Mit Musik und Förderunterricht aus der Krise

Hessens Schulen haben die Auswirkungen der Pandemie besonders stark zu spüren bekommen. Im fünften Teil unserer Serie über die Auswirkungen, die das Coronavirus auf die verschiedensten Lebensbereiche hat, berichten wir über die Erfolgsrezepte der Richtsbergschule im mittelhessischen Marburg. Außerdem sagt Kultusminister Alexander Lorz (CDU) im Kurzinterview, welche Lehren die Hessische Landesregierung aus der Pandemie gezogen hat.
Marburg - Schulschließungen und Home-Schooling, Lüften und Frieren, Test- und Maskenpflicht - Hessens Schüler und Lehrer hatten seit Ausbruch der Pandemie so einige Herausforderungen zu bestehen. Die Folgen sind noch längst nicht bewältigt. Viele Schülerinnen und Schüler haben mit Lernrückständen und Depressionen zu kämpfen. Das gilt auch für die Richtsberg-Gesamtschule in Marburg. "Die Schere ist weiter auseinander gegangen", berichtet Rektor René Norwig. Gerade leistungsschwache Schüler hätten während der Home-Schooling-Phase oft fast nichts zu Hause gemacht. Das zu kontrollieren und gegenzusteuern sei schwierig gewesen. Dennoch ist der Rektor davon überzeugt, dass seine Schule "sehr gut durch die Pandemie gekommen" ist.
"Wir haben dafür gesorgt, dass alle Schüler ein iPad zur Verfügung hatten. Nach einem Elternbeschluss hätten viele Familien ein Gerät angeschafft. Wer das finanziell nicht stemmen konnte, bekam ein Leih-Gerät von der Schule, erzählt Norwig. Auch eine gute Lernplattform habe der Richtsbergschule "extrem durch die Pandemie geholfen".
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Wir haben uns aber auch bei der Organisation nicht zu sehr verrückt gemacht, weil wir schon immer das Pädagogische in den Vordergrund gestellt haben", erläutert Norwig. "Mutige Lösungen zu finden, die auch mal außerhalb der Norm liegen, ist unser Rezept", ergänzt er. Dabei habe das Kollegium prima mitgezogen. Seine Schule sei beispielsweise während der Pandemie zu binnendifferenziertem Unterricht im Klassenverband übergegangen. Während die Schüler normalerweise in A-, B- und C-Kurse aufgeteilt würden, seien sie in der Zeit gemeinsam unterrichtet worden. Bei den Klassenarbeiten habe es aber unterschiedliche Leistungsniveaus gegeben.
Lernrückstände und Versagensängste
Dennoch gebe es viele Defizite aufzuarbeiten. "Jetzt ist es erstmal wichtiger, das Soziale in den Mittelpunkt zu stellen", betont Norwig. "Viele Kinder haben Depressionen und Angst, dass sie die Leistung nicht bringen und mit den anderen nicht mithalten können", schildert Norwig. Bei manche gehe es noch weiter: "Sie befürchten nicht nur, dass sie den Anschluss verpasst haben. Hinzu kommen auch familiäre Konflikte und Mobbing im Internet. All diese Probleme haben sich während der Corona-Zeit verschärft", fasst der Rektor zusammen.
Um all das aufarbeiten zu können, sei es wichtig, dass die Hessische Landesregierung ihre Förderprogramme wie "Löwenstark" weiterführe. "Pro Schüler ist das finanziell zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt er. Wenn man sich aber auf diejenigen konzentriere, die Hilfe brauchten, dann seien etwa drei Förderstunden pro Woche in Deutsch, Mathe und Englisch viel Wert. Als selbstständige Schule, stocke die Richtsbergschule den Etat des Landes auf und finanziere auch Theater- und Musikprogramme. "Kultur zu erleben hilft, so manches Defizit auszugleichen", meint Norwig und ergänzt: Unser Auftrag ist ja nicht nur die Wissensvermittlung, sondern auch kulturelle Bildung und soziales Lernen."

Interview: Drei Fragen an Kultusminister Alexander Lorz (CDU)
Wiesbaden -Der CDU-Politiker Alexander Lorz führte Hessens Schulen als Kultusminister durch die Pandemie.
Was waren während der Pandemie die größten Probleme an Hessens Schulen?
In keiner unserer Planungen für den Ausbau digitaler Unterrichtselemente war jemals vorgesehen, dass die Schulen von heute auf morgen komplett auf "Online-Unterricht" umstellen müssen. Dass viele Schulen dies innerhalb kürzester Zeit dennoch geschafft haben, war für mich beeindruckend. Auch wenn es natürlich Unterschiede und Schwierigkeiten gab.
Welche Folgen hat die Krise für die Schüler?
Bei einigen Schülerinnen und Schülern sind leider trotz aller Bemühungen Lerndefizite entstanden. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass die Pandemie unsere Schüler widerstandsfähiger und belastbarer gemacht hat. Jeder kann mit Stolz von sich behaupten, eine der größten Herausforderung in seinem und ihrem Leben bereits jetzt gemeistert zu haben. Das macht Mut für die Zukunft.
Welche Lehren zieht die Hessische Landesregierung daraus?
Die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie in den Schulen wird uns noch eine ganze Weile begleiten. Wir müssen vor allem den Schülerinnen und Schülern helfen, die die vergangenen beiden Jahre nicht so gut verkraftet haben. Dafür haben wir bereits im Jahr 2021 unser Förderprogramm Löwenstark gestartet, das seitdem viel Unterstützung vor Ort ermöglicht hat und noch ermöglichen wird.
interview: Christiane Warnecke