1. Startseite
  2. Hessen

Diese Hessen wohnen in einem Trafohäuschen – auf 14 Quadratmetern

Erstellt: Aktualisiert:

Von: David Schahinian

Kommentare

Simone Stiefel und Andreas Schollenberger haben es sich in ihrem Schlafzimmer im Dachgeschoss ihrer Villa Stierstadt gemütlich gemacht: Es wird zur Gänze vom Bett der beiden eingenommen. Fotos: Jochen Reichwein
Simone Stiefel und Andreas Schollenberger haben es sich in ihrem Schlafzimmer im Dachgeschoss ihrer Villa Stierstadt gemütlich gemacht: Es wird zur Gänze vom Bett der beiden eingenommen. © Jochen Reichwein

In Zeiten von Wohnungsnot sind kreative Lösungen gefragt. Eine Möglichkeit sind die "Tiny Houses", winzige Häuschen, die derzeit im Trend liegen. Ein ganz besonderes ist das, in dem Achim Schollenberger und Simone Stiefel zeitweise wohnen.

Oberursel - Von außen trägt das Anwesen unverkennbar Anzeichen der Neo-Renaissance im Stile der Alten Oper in Frankfurt. Innen schallen gerade ruhige klassische Klänge durch die Räume, verbreitet von vier Lautsprechern mit Subwoofer. Achim Schollenberger und Simone Stiefel haben es sich zum Frühstück in ihrer Villa Stierstadt gemütlich gemacht, eine unweit gelegene Wendeltreppe schlängelt sich in die oberen Gemächer.

"Geh' doch mal in die Küche und hole die Butter", bittet sie ihn. Bedienstete, die diese Aufgabe für sie übernehmen könnten, haben sie trotz des feudalen Namens ihrer Residenz nicht. Allein schon, weil fraglich wäre, wo sie sich aufhalten sollten. Um die Butter zu holen, muss Schollenberger nur den Oberkörper drehen: So ist das in einer Küchen-Wohnzimmer-Kombination, die fünf Quadratmeter groß ist.

Das Schlafzimmer hat zwei Quadratmeter

Insgesamt kommt die "Villa" auf rund zwölf Quadratmeter Wohnfläche im Erdgeschoss und auf der mittleren Etage. Fürs Obergeschoss, den Dachboden, wäre der Begriff "Etage" etwas dick aufgetragen: Wer ins Schlafgemach kommt, hat keine Alternative, als umzukehren oder sich in das komplett raumgreifende Doppelbett zu kuscheln, das Platz auf zwei weiteren Quadratmetern findet. "Es gibt Leute, die kriegen Platzangst. Die meisten finden es aber klasse", berichten die beiden. Sie haben sich einen ungewöhnlichen Traum erfüllt und ein ehemaliges Trafohäuschen in ein trautes Heim umgewandelt.

Klein, aber fein: Die Bauherren haben einen mittleren fünfstelligen Betrag investiert, um das alte Trafohäuschen zum Wohnhaus umzubauen.
Klein, aber fein: Die Bauherren haben einen mittleren fünfstelligen Betrag investiert, um das alte Trafohäuschen zum Wohnhaus umzubauen. © Jochen Reichwein

Nun weiß jeder Immobilienmakler, dass die drei wichtigsten Faktoren Lage, Lage und Lage sind. Die ist grundsätzlich sehr gut: Verschiedene Einzelhändler und Supermärkte sind ebenso zu Fuß zu erreichen wie eine Wäscherei - eine hauseigene Waschmaschine hätte zu viel Platz eingenommen. Der soziale Anschluss ist allein schon dadurch gegeben, dass die Eigentümer bei gutem Wetter an einem Campingtisch vor dem Haus sitzen und sie, so scheint es, mittlerweile jeder Stierstädter kennt. Als wertmindernd könnte höchstens angesehen werden, dass zur Hinterseite die Bahngleise in nur acht Metern Entfernung verlaufen und die Vorderseite an eine vielbefahrene Straßenkreuzung heranragt.

Viel Komfort auf 14 Quadratmetern – Auch TV und Internetanschluss

Drinnen merkt man davon wenig: Die Fenster sind mehrfach schallgeschützt. Klima- und Lüftungsanlage sorgen für ein Wohlfühlklima, im Erdgeschoss ist eine Fußbodenheizung verbaut. "Man muss sich vorher genau überlegen, wo was hinkommt", sagt Schollenberger. Er ist Architekt und Mitarbeiter der Neu-Anspacher Stadtverwaltung, seine Partnerin arbeitet als freie Journalistin. Erstaunlich aber ist doch, wie viel Platz tatsächlich in der kleinsten Hütte ist. Die Küchenzeile etwa bietet allen nötigen Komfort, TV und Internetanschluss sind ebenfalls vorhanden. Das beantwortet auch die Frage, die meist als erstes, früher oder später aber immer gestellt wird: "Da wohnt wirklich jemand drin?"

Die Antwort lautet: Ja. In Usingen heimisch, haben sie die Villa als Zweitwohnsitz angemeldet und nutzen sie vor allem an Wochenenden. "Das ist unsere Datscha", sagt Stiefel lächelnd. Und wenn man sich auf die Nerven geht? "Geht man in ein anderes Stockwerk und hat seinen Rückzugsraum", antwortet sie.

Dusche im Wohnzimmer

In der mittleren Etage gibt es einen Tisch und Sitzgelegenheiten die zu einer Liege umgeklappt werden können. Auch eine Nasszelle, die ihren Namen mehr als verdient, ist dort auf rund anderthalb Quadratmetern untergebracht: Waschbecken, Dusche und Toilette inklusive. Wer sich im Haus umschaut, sieht in vielen Ecken und Wänden Stauraum. Alles Nötige ist da, wenngleich man als Tetris-Spieler klar im Vorteil ist: Es kommt darauf an, die Dinge so zu drehen und zu wenden, dass keine Lücken ungenutzt bleiben.

Die Dusche neben dem Esstisch: In dem kleinen Gebäude wird jeder Zentimeter Platz ausgenutzt.
Die Dusche neben dem Esstisch: In dem kleinen Gebäude wird jeder Zentimeter Platz ausgenutzt. © Jochen Reichwein

Wer mit den beiden spricht, merkt schnell, dass es ihnen auch darum ging, ein altes Bauwerk mit Industriegeschichte zu erhalten. Bei aller Freude, die das macht, ist auch zu bedenken, dass in der Villa jahrelange Arbeit - das meiste davon in Eigenleistung - sowie eine Investition im mittleren fünfstelligen Bereich stecken. Im kommenden August werden die Besitzer zum Tag der Industriekultur die Türen für Besucher öffnen. Allerdings nur mit Anmeldung. "Mehr als sechs Teilnehmer pro Führung passen nicht ins Haus."

Lesen Sie auch

Wohnen in Frankfurt: Der Trend geht zu Mikro-Apartments: In Frankfurt werden immer mehr möblierte Kleinstapartments vermietet. Entsprechend steigen die Preise. Doch auch die Nachfrage nach Wohnraum im Umland steigt.

WC-Mangel in Frankfurt: Wie will die Stadt das Problem lösen? – Gesamtkonzept fehlt: Die neue Altstadt ist ein Besuchermagnet. Die steigende Zahl an Touristen spült nicht nur Geld in die Kassen, sondern auch ein anrüchiges Thema nach oben: den Mangel an öffentlichen Toiletten.

Nördliches Mainufer ab August gesperrt – Autos müssen Fußgängern weichen: Geht es nach Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann, wird das nördliche Mainufer ab August gesperrt. Das stößt auf Ablehnung.

Mindestens 10.000 Mietwohnungen stehen in Frankfurt ungerechtfertigterweise leer, schätzt der Mieterbund Hoechster Wohnen. Das dürfe die Politik nicht hinnehmen, fordert Vereinsboss Sieghard Pawlik.

Auch interessant

Kommentare