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ChatGPT in Schulen: Große Herausforderungen für Lehrer - „Wir warten erst mal ab“

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Er schreibt Aufsätze oder Gedichte, übersetzt Texte und vieles mehr. Der Chatbot ChatGPT ist gerade in aller Munde. Schulen im Kreis Gießen stellt das vor Herausforderungen.

Gießen - Aufgaben erstellen steht in großen schwarzen Lettern auf weißer Leinwand. Darunter ein Chat-Verlauf: Schreibe mir drei Satzgefüge mit Relativsätzen, Thema: Wasserkreislauf. Es folgen drei mögliche Antworten. Was Lehrerin Katja Mandler da im »Glaskasten« der Theo-Koch-Schule (TKS) Grünberg an die Wand wirft ist die bildliche Darstellung eines Themas, das gerade vielen ihrer Kollegen im Land Kopfzerbrechen bereitet: ChatGPT, ein auf künstlicher Intelligenz (KI) basierender Chatbot, der Aufsätze und Gedichte schreibt, Texte übersetzt und viele Hausaufgaben mehr erledigt. Die mit dem Tool erstellten Plagiate sind kaum als solche zu erkennen.

Wie gehen die weiterführenden Schulen im Gießener Land damit um? Mitunter tun sie das noch gar nicht, denn nicht überall ist ChatGPT schon im Schulalltag angekommen. »Außer unter den Kollegen ist das Thema bei uns noch nicht aufgeschlagen«, sagt Peter Blasini, Leiter der Dietrich-Bonhoeffer-Schule in Lich. Es seitens der Lehrer im Unterricht anzusprechen, hält er für keine gute Idee, will »schlafende Hunde nicht wecken. Wir warten erst mal ab«, sagt Blasini. Auch auf eine Handlungsempfehlung von oben. Doch »im Rahmen der Zuständigkeiten des Staatlichen Schulamtes« ist man noch nicht so weit, hat ChatGPT »noch nicht explizit thematisiert«, sagt Schulamtsleiter Norbert Kissel auf Anfrage dieser Zeitung.

ChatGPT bei Lehrern im Kreis Gießen noch kein großes Thema

Auch andernorts ist man noch nicht drin in dem Thema, das mit Blick auf den Umgang in Schulen seit Tagen die Medien bestimmt. An der Gesamtschule Gleiberger Land (GGL) in Wettenberg oder der Adolf-Reichwein-Schule (ARS) in Pohlheim beispielsweise. GGL-Leiter Gabriel Verhoff sagt, dass das »Phänomen in der Praxis noch nicht angekommen ist«, Kollegin Petra Brüll (ARS) will sich mit ihrem Kollegium »zeitnah damit beschäftigen«.

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Ein Blick auf die Homepage von ChatGPT: Der Chatbot verfasst mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) auf Kommando Aufsätze, Gedichte, übersetzt Texte und kann vieles mehr. SYMBOL © DPA Deutsche Presseagentur

An der TKS hat dieser Beschäftigungsprozess bereits begonnen. Dort ist ChatGPT seit ein paar Wochen das Thema Nummer eins im Lehrerzimmer und wirft vor allem Fragen auf: Wie wirkt sich das Programm auf Hausaufgaben und Prüfungsformate aus? Wie sollte der Umgang mit dem Chatbot im Unterricht aussehen? Welche Kompetenzen benötigen Schüler im Zusammenhang damit, wo und wie werden diese vermittelt? Und was ist mit Plagiatskontrolle, Datenschutz und Vorgaben aus dem Kultusministerium?

Kreis Gießen: ChatGPT stellt Lehrer vor neue Herausforderungen

»Ich stehe heute nicht hier, um Antworten zu geben. Aber es ist wichtig, dass wir darüber ins Gespräch kommen«, sagt Katja Mandler zu rund 20 Kollegen, die ihrem Vortrag folgen. Man trifft sich zu »Appgeguckt«, einer aktuellen Stunde, die sich mit schulrelevanten digitalen Entwicklungen beschäftigt, und in unregelmäßigen zeitlichen Abständen stattfindet. In der folgenden halben Stunde tauschen die anwesenden Lehrkräfte sich aus, berichten von ihren »ersten Erfahrungen« mit ChatGPT. Fest steht am Ende, dass man noch ganz am Anfang steht. Dass man viele Antworten in den kommenden Wochen und Monaten wird erarbeiten müssen.

Fest steht aber noch mehr. Nämlich, dass ChatGPT Lehrer vor neue Herausforderungen stellt und das Lernen beeinflussen wird. »Wir werden Bildungsformate verändern müssen«, ist sich TKS-Schulleiter Jörg Keller sicher. Mehr mündliche Prüfungen, mehr Transferaufgaben. Anforderungen also, die weniger auf das Reproduzieren von Wissen ausgerichtet sind, sondern auf die Fähigkeit von Schülern abzielen, einen gelernten Sachverhalt auf andere Situation zu übertragen.

ChatGPT in Schulen im Kreis Gießen: „Wir dürfen ChatGPT nicht nur negativ bewerten“

Mehr Kreativität beim Stellen der Hausaufgaben, problemlösendes Denken in den Fokus rücken, häufigere Bewertungseinheiten integrieren, das muss laut Andrej Keller die Reaktion auf ChatGPT sein. Auch wenn der Leiter der Clemens-Brentano-Europa-Schule in Lollar das Problem mit dem neuen Chatbot derzeit nicht so groß einschätzt. Abgesehen davon stehen Plagiatsfinder zur Verfügung. Die Entwickler von ChatGPT beispielsweise haben schon eine Software veröffentlicht, die erkennen soll, ob ein Text von einem Bot oder einem Menschen geschrieben wurde.

Und da ist ja auch noch die andere Seite von ChatGPT. Die Chancen, die das Programm nicht nur Schülern bei der Recherche oder Ideengebung bietet, sondern auch Lehrkräften. Beim Erstellen von Unterrichtsmaterial etwa. Oder beim Generieren von Aufgaben. Beim Schreiben von E-Mails, Ankündigungen oder Einladungen. Bei der Fehlerkorrektur und -analyse. Bei der Bewertung von Schülerleistungen. Jörg Keller findet: »Wir dürfen ChatGPT nicht nur negativ bewerten.«

Nach 45 Minuten gehen die Lehrer ihrer Wege. »Appgeguckt« ist vorbei. Der Umgang mit ChatGPT aber fängt gerade erst an. (Christina Jung)

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