„In Hessen gilt ein einfaches Modell“

Finanzminister Boddenberg erklärt, warum die Grundsteuerklärung nötig ist
Wiesbaden -Die Frist für die Abgabe der Grundsteuererklärung läuft Ende Januar ab. Doch die Rücklaufquote ist bislang dürftig. Zum Jahreswechsel lagen den Behörden erst die Hälfte der Angaben vor. Warum sich viele Menschen mit der Erklärung schwertun und was passiert, wenn man sie nicht rechtzeitig abgibt, haben wir Hessens Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) gefragt. Der 63-Jährige zeigt Verständnis für die zögerliche Bearbeitung, betont aber zugleich die Notwendigkeit der Reform.
Woran könnte es liegen, dass erst so wenige Erklärungen abgegeben wurden?
Weil das eingetreten ist, was allzu menschlich ist: Wenn eine Frist verlängert wird, dann legen viele Menschen unliebsame Vorgänge erleichtert zur Seite und schieben sie auf die lange Bank. Wir haben gesehen, dass der Erklärungseingang mit Bekanntgabe der Fristverlängerung stark zurückgegangen ist. Anfang Oktober, also kurz vor Ende der ursprünglichen Frist, hatten wir durchschnittlich rund 15 000 Erklärungen pro Tag im Eingang, seitdem im Schnitt bis Weihnachten nur noch rund 4000. Jetzt ziehen die Zahlen wieder deutlich an.
Verstehen Sie, dass man sich damit nicht oder nicht gerne befassen möchte?
Na klar. Es gibt einen schöneren Zeitvertreib als die Fertigung einer Steuererklärung.
Was passiert, wenn bis zum Fristende am 31. Januar immer noch viele Erklärungen fehlen?
Wer es bis dahin nicht schafft, wird von uns noch einmal freundlich, aber bestimmt, erinnert. Abgeben muss man auf alle Fälle. Wir fordern die Bürgerinnen und Bürger ja nicht dazu auf, weil wir sonst nichts mit unserer Zeit anzufangen wüssten, sondern weil es eine gesetzliche Abgabepflicht gibt, die die Rechtsprechung von Deutschlands höchstem Gericht umsetzt. Es führt kein Weg daran vorbei.
Ist dieser Riesenaufwand denn wirklich nötig?
Ja, die Grundsteuer muss reformiert werden. Das haben wir in Hessen schon seit Jahren gefordert, schließlich fußt sie auf viel zu alten Daten. Wir haben auch gesagt: Lasst uns die Reform aus eigener Kraft umsetzen und uns nicht erst etwas vom Bundesverfassungsgericht mit möglicherweise knappen Fristen aufgeben lassen. Leider war darüber jahrelang keine Einigkeit zu erzielen, und so musste das Gericht entscheiden.
Hessen fragt zum Teil andere Daten ab als andere Bundesländer, warum?
In Hessen gilt ein vergleichsweise einfaches Modell. Wir haben die notwendigen Angaben bereits reduziert. Und wir nutzen Schnittstellen zu vorhandenen Daten, wo es möglich ist. Das trägt sicherlich auch dazu bei, dass wir bei der Abgabe von Beginn an in der Spitzengruppe liegen.
Hätte es denn nicht gereicht, die Daten aus den verschiedenen Behörden zusammenzutragen, anstatt das Ausfüllen den Bürgern zuzumuten?
Das wäre schlicht nicht möglich gewesen, auch wenn - häufig wider besseren Wissens - etwas anderes behauptet wird. Es liegen nicht alle Daten vor, und nicht alle vorliegenden Daten sind aktuell, insbesondere so weit es keine Pflicht für die Bürgerinnen und Bürger gab, Änderungen zu melden. Wenn es also darum geht, die Grundsteuer auf neue Füße zu stellen und dabei die aktuellen Gegebenheiten zu berücksichtigen, dann müssen Bürgerinnen und Bürger sowie die Verwaltung jeweils ihren Teil dazu beitragen.
Hätte es nicht vielleicht die Rücklaufquote erhöht, die Abgabe in Papierform für Menschen ohne Internetanschluss zu erleichtern?
Die elektronische Abgabe sieht das Gesetz vor - nicht nur in Hessen. Sie hilft den Steuerpflichtigen und der Verwaltung gleichermaßen. Bei der elektronischen Abgabe, etwa über das Programm ELSTER, wird man Schritt für Schritt begleitet, Fehler bei der Eingabe werden erkannt und man kann direkt reagieren. Diese Hilfe habe ich bei der Papierabgabe trotz aller begleitenden Erläuterungen nicht. Das führt dazu, dass die Qualität der in Papier abgegebenen Erklärungen deutlich schlechter ist. Wir müssen hier die Steuerpflichtigen viel mehr mit Nachfragen behelligen, während bei der elektronischen Abgabe die Bearbeitung überwiegend automatisiert erfolgen kann.
Dann muss die elektronische Abgabe aber auch funktionieren, das war bei der Grundsteuererklärung in Hessen aber nicht immer der Fall...
Da muss man die Kirche aber auch mal im Dorf lassen. Die elektronische Abgabe ist seit dem 1. Juli möglich. Seitdem gab es nur an vier Tagen zeitweise Probleme, an rund 200 Tagen dagegen war die Abgabe jederzeit problemlos möglich. Wer wollte, konnte seine Erklärung elektronisch abgeben. INTERVIEW: CHRISTIANE WARNECKE
Zur Person:
Michael Boddenberg (63) ist seit dem 31. März 2020 hessischer Finanzminister als Nachfolger des verstorbenen Thomas Schäfer. Davor war er von Januar 2014 bis März 2020 Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion und davor von 2009 bis 2014 hessischer Minister für Bundesangelegenheiten. Der gelernte Metzgermeister aus Frankfurt ist verheiratet und Vater von drei Kindern. ch