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Kirche in der Pandemie: "Hybride Gottesdienste sind ein Gewinn"

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Von: Christiane Warnecke

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Der Socialmediapfarrer der EKHN, Lutz Neumeier, zeichnet mit Laptop und Smartphone während der Corona-Pandemie eine Predigt in der Licher Marienstiftsgemeinde auf. FOTO: Neumeier
Der Socialmediapfarrer der EKHN, Lutz Neumeier, zeichnet mit Laptop und Smartphone während der Corona-Pandemie eine Predigt in der Licher Marienstiftsgemeinde auf. FOTO: Neumeier © Neumeier

Mehr als zwei Jahre Corona haben auch in den Kirchengemeinden des Landes deutliche Spuren hinterlassen. Im 11. Teil unserer Serie über die Folgen der Pandemie schildert der hessische Socialmediapfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) die Auswirkungen auf das Gemeindeleben.

Lich - "Die fehlende Nähe zu den Menschen tat am meisten weh", erzählt Lutz Neumeier. Der Pfarrer der Marienstiftsgemeinde im oberhessischen Lich hatte es allerdings leichter als andere Kollegen, trotzdem mit seiner Gemeinde Kontakt zu halten. Denn als Hessens Socialmediapfarrer hat Neumeier sehr schnell digitale Formate ins Leben gerufen.

"Am schwersten war es, den Kontakt mit den Alten und Kranken aufrecht zu erhalten", berichtet der Pfarrer. Doch nachdem Besuche etwa zu runden Geburtstagen nicht mehr möglich waren, hat es Neumeier sogar geschafft, Senioren für digitale Formate zu begeistern, die zuvor nicht internetaffin waren: "Nachdem das Gemeindeleben im Frühjahr 2020 abrupt zu Ende war, haben wir zunächst Faltblätter verteilt, bald aber auch per Youtube Gebete aus der Kirche ausgestrahlt", erläutert er. Der älteste Nutzer sei damals 92 Jahre als gewesen. Und da er das Haus nicht mehr verlassen könne, sei er bis heute bei den digitalen Gottesdiensten dabei.

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Seit mehr als zwei Jahren hält die Corona-Krise die Welt in Atem. Die FNP beleuchtet, welche Spuren die Pandemie im Alltag der Hessen hinterlässt. Alle Texte im Dossier.

Die bietet die Licher Gemeinde auch weiterhin einmal im Monat an. "Mit dem Hybrid-Format erreichen wir sogar mehr Menschen als vor der Pandemie", freut sich Neumeier. Zum Beispiel auch Familien mit Kindern, die sonntags nicht so früh aus dem Haus gehen möchten. Diese positive Auswirkung wolle die Gemeinde auch in Zukunft beibehalten und damit auch dem Mitgliederschwund entgegenwirken.

Mit den Youtube-Gebeten und digitalen Gottesdiensten hielt Neumeiers Gemeinde aber nicht nur den Kontakt zu den Ältesten, sondern auch zu den Konfirmanden. "Die Konfis hatten ja damals auch keine Schule. So war es schön für sie, über unsere Angebote mal digital rauszukommen", erinnert sich der Pfarrer. "Sie konnten sich im Chat austauschen und haben mich zumindest auf dem Bildschirm auch mal gesehen", ergänzt er schmunzelnd. Neben einer Messenger-Gruppe habe es auch Zoom-Konferenzen mit den Konfirmanden gegeben. Trotzdem müsse die Jugendarbeit jetzt wieder neu aufgebaut werden, denn "sie lebt von der Gemeinschaft vor Ort", findet er.

Schlimm sei die Corona-Zeit auch für die Chöre gewesen, die lange Zeit gar nicht mehr singen durften. Deren Lage sei weiter schwierig, bedauert Neumeier. Ebenso wie die Situation in den Gruppen und Kreisen.

Zu den Feiertagen habe sich die Gemeinde aber auch während der Lockdown-Perioden etwas einfallen lassen: Zu Ostern 2020 etwa seien die Gottesdienste aus der leeren Kirche gestreamt worden. Und an Weihnachten seien Krippenspiel-Stationen auf einen Reiterhof verlagert worden. "Auf diese Weise haben wir teilweise sogar mehr Menschen erreicht als normalerweise in die Kirche kommen", berichtet Neumeier. Später habe es dann ein Buchungssystem im Internet gegeben, als Gottesdienste wieder mit Abstand in der Kirche gefeiert werden durften. Wer nicht internetaffin sei, habe aber auch im Gemeindebüro anrufen können.

"In diesem Frühjahr konnten wir dann endlich wieder in Kleinstgruppen konfirmieren", erzählt Neumeier. Auch viele Taufen und Hochzeiten würden in diesem Jahr nachgeholt.

Insgesamt kann der Socialmediapfarrer der Pandemie aber auch etwas Positives abgewinnen: "Unsere Arbeit ist vielschichtiger und moderner geworden", meint er. Zudem seien "hybride Gottesdienste ein dauerhafter Gewinn für alle Menschen, die nicht in die Kirche kommen können", freut sich Neumeier.

EKHN-Kirchenpräsident Jung beobachtet große Nachdenklichkeit

Volker Jung
Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. © Mohssen Assanimoghaddam/dpa/Archivbild

"Die Corona-Pandemie hat in der EKHN zu einer großen Ideenvielfalt, einem kaum für möglich gehaltenen Digitalisierungsschub aber auch viel Nachdenklichkeit geführt", sagt Kirchenpräsident Volker Jung.

Mit Beginn der Pandemie seien vor allem die Kontakte in der Seelsorge sehr eingeschränkt gewesen. Doch mit Gesprächen am Telefon, Gesang und Andachten im Freien sowie Einkaufsdiensten seien Möglichkeiten gefunden worden.

"Gleichzeitig gibt es aber auch eine große Nachdenklichkeit", beobachtet der Kirchenpräsident. Über ein gutes Miteinander von digitalen Angeboten und menschlicher Nähe, über die Zukunft der Chöre, aber auch über "gesellschaftliche Aufgaben, wenn sich die langfristigen seelischen Folgen der Pandemie insbesondere bei vielen Jüngeren zeigen."

Die EKHN hat über 1,44 Millionen Mitglieder in knapp 1100 Kirchengemeinden. ch

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