Dramatischer Kinderärzte-Mangel in Hessen: Nirgends in Deutschland fehlen mehr

In keinem anderen Bundesland ist die Versorgung mit Kinderärzten so schlecht wie in Hessen. Die Landesregierung in Hessen weist die Verantwortung von sich.
- Die Zahl der Kinderärzte pro Einwohner in Hessen ist bundesweit am geringsten
- Auch Hausärzte gibt es in Hessen wenige
- In einer Kommune in Hessen ist die Versorgung mit Ärzten jedoch sehr gut
Frankfurt - Hessen hat von allen Bundesländern die wenigsten Kinderärzte pro Einwohner. Das geht aus Daten des Bundesarztregisters hervor, welche die Deutsche Presse-Agentur (dpa) ausgewertet hat.
Die Zahl der Kinderärzte in Hessen liegt derzeit bei 8,4 pro 100.000 Einwohner. Noch 2018 hatte Hessen bei der Abdeckung mit Kinderärzten auf dem vorletzten Platz vor Brandenburg gelegen. Am besten ist die Versorgung in Bremen. Dort kümmern sich 14,3 Kinderärzte um 100.000 Einwohner.
Zu wenig Ärzte in Hessen: Gesundheitsminister verweist auf Zuständigkeit
Die Kassenärztliche Vereinigung in Hessen sieht dagegen kein Problem einer Unterversorgung. Eine Sprecherin erklärte, dass mit einer rechnerischen Quote von 2487 Kindern pro Kinderarzt die Bedarfsplanung übertroffen werde. In dieser ist vorgesehen, dass ein Kinderarzt 2862 Kinder versorgt.
Hessens Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) verwies auf Zuständigkeiten. „Die ambulante ärztliche Bedarfsplanung liegt nicht im Zuständigkeitsbereich der Länder“, erklärt Klose. Diese sei Aufgabe der Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen. Kinderärzte würden auf Ebene der Landkreise eingeplant. Die „vermeintlich hervorragende Versorgungslage auf dem Papier“ entspreche nicht flächendeckend der Realität, sagte Klose weiter.
Opposition kritisiert schlechte Versorgung mit Ärzten in Hessen
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD in Hessens Landtag, Daniela Sommer, geht noch weiter: „Hessen hat ein massives Kinderarztproblem“, findet Sommer. Sowohl in ländlichen, als auch in städtischen Gebieten sei es für Eltern teils schwierig, überhaupt einen Arzt für ihr Kind zu finden. Ein Mangel, der sich auch in Kinderkliniken bemerkbar macht.
Claudia Papst-Dippel, AfD-Abgeordnete im hessischen Landtag, macht Entscheidungen auf Bundesebene für den Mangel an Kinderärzten in Hessen verantwortlich. Christiane Böhm von der Linken forderte neue Initiativen von der Landesregierung, um die Versorgung mit Ärzten zu verbessern. Man dürfe nicht zulassen, dass der Ärztemangel zulasten von Kindern und Älteren gehe.
Leichter Zuwachs bei Ärzten in Hessen insgesamt
Insgesamt hat sich die Versorgung mit Ärzten über alle Fachrichtungen in Hessen verbessert. So gibt es 215 Psychotherapeuten pro 100.000 Einwohner, im Jahr 2017 waren es noch 211. Die Zahl der Hausärzte ist dagegen leicht gesunken. Gab es im Jahr 2017 noch 65,2 für 100.000 Einwohner, waren es 2019 nur noch 64,4. Ein Trend, dem das Land mit dem Projekt „Weiterbildung Allgemeinmedizin“ entgegenwirken möchte.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung verzeichnet nur einen Zuwachs von 0,2 Prozent bei den Kapazitäten zwischen Ende 2018 und Ende 2019. Grund dafür ist, dass viele Ärzte in Teilzeit gehen und Angestellte statt Inhaber von Praxen sein wollen.
Kassel bei Versorgung mit Ärzten in Hessen vorne
Heraussticht im Trend in Hessen aber eine Kommune. Kassel liegt mit 313,8 Ärzten aller Fachrichtungen bundesweit auf Platz 9. Gleichzeitig macht der Wert das Stadt-Land-Gefälle bei der Versorgung mit Ärzten deutlich. Im Kreis Darmstadt-Dieburg gibt es bundesweit am viertwenigsten Ärzte. Dort praktizieren 53 Allgemeinmediziner pro 100.000 Einwohner.
Ebenfalls dünn versorgt ist der Schwalm-Eder-Kreis. Dort müssen 100.000 Einwohner mit 3,9 Ärzten auskommen. Das ist im bundesweiten Vergleich der zehntschlechteste Platz – und das bei 401 Kreisen und kreisfreien Städten in ganz Deutschland.