meisten Emissionen kommen von den Superreichen, den sehr Reichen, den Reichen und den Wohlhabenden. Es ist sicher nicht gut, diesen Menschen zu sagen, sie sollten sich schämen. Aber es geht auch darum, von ihnen die gesellschaftliche Verantwortung einzufordern, die mit großem Besitz einhergeht. Das steht schon im Grundgesetz.“
Die Öl- und Gasindustrie dürfte es freuen, dass der CO₂-Ausstoß pro Kopf weiterhin zur Analyse der Klimakrise herangezogen wird. Damit bleibt klimaschädlicher Ausstoß ein privates Problem. Ignorante Superreiche, die mit ihren Jets durch Deutschland düsen, sind aber auch keine Lösung. (nhe)