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Immer mehr Kommunen vor Abschied aus Entschuldungsprogramm

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Von: Klaus Späne

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ARCHIV - ILLUSTRATION - Ein Sparschwein mit Euro-Geldstücken liegt am 10.06.2010 zerbrochen in München (Oberbayern) auf einem Tisch. (zu dpa-Vorrausmeldung:"EU-Kommission will Gespräche um Einlagensicherung in Schwung bringen" vom 10.10.2017) Foto: Peter Kneffel/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
ARCHIV - ILLUSTRATION - Ein Sparschwein mit Euro-Geldstücken liegt am 10.06.2010 zerbrochen in München (Oberbayern) auf einem Tisch. (zu dpa-Vorrausmeldung:"EU-Kommission will Gespräche um Einlagensicherung in Schwung bringen" vom 10.10.2017) Foto: Peter Kneffel/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ © Peter Kneffel (dpa)

Der Schutzschirm für hochverschuldete hessische Kommunen zeigt offenbar immer mehr Wirkung. Im vorigen Jahr haben so viele Teilnehmer wie nie erfolgreich gewirtschaftet, so dass sie kurz davor stehen, das Konsolidierungsprogramm wieder zu verlassen. Kritiker machen dafür andere Gründe verantwortlich.

Die Städte Hattersheim, Dreieich und Weilburg sind ebenso auf dem Sprung wie die Landkreise Limburg-Weilburg und Gießen. Sprung bedeutet in diesem Fall die Entlassung aus dem kommunalen Schutzschirm, mit dem das Land die am höchsten verschuldeten Städte, Gemeinden und Landkreise bei der Konsolidierung ihrer Haushalte unterstützt. Und dieses Programm greift offenbar immer besser.

33 Kommunen seien im vorigen Jahr mit dem dritten Haushaltsausgleich in Folge dem Ziel nahegekommen, den Schutzschirm zu verlassen, verkündete Finanzminister Thomas Schäfer gestern. „Nie waren es mehr“, sagte Schäfer, „2017 ist das absolute Rekordjahr.“ Damit hätten bereits über die Hälfte, sprich 57 von ursprünglich 100 Schutzschirmkommunen, das Programm entweder verlassen oder erfüllten die Grundvoraussetzungen dafür (siehe Text unten).

Der CDU-Politiker wartete mit weiteren guten Nachrichten von der Schuldenfront auf: „Bis auf eine haben alle Kommunen ihr Soll mehr als erfüllt. Die einzige Ausnahme war Merenberg im Landkreis Limburg-Weilburg. Die Gemeinde verfehlte das Schutzschirmziel um 81 000 Euro. Der Betrag klingt zwar nach nicht besonders viel, ist aber laut Schäfer für eine 3300-Einwohner-Kommune bedeutender als für eine Stadt wie etwa Frankfurt.

Positiver fällt die Bilanz hingegen bei den übrigen Schutzschirmkommunen aus. Sie konnten im vergangenen Jahr sogar 490 Millionen Euro mehr erwirtschaften als vertraglich vereinbart.“ Darüber hinaus erzielten die Kommunen zusammen einen Überschuss von 374 Millionen Euro.

Als Gründe für die günstige finanzielle Entwicklung nannte Schäfer vor allem die sprudelnden Steuereinnahmen sowie die gute Wirtschaftslage. Der Finanzminister selbst will sich in den kommenden Tagen mit Vertretern der jüngsten Entlassungskandidaten treffen. Bevor diese dann endgültig dem Schutzschirm den Rücken kehren, muss dies allerdings durch geprüfte Jahresabschlüsse belegt werden.

Dramatische Situation

Und so wie es derzeit aussieht, könnten bald weitere Kommunen dem Schutzschirm adieu sagen. Schäfer rechnet jedenfalls damit, dass im kommenden Jahr die Zahl der Entlassungskandidaten bereits bei 70 liegt. Auch Offenbach und Rüsselsheim, die als letzte der Kommunen aus dem Schutzschirm im Jahr 2022 ausscheiden würden, könnten sich bei weiterhin günstigem Verlauf eventuell vorzeitig verabschieden.

Weniger rosig sieht die Opposition im Landtag die Lage. „Die hessischen Kommunen stecken weiterhin in einem tiefen Schuldental“, sagte Norbert Schmitt, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.

Hessische Kommunen belegten einen unrühmlichen zweiten Platz bei der Pro-Kopf-Verschuldung. Alle Programme, wie der Schutzschirm und die Kommunalen Investitionsprogramme, hätten an der dramatischen Situation nichts verändert.

Der Finanzexperte der Linken, Jan Schalauske, sagte: „Allen Beteuerungen der schwarz-grünen Landesregierung zum Trotz ist es nicht der Schutzschirm, der die meisten Kommunen einigermaßen über Wasser hält, sondern es sind die stark gestiegenen Steuereinnahmen.“

Wie schon in der Vergangenheit unterschlage Schäfer die Folgen der Konsolidierungsprogramme für die betroffenen Kommunen, schloss sich Michael Rudolph, Vorsitzender des DGB Hessen-Thüringen, dem Reigen der Kritiker an.

„Das Land hat ihnen massive und unsoziale Spar- und Kürzungsmaßnahmen aufgenötigt“, sagte Rudolph, der ebenfalls die gute Konjunktur als wesentlichen Grund für die entspanntere finanzielle Situation vieler Kommunen anführte.

Die Landesregierung täte gut daran, den massiven Investitionsstau ernsthaft anzugehen, sagte Rudolph weiter. Dieser werde durch die zu gering bemessenen Investitionsprogramme des Landes nicht abgebaut. Der Gewerkschafter: „Die Kommunen in Hessen brauchen dauerhaft mehr Geld, um ihren Aufgaben nachkommen zu können.“

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