Fliegen ohne Grenzen

Im Sommer will die schwarz-grüne Landesregierung ihre Vorschläge für Lärmobergrenzen am Frankfurter Flughafen vorlegen. Die hessischen Unternehmerverbände lehnen dies bereits jetzt ab und relativieren die gesundheitlichen Folgen von Fluglärm.
Hessens Wirtschaft betrachtet die Politik der schwarz-grünen Landesregierung bezüglich des Frankfurter Flughafens mit Argwohn. Noch bevor das von dem Grünen Tarek Al-Wazir geführte Wirtschaftsministerium überhaupt die Pläne für die im Koalitionsvertrag vereinbarten Lärmobergrenzen (siehe INFO) überhaupt vorgelegt hat, hat die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) eine solche Maßnahme bereits abgelehnt. Auch der von Umweltministerin Priska Hinz, ebenfalls von den Grünen, vorgeschlagene Klimaschutzplan und deren Auswirkungen auf den Luftverkehr stoßen auf Ablehnung.
Mit „völligem Unverständnis“ habe die VhU vermerkt, dass in Hinz’ Plänen die Forderung enthalten sei, Hessen solle die Einführung einer Kerosinsteuer und die Anhebung der Luftverkehrssteuer auf Bundesebene unterstützten, so deren Hauptgeschäftsführer Volker Fasbender. Die staatlich bedingten Kosten für die Luftverkehrsbranche müssten sinken, nicht steigen, forderte er und verwies auf die Wettbewerbsnachteile für die deutschen Airlines und Flughäfen durch staatlich subventionierte Konkurrenz an Golf und Bosporus.
Eine Lärmobergrenze hält die VhU für gänzlich unnötig. Denn trotz der steigenden Zahl an Flugbewegungen sei damit zu rechnen, dass es weniger Lärm geben werde als im Planfeststellungsbeschluss prognostiziert, wenn die Flugzeuge durch den technischen Fortschritt immer leiser würden, lautet die Begründung Fasbenders. Sollte die Landesregierung trotzdem einen Lärmdeckel einführen wollen, müsse dieser im Rahmen der Luftverkehrsgesetze und des Planfeststellungsbeschlusses liegen und dürfe „die wirtschaftliche Prosperität des Landes Hessen nicht beschädigen“.
„Minimale Risiken“
Außerdem zieht der Wirtschaftsvertreter aus der im Oktober vergangenen Jahres vorgestellten Lärmstudie „NORAH“ den Schluss, die Risiken von Fluglärm für die Gesundheit seien „minimal und damit geringer als bisher angenommen“. Zwar gebe es eine hohe Belästigung durch Fluglärm rund um den Flughafen, gesundheitliche Effekte seien „größtenteils aber nicht signifikant und in der Ausprägung gering“, so Fasbender.
Dies steht im Widerspruch zur Einschätzung vieler Mediziner, die ein erhöhtes Risiko feststellten, durch Fluglärm an Depression und Herzschwäche zu erkranken, aber auch zur Bewertung durch die Fluglärm-Kommission am Frankfurter Flughafen. Deren Vorsitzender Thomas Jühe erklärte im Dezember, die Ergebnisse der „NORAH“-Studie begründeten, anders als es die Luftverkehrswirtschaft darstellen wolle, dringenden politischen Handlungsbedarf: „Wir müssen die Bevölkerung vor den Auswirkungen und Belastungen von Fluglärm deutlich besser schützen als bisher.“
Auch wenn VhU-Geschäftsführer Fasbender von Schwarz-Grün gestern ein ausdrückliches Bekenntnis für das Wachstum des Frankfurter Flughafens forderte, beharrten die Regierungsfraktionen auf ihren Plänen. Der Frankfurter Flughafen liege mitten in einem dicht besiedelten Ballungsraum, sagte der Landtagsabgeordnete Frank Kaufmann von den Grünen. Dessen Wettbewerbsfähigkeit könne nur im Einklang mit den Interessen der Anwohner erhalten bleiben. Ein wichtiges Instrument dafür sei die Einführung einer Lärmobergrenze, die die Wirtschaft zudem im Mediationsprozess und im Anti-Lärm-Pakt mitgetragen hätte.
Zentrales Instrument
Auch Heiko Kasseckert, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, stellte klar: „Ziel ist und bleibt es, eine deutliche Reduzierung gegenüber den im Planfeststellungsbeschluss prognostizierten Werten zu erreichen.“ Dazu werde die Landesregierung noch in diesem Jahr einen Entwurf zur Umsetzung von Lärmobergrenzen vorlegen.
Die Forderung der VhU konterkariere eine verantwortungsbewusste Flughafenpolitik, entgegnete der flughafenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Marius Weiß. Die Lärmobergrenzen seien ein zentrales Instrument, um den Flughafen so leise wie möglich zu betreiben, ohne seine wirtschaftliche Bedeutung zu gefährden.
Unterstützung erhielt Fasbender lediglich von der FDP. Weitere Einschränkungen in den Flugbetrieb wie verschärfte Lärmobergrenzen, machten den Flughafen Frankfurt langfristig kaputt, so deren Fraktionsvorsitzender Florian Rentsch.