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Wo die Flüchtlingskrise in Hessen weiterhin zu spüren ist

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ARCHIV - Die Afghanin Bibi Hafiza Syed und einer ihrer Söhne stehen am 18.02.2016 in einer Flüchtlingsunterkunft des Landes Hessen in Limburg an der Lahn in ihrem Zimmer, in dem sie gemeinsam mit ihrem Mann und den Söhnen untergekommen ist und auf eine Entscheidung über ihren Asylantrag wartet.  Foto: Boris Roessler/dpa   (zu dpa "Wo die Flüchtlingskrise in Hessen weiterhin zu spüren ist" vom 09.05.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++
ARCHIV - Die Afghanin Bibi Hafiza Syed und einer ihrer Söhne stehen am 18.02.2016 in einer Flüchtlingsunterkunft des Landes Hessen in Limburg an der Lahn in ihrem Zimmer, in dem sie gemeinsam mit ihrem Mann und den Söhnen untergekommen ist und auf eine Entscheidung über ihren Asylantrag wartet. Foto: Boris Roessler/dpa (zu dpa "Wo die Flüchtlingskrise in Hessen weiterhin zu spüren ist" vom 09.05.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++ © Boris Roessler (dpa)

FLÜCHTLINGE: Derzeit leben nach Angaben des Sozialministeriums in den hessischen Erstaufnahmestellen rund 11 500 Menschen. Hinzu kommen Tausende, die auf die Städte und Gemeinden verteilt worden sind. Insgesamt 19 Erstaufnahmen sind noch in Betrieb. Weil aktuell weniger Asylsuchende kommen, sollen 23 Standorte schließen. Als weitere Reserve hält das Land 20 Unterkünfte bereit.

Im vergangenen Mai hat Hessen mehr Platz für Flüchtlinge geschaffen. Im mittelhessischen Neustadt eröffnete eine neue Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende. Ein Jahr und eine Flüchtlingskrise später gibt es im Land zahlreiche Standorte mit Unterkünften. Auf den ersten Blick hat sich die Lage entspannt - es gibt aber weiterhin viel zu tun. Ein Überblick:

FLÜCHTLINGE: Derzeit leben nach Angaben des Sozialministeriums in den hessischen Erstaufnahmestellen rund 11 500 Menschen. Hinzu kommen Tausende, die auf die Städte und Gemeinden verteilt worden sind. Insgesamt 19 Erstaufnahmen sind noch in Betrieb. Weil aktuell weniger Asylsuchende kommen, sollen 23 Standorte schließen. Als weitere Reserve hält das Land 20 Unterkünfte bereit.

ASYLANTRÄGE: Viele Asylsuchende warten noch auf die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Ende März waren nach Behördenangaben fast 20 500 Asylverfahren in Hessen offen. In den ersten drei Monaten 2016 wurden hier 6935 Asylanträge gestellt, im selben Zeitraum traf das Amt 8477 Entscheidungen. Darauf warten müssen die Flüchtlinge derzeit im Schnitt 7,1 Monate.

KOMMUNEN: Es sind letztlich die Städte und Gemeinden, die die große Zahl der Flüchtlinge auffangen und integrieren müssen. Weil derzeit weniger ins Land kommen, hat sich die Lage zwar entspannt. Das Thema beschäftigt aber weiterhin täglich die Kommunen, wie der geschäftsführende Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, Karl-Christian Schelzke, feststellt. Trotz des anhaltenden ehrenamtlichen Engagements sei es weiter ein «Kraftakt».

Die Kreise nutzen die Zeit ohne großen Flüchtlingsandrang nach Angaben des Hessischen Landkreistages, für die kommenden Monate und Jahre zu planen. Zwingende Voraussetzung dafür seien aber Daten zu den erwarteten Neuankömmlingen, sagt der geschäftsführende Direktor Jan Hilligardt. «Hier erwarten wir vom Land Hessen belastbare Zahlen, um zukünftig vor Überraschungen geschützt zu werden. Auch muss das Land erklären, welche Kapazitäten die Landkreise vorzuhalten haben und dass diese vom Land finanziert werden.»

ARBEITSMARKT: Nach den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit stammten im April sieben Prozent aller Arbeitslosen in Hessen - rund 12 300 Menschen - aus einem so genannten außereuropäischen Asylzugangsland wie Syrien, Eritrea oder Afghanistan. Wobei nicht alle davon auch Flüchtlinge sein müssen. Klar ist: «Die größte Schwierigkeit für Asylbewerber sind fehlende Qualifikationen und Sprachkenntnisse», sagt Sprecherin Angela Köth. Den meisten fehle eine Ausbildung oder Berufserfahrung - auch weil viele noch jung sind. «Das wären aber gute Kandidaten für eine Ausbildung.»

Landesweit gibt es Initiativen und Projekte, Asylbewerber in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Etwa das Netzwerk «Bleib in Hessen», das Flüchtlinge bei der Suche nach einem festen Job berät und unterstützt. Solche Angebote müssten noch ausgeweitet werden, meint Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Hessischen Flüchtlingsrates, der Teil des «Bleib»-Netzwerkes ist. Und: «Wir müssen auch an die gesetzlichen Rahmenbedingungen heran, um Flüchtlingen einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen.»

DEUTSCHKURSE: Einen Anspruch auf Integrationskurse haben Flüchtlinge erst, wenn sie als Asylbewerber anerkannt sind. Um bis dahin keine Zeit zu verlieren, bieten Initiativen - vor allem auch Ehrenamtliche - Sprachunterricht an. Nötig seien aber viel mehr und vor allem professionelle Kurse, fordert der hessische Flüchtlingsrat. Das Land gibt in diesem Jahr 1,5 Millionen Euro für ein Sprach-Programm aus. Damit sollen dem Sozialministerium zufolge niedrigschwellige Angebote gefördert werden.

WEITERE INTEGRATIONSAUFGABEN: Für die Integration der Flüchtlinge braucht es Personal und Geld, damit genügend Sprachkurse, Förderklassen in den Schulen oder berufliche Qualifizierungen angeboten werden können. Erster Schritt zur Integration ist aus Sicht des Flüchtlingsrates aber eine rasche Bearbeitung der Asylanträge: «Man kann hier erst ankommen, wenn man eine Entscheidung hat», sagt Geschäftsführer Scherenberg. Wichtig sei auch, trotz der schwierigen Lage auf dem Wohnungsmarkt auf kleinere und nicht auf Massenunterkünfte zu setzen. «Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir nicht die Ghettos der Zukunft bauen.»

AUSBLICK: Die Entwicklung hängt auch davon ab, wie viele Flüchtlinge es trotz geschlossener Grenzen nach Deutschland schaffen. Eine zuverlässige Schätzung gebe es nicht, teilte das Sozialministerium mit. Letzte Zahlen gehen für 2016 von 60 000 neuen Asylsuchenden in Hessen aus. Das Land sieht sich vorbereitet: «Wir werden auch auf einen unvorhersehbaren Anstieg der Anzahl von Menschen, die bei uns Schutz suchen, reagieren und diese menschenwürdig unterbringen können», so Ministeriumssprecherin Esther Walter. «Wir verstehen dies als Prozess, der je nach Entwicklung der Zahlen immer wieder neue Analysen erfordert.»

(dpa)

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