Ein Hesse stellt mit seinem Habicht Hasen nach – Kritik von Umweltschützern

Die Jagd mit Greifvögeln hat in Hessen Tradition. Auch heute noch sind Habicht, Bussard und Falke dazu unterwegs. Die Tiere sind vielseitig einsetzbar, trotzdem sehen Umweltschützer die Beizjagd nicht gern.
Wenn Kai Siebert auf die Jagd geht, braucht er kein Gewehr. Seine Waffe sitzt auf seinem Arm, schaut aufmerksam über die Felder und wird „Brocks“ genannt – ein Habichtweibchen und einer der Jagdvögel des Falknermeisters aus Grebenstein (Landkreis Kassel).
Trotz einer langen Tradition in Hessen ist die sogenannte Beizjagd selten geworden. Die Zahl der Falkner wird laut dem Deutschen Falkenorden (DFO) auf 80 bis 100 geschätzt, die Zahl der aktiven auf 40 bis 50. Die Mitgliedzahlen in den Verbänden stiegen aber tendenziell wieder. Das Interesse wachse, auch weil seit 2017 die Falknerprüfung in Hessen absolviert werden kann. Die Unesco hat die Falknerei in Deutschland als immaterielles Kulturerbe eingestuft.
Auf der Pirsch mit Hund und Habicht
Siebert geht nicht allein auf die Pirsch: Hündin „Emma“ springt in freudiger Erwartung aus dem Auto und steckt die Nase in den Schnee im westfälisch-hessischen Grenzgebiet nördlich von Liebenau.
Der Kontrast zu „Brocks“, die ruhig auf dem Handschuh des Falkners sitzt, könnte nicht größer sein. „Ein Vogel ist kein Hund“, sagt Siebert. „Brocks“ gibt ihre Beute freiwillig nicht her, apportiert nicht und hört auch nicht auf ihren Namen. Nur im Tausch gegen ein Stück Fleisch rückt sie erlegtes Wild heraus.
Falkner, Habicht und Hund gehen die Gräben am Rand eines schneebedeckten Ackers ab. Die Strategie: Hasen aufscheuchen. Im Gegensatz zur normalen Jagd muss Siebert nicht leise durchs Unterholz pirschen. „Brocks“ bleibt auf dem Handschuh. „Der Habicht jagt aus der Deckung heraus“, sagt er. Statt am Himmel zu kreisen, fliegt der Vogel direkt vom Arm des Falkners die Beute an. Der Jäger muss allerdings zwei Lederriemen loslassen, hat also die Kontrolle, wann „Brocks“ startet.
Das spürt offenbar ein freches Rotkehlchen, eigentlich eine Habichtbeute. Aus kurzer Distanz beobachtet es, wie Siebert zu einem Waldstück geht. Er lässt den Vogel los, der sich sofort in die Bäume setzt. Nur Glöckchen an seinen Fängen lassen erahnen, wo „Brocks“ steckt. Für den Notfall hat Siebert ein Ortungsgerät, der Sender steckt an den Schwanzfedern. Dass der Vogel ausbüxt, ist trotzdem möglich.
Keine Fehlschüsse wie bei Jagd mit Waffen möglich
Jäger und Hund verschwinden im Dickicht, scheuchen das Wild auf. Das funktioniert, führt trotzdem nicht zum Erfolg: Immer wieder flitzen Rehe aus dem Wald und rennen über die Felder – doch auf sie hat es der Greifvogel nicht abgesehen. Angst vor großer Beute hat sie nicht: Mit ihren 995 Gramm Körpergewicht kann „Brocks“ es mit einem drei Kilogramm schweren Hasen aufnehmen. Auch Kaninchen, Fasan und Ente sind potenzielle Jagdbeute. Dabei seien Habichte Grifftöter, sagt Siebert. Sie malträtieren das Opfer mit den Fängen, bis es stirbt. Eingesetzt werden für die Jagd verschiedene Arten. In Nordhessen beispielsweise sind laut Regierungspräsidium Kassel unter anderem 16 Wanderfalken, 11 Habichte, 3 Steinadler, 9 Sakerfalken und 13 Wüstenbussarde gemeldet. „Als Besonderheit werden auch 3 Uhus zur Beizjagd eingesetzt“, sagte ein Sprecher.
Im Gegensatz zur Jagd mit Waffen sind gefährliche Fehlschüsse bei der Beizjagd unmöglich. Daher können die Vögel in belebteren Bereichen jagen. Sie werden beispielsweise zum Vertreiben von Krähen eingesetzt, oder, um Kaninchenplagen zu bekämpfen. In Parks und Friedhöfen dürfen keine Schusswaffen eingesetzt werden, Vögel schon. „Es kann ja nichts passieren“, sagt Siebert. Die Sympathie von Zuschauern ist ihm eher gewiss als bewaffneten Kollegen.
Nabu will Beizjagd abschaffen lassen
Viele Naturschützer dagegen sehen die Jagd prinzipiell kritisch und machen bei der Beizjagd keine Ausnahme: „Das Halten und Abrichten von Greifvögeln sowie die Jagd mit ihnen widersprechen dem Natur- und Tierschutzgedanken“, sagt Kathrin Klinkusch, Sprecherin des Naturschutzbundes Nabu. Die Beizjagd müsse abgeschafft werden.
Behauptungen von Jagdgegnern, die Falkner ließen ihre Vögel tagelang hungern, widerspricht Siebert. Allerdings mache es auch keinen Sinn, den Vogel mit vollem Bauch auf die Jagd zu schicken. Doch dass „Brocks“ Hunger hat, nutzt an diesem Tag wenig. Nur einmal lässt sich ein Hase blicken – und entkommt. Möglicherweise hat ein anderer Greifvogel „Brocks“ irritiert. „Der Hase hat seine Chance genutzt – alles gut“, sagt Siebert, als er durch den Schnee zum Auto stapft.
Für „Brocks“ hat der Tag da bereits ein glückliches Ende gefunden: Als der Vogel auf dem Handschuh des Falkners landet, wartet dort eine Kaninchenkeule auf ihn.