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Welche Auswirkungen hat Flughafen Frankfurt auf Sozialstruktur?

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Von: Christiane Warnecke

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Flughafen
Der Flughafen Frankfurt ist vor allem ein wirtschaftlicher Wachstumstreiber. © Sebastian Gollnow/dpa/Symbolbild

Der Flughafen Frankfurt hat in den vergangenen Wochen eher für negative Schlagzeilen gesorgt. Doch: Was bringt er der Region?

Frankfurt - Während derzeit hauptsächlich über Probleme bei der Abfertigung am Flughafen Frankfurt diskutiert wird, ist es meist ein anderes Thema, das die Menschen in der Region seit Jahrzehnten umtreibt: Der Fluglärm, der sich mit dem Bau der Landebahn Nordwest noch weiter über die Dächer des Rhein-Main-Gebiets ausgebreitet hat. Nach der unfreiwilligen Ruhe am Himmel durch die Corona-Pandemie stehen in vielen Kommunen in den nächsten Jahren etwa siedlungspolitische Entscheidungen an, die auch von den Auswirkungen des Fluglärms abhängen. Um dafür eine Grundlage zu erhalten, hat das Forum Flughafen und Region (FFR) eine Untersuchung über die Wirkungen des Flughafens auf die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen in der Rhein-Main-Region in Auftrag gegeben.

Viele hatten erwartet, dass daraus eindeutige Ergebnisse hervorgehen. Etwa dass sich die Sozialstruktur in besonders fluglärmgeplagten Orten zum negativen entwickelt, weil privilegiertere Schichten aus den besonders lauten Wohnlagen wegziehen. Doch weit gefehlt: Die Untersuchung ergab keine klaren Zusammenhänge zwischen dem Flughafen und der Wirtschafts- und Sozialstruktur der Kommunen in seinem Umfeld.

Lärm durch Flughafen: Studie schaut über Grenzen Frankfurts hinaus

Dabei blickten die Wissenschaftler weit über die Grenzen Frankfurts hinaus: Das untersuchte Gebiet reicht bis nach Darmstadt, Hanau und Wiesbaden; es erstreckt sich auch auf Regionen in Rheinland-Pfalz weit jenseits der Landeshauptstadt Mainz.

"Als kommunale Vertreter trieb uns seit vielen Jahren die Frage an, welche Auswirkungen der Flughafen auf die Sozialstruktur in den Kommunen und die Arbeitsplätze hat. Nun wissen wir, der Flughafen ist nicht ursächlich für soziale Entwicklungen", erklärt Oliver Quilling, Vorstand des Forums Flughafen und Region und Landrat des Kreises Offenbach. Darüber hinaus könne nicht festgestellt werden, dass am Flughafen übermäßig viele Jobs im Niedriglohnsektor angeboten würden, die durch Transferleistungen des Staates subventioniert würden", berichtet der CDU-Politiker. Auch bei dieser Frage gebe es so viele "Überlagerungseffekte", dass laut Quilling keine Kausalität festgestellt werden konnte.

Das bestätigen auch die Wissenschaftler, die an der Untersuchung, die im Jahr 2016 begann, beteiligt waren: Die ökonomischen Wirkungen seien sehr heterogen, erläutert Marc Ingo Wolter von der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung in Osnabrück. Man könne auch nicht sagen, dass etwa die Beteiligung an Kommunalwahlen mit hoher Fluglärmbetroffenheit steige, ergänzt René Lehweß-Litzmann vom Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen. Andere Effekte, wie das Stadt-Land-Gefälle, überlagerten den Einfluss des Flughafens.

Flughafen Frankfurt: Kelsterbach mit besonders hohem Anteil an Airport-Mitarbeitern

Die Erkenntnisse bestätigten sich sogar in einer Stadt wie Kelsterbach, die den höchsten Bevölkerungsanteil aller Kommunen hat, der direkt am Flughafen arbeitet (17 Prozent). Insgesamt sei sogar die Hälfte der Einwohner bei Arbeitgebern beschäftigt, die direkt oder indirekt in Zusammenhang mit dem Flughafen stünden, betont Kelsterbachs Bürgermeister Manfred Ockel (SPD).

Das Forum Flughafen und Region

Die hessische Landesregierung gründete das Forum Flughafen und Region (FFR) im Jahr 2008 als Nachfolgeorganisation des Regionalen Dialogforums. Aufgabe des FFR ist es, den Dialog zwischen der Region und der Luftverkehrswirtschaft fortzuführen. Zentrales Thema sind die Auswirkungen des Luftverkehrs auf die Region. Das FFR überwacht zudem die Einhaltung der Vereinbarung zwischen der Luftverkehrswirtschaft und dem Land aus dem Jahr 2007, in der Auflagen zum Schallschutz und zur Vertrauensbildung mit der Region festgeschrieben wurden. Anlass war der Bau der Nordwestbahn am Frankfurter Flughafen und die damit einhergehende zusätzliche Lärmbelastung für viele Menschen in der Region.

Zusammenfassend erklärt Wolter, der Flughafen habe sich zwar als wichtiger Wirtschaftsfaktor erwiesen, der sowohl die Zahl als auch die Art der Arbeitsplätze beeinflusse. Fraport-Vorstand Pierre Dominique Prümm sieht darin die Rolle des Flughafens als "wirtschaftlicher Wachstumstreiber" bestätigt. Allerdings, so resümiert Wolter, "wirkt der Flughafen sehr unterschiedlich in der Region". Untersucht wurden zum Beispiel Faktoren wie Arbeitslosenquote und Migrationshintergrund. Sie würden aber überlagert von "regionalen und großstädtischen Einflüssen", betont Wolter. Ein Effekt, der laut Prümm auch in anderen Metropolregionen Deutschlands zu beobachten sei.

„Viele Kommunen profitieren“ vom Flughafen Frankfurt

Die Daten sollten auch als Entscheidungsgrundlage dafür dienen, ob es sich lohnt, die Flughafenwirkungen langfristig in einem Sozialmonitoring zu erfassen. FFR-Vorstand Quilling spricht sich dafür aus, regt aber eine Zusammenarbeit mit anderen Organisationen an. Aktuell würden verschiedene Möglichkeiten geprüft.

"Viele Kommunen profitieren von der Nähe zum Flughafen. Gleichzeitig leiden die Menschen unter dem Fluglärm. Unsere Aufgabe ist es, die Balance zu halten", sagt Quilling. Und dazu seien Erkenntnisse über die Sozialstruktur wichtig.

Die aktuelle Untersuchung wurde vom Land Hessen finanziert und hat laut Oliver Quilling 1,8 Millionen Euro gekostet. Die Ergebnisse der Exploration zum Sozialmonitoring sind detailliert nachzulesen auf www.sozialmonitoring.de. (Christiane Warnecke)

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