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Wir öffenen Türen: Hinab in Hofheims Unterwelt

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15 ausgetretene Naturstein-Stufen führen hinab zum ?Kunibert?.
15 ausgetretene Naturstein-Stufen führen hinab zum ?Kunibert?. © Heike Lyding

Türchen öffne Dich: Bis Heiligabend werfen wir einen Blick in verborgene Ecken im Rhein-Main-Gebiet. Heute geht es in die mittelalterliche Kellerwelt in Hofheim, die sonst nur sporadisch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Ein schwerer Metallbügel mit Vorhängeschloss liegt quer vor der doppelflügeligen Holztür. Er muss zuerst entfernt werden, wenn jemand Zugang zu einem ansonsten verborgenen Stück Hofheimer Altstadt erhalten möchte. 1521 steht über dem Torbogen aus rotem Sandstein, über dem ein Kabel aus der Hauswand ragt.

Eine viereckige Laterne habe hier früher gehangen, weiß Renate Hofmann. Die ehrenamtliche Stadtführerin von der Bürgervereinigung Hofheimer Altstadt hat hier Schlüsselgewalt. Ab und an unternimmt sie eine Führung in die mittelalterliche Unterwelt im historischen Stadtkern. Heute schließt sie für unsere Leser einen Keller in der Stollbergstraße auf.

Nicht belegt

Ob er tatsächlich so alt ist, wie auf dem Türbogen angegeben, ist nicht belegt. Das Fachwerkhaus obendrüber stammt dagegen sicher aus dem Jahr 1656. Allerdings: Keller und Haus gehören nicht wirklich zusammen. Sie haben unterschiedliche Besitzer.

Eine Hofheimer Eigenart seit Jahrhunderten. Nicht überall ließ es das Grundwasser früher zu, Häuser zu unterkellern. Betroffene sahen zu, dass sie sich an höhergelegenen Stellen der Stadt Lagerräume zulegten. „Kellergerechtigkeit“ nennt Renate Hofmann den Fachbegriff, während sie den Schlüssel ins Türschloss steckt.

Quietschend dreht sich der rechte Torflügel in der Angel und gibt den Blick frei auf einen breiten Kellerabgang. In den Spinnweben über dem Eingang hängen weiß-versteinerte Spinnen. Beim Schritt über die Schwelle steigt leicht muffig-feuchte Luft in die Nase. Elektrisches Licht gibt es hier schon länger nicht mehr. Die Leitungen auf der Wand in Betrieb zu nehmen, erscheint allerdings auch wenig geraten. Das Tageslicht reicht immerhin, den Weg in die Tiefe zu finden.

15 ausgetretene Naturstein-Stufen führen hinab zum „Kunibert“. So hieß die Straußwirtschaft, die hier unten bis in die 1950er Jahre betrieben wurde. Der Inhaber hat sich offenbar Mühe gegeben, ein wenig Burg-Atmosphäre zu schaffen.

Die Treppe läuft jedenfalls auf ein bunt verglastes, bleigefasstes Schein-Fenster zu, dessen Holzrahmen oben zinnenbewehrt ist. Rechterhand steht die Tür offen. Dahinter ist es düster. Eine Taschenlampe hilft weiter, ergänzt durch das Licht eines Smartphones, das zunächst über die Kellerdecke streicht. Sicher bis zu dreieinhalb Meter hoch wölbt sie sich über einen großen Raum, dessen Maße der Grundfläche des Hauses entsprechen.

Ein runder Holztisch

Linkerhand vom Eingang ein runder Holztisch, darauf die Laterne, die einst oben den Weg in dieses urig wirkende Kellerlokal gewiesen hat. Dahinter stapeln sich Stühle, Tische und Bänke. An ihren grün gestrichenen Metall-Beinen frisst der Rost. Auch ein kariertes Tuch, eine Tischdecke wohl, hat bessere Tage gesehen.

Vor der Kellerwand zur Stollbergstraße hält der Tresen die Stellung. Wie ein großes ovales, oben und hinten heraus offenes Fass ist er gebaut. In der hölzernen Schublade unter dem Schanktisch verraten silbrige Märkchen, was hier ausgeschenkt wurde. „Gut für ein Glas Bier“ steht darauf. Hinten an der Wand wacht der Namensgeber dieser Lokalität: Kunibert in Ritterrüstung. Ein Wandgemälde. Das Holzregal neben der Theke hat eine Art „Durchreiche“.

Im Keramik-Ofen

Nur gebückt kann der kleine Nebenraum rechts dahinter betreten werden, in dem über Eck an zwei Tischen für das leibliche Wohl der Gäste gesorgt wurde. Darben musste hier jedenfalls keiner. Und auch frieren nicht.

Im grünen Keramik-Ofen neben dem Durchgang zum Tresen liegen noch Aschereste. Ein Schürhaken mit Herzgriff, eine Kohlenschaufel und ein Besen mit abgewetzten, schwarzen Borsten leisten ihm Gesellschaft, das Ofenrohr aber ist längst abgehängt. Die letzte Feier in diesem Raum liegt schon mehr als 60 Jahre zurück. Seitdem herrscht hier Dornröschenschlaf. Der neue Besitzer des Hauses oben drüber hat sich einen Keller in der Nachbarschaft gekauft. . .

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