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Hessischer Innenminister Peter Beuth: "Konsequent abschieben"

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Von: Gerhard Kneier

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Abgelehnte Asylbewerber werden für den  Transport zum Flughafen abgeholt.
Abgelehnte Asylbewerber werden für den Transport zum Flughafen abgeholt. © Sebastian Willnow (dpa-Zentralbild)

Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) tritt weiter für eine zielstrebige Rückführung von Flüchtlingen ohne Bleiberecht in ihre Heimatländer ein. Der geplante Bau einer eigenen hessischen Abschiebehaftanstalt bedeute aber keine härtere Gangart, sagte er im Gespräch mit Gerhard Kneier.

Von Januar bis November gab es nach der Zählung Ihres Ministeriums in Hessen 1022 Abschiebungen und 2701 freiwillige Ausreisen. Im gesamten Jahr 2016 waren es 1717 Abschiebungen und 6118 freiwillige Ausreisen, 2015 lagen die Zahlen bei 2658 Abschiebungen und 6701 freiwilligen Ausreisen. Was hat es mit dem Rückgang auf sich?

PETER BEUTH: Der Rückgang liegt zum einen an der geringeren Zahl aufgenommener Flüchtlinge. Zum andern spielte eine wichtige Rolle, dass 2015 und 2016 ganz überwiegend Personen aus dem Westbalkan und anderen sicheren Herkunftsstaaten zurückgeführt wurden. Jetzt geht es mehr um Einzelfälle. Das ändert aber nichts daran, dass wir Menschen ohne Bleiberecht in ihre Heimatländer zurückführen müssen. Sonst schwindet in der Bevölkerung auch die Akzeptanz für die Aufnahme von Flüchtlingen mit Bleiberecht. Die müssen und wollen wir integrieren. Doch bei jenen ohne Bleiberecht müssen und werden wir weiterhin konsequent zurückführen.

Machen da die Herkunftsländer mit?

BEUTH: Die Heimatländer müssen ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen und vor allem bei der Identitätsfeststellung ihrer Staatsbürger mitmachen. Das gilt insbesondere für die Maghreb-Staaten. Das scheint sich ein bisschen zu verbessern, aber noch nicht in dem Umfang, wie wir es wünschen. Die Bundesregierung darf deshalb in dem Engagement nicht nachlassen, dass die Herkunftsländer ihre Staatsbürger auch zurücknehmen, wenn sie hier kein Bleiberecht haben.

Der Hessische Landtag hat Mitte Dezember die gesetzlichen Voraussetzungen für eine eigene Abschiebeeinrichtung des Landes getroffen. Bedeutet dies, dass eine härtere Gangart eingeschlagen wird?

BEUTH: Nein, die Entscheidung für eine Abschiebehaftanstalt in Hessen bedeutet keine härtere Gangart. Wir haben in den letzten Jahren Plätze in den Einrichtungen anderer Bundesländer mitnutzen können. Die höheren Rückführungszahlen in allen Bundesländern sowie die Schließung einer größeren Einrichtung in Brandenburg haben nunmehr den Druck auf die Abschiebehaftplätze in Deutschland erhöht. Sie sind insgesamt sehr viel knapper geworden. Wir können daher nicht sicher sein, weiter hinreichend Plätze anderer Länder in Anspruch nehmen zu können. Deshalb haben wir uns für eine eigene Anstalt in Hessen entschieden.

Ist das der einzige Grund?

BEUTH: Hinzu kommt, dass Abschiebehäftlinge früher der Justiz übergeben werden konnten. Doch seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2014 gilt, dass sie konsequent von den Straf- und Untersuchungshäftlingen zu trennen sind. Das macht eine eigene Abschiebehafteinrichtung erforderlich. Und weil das nunmehr Sache der Verwaltung und nicht mehr der Justiz ist, haben wir mit dem neuen Gesetz auch einen Rechtsrahmen dafür schaffen müssen. Die Abschiebehaft ergeht ausschließlich nach dem Gesetz bei Betroffenen, die sich der Abschiebung entziehen wollen. Nur in diesen Fällen kann Abschiebehaft verhängt werden. Ausländische Gefährder, die in ihre Heimatländer zurückgeführt werden sollen, werden aber nicht dort untergebracht. Diese Personen werden in Justizvollzugsanstalten inhaftiert.

Wie sieht denn die unterschiedliche Behandlung von Straf- oder Abschiebehäftlingen in der Praxis aus?

BEUTH: Abschiebehäftlinge genießen größere Freiheiten, denn bei ihnen geht es nicht um Bestrafung, sondern um die Sicherung der Abschiebung. Ihre Freiheit wird also nur so weit eingeschränkt, wie es zu diesem Zweck nötig ist. Das heißt, sie können etwa eigene Kleidung tragen und haben weitgehende Kommunikationsfreiheit; dazu gehört auch im Internet surfen oder Handys benutzen – allerdings ohne Kamerafunktion.

Wann, wo und in welcher Größenordnung entsteht die neue Abschiebehafteinrichtung?

BEUTH: Wir haben den Standort eingehend geprüft und sind zu dem Schluss gekommen, eine Einrichtung der Justiz umzuwidmen, um möglichst schnell eine Lösung für die Abschiebehaft zu bekommen. Wir haben uns dann nach einer gründlichen Analyse für die Justizvollzugsanstalt Darmstadt entschieden, wo wir den bisherigen Bereich des offenen Vollzugs zurzeit herrichten. Wir hoffen, das baulich zügig abschließen zu können und gehen davon aus, dass die Einrichtung im ersten Quartal 2018 in Betrieb gehen kann. Am Ende soll es dort bis zu 50 Haftplätze geben. Das wird den Bedarf für Hessen abdecken.

Warum ist dort kein Seelsorger vorgesehen?

BEUTH: Zu den angesprochenen Freiheiten innerhalb der Einrichtung gehören natürlich auch Religionsfreiheit und das Recht auf Religionsausübung. Wir haben nur darauf verzichtet, in dem Gesetz einen Rahmen für die Seelsorge festzuschreiben und damit einen förmlichen Rechtsanspruch wie in der Strafhaft zu schaffen. Im Unterschied zu dieser ist die vorgesehene Aufenthaltsdauer in der Abschiebehaft ja viel kürzer. Aber Seelsorge soll auch für die Abschiebehäftlinge organisiert werden. Darüber sind wir mit den Kirchen bereits im Gespräch.

Werden in der neuen Anstalt auch Abzuschiebende nach Afghanistan aufgenommen?

BEUTH: Zurzeit werden vorrangig Straftäter nach Afghanistan abgeschoben. Und die sind ja häufig schon in Obhut der Justiz. Abschiebehaft wird nicht bei bestimmten Ländern verhängt, sondern wie gesagt nur, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass sich die Betroffenen der Abschiebung entziehen wollen. Und dann muss sie noch von einem Richter bestätigt werden.

Kritiker halten eine Abschiebung nach Afghanistan angesichts der dortigen Sicherheitslage nicht für vertretbar.

BEUTH: Die Sicherheitslage in Afghanistan ist gewiss nicht mit der in Deutschland vergleichbar. Für eine solche Entscheidung ist aber die Bundesregierung zuständig. Und die kommt zu einem anderen Ergebnis.

Mit wieviel Personen war Hessen an den Sammelabschiebungen nach Afghanistan beteiligt?

BEUTH: Beim letzten Mal war ein Mann aus Hessen dabei. Insgesamt waren es seit Dezember 2016 14 Personen.

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