„In der öffentlichen Debatte fehlt es manchmal an gegenseitigem Vertrauen und Wertschätzung“
Kultusminister Alexander Lorz (CDU) setzt in der Bildungspolitik auf Diskurs, vermisst aber manchmal gegenseitigen Respekt der Akteure.
Herr Lorz, es gibt viele Akteure im Schulwesen. Viele Köche verderben den Brei oder konstruktives Miteinander?
ALEXANDER LORZ: Wir sind ja zu einem konstruktiven Miteinander „verurteilt“. Sie können Schule nicht ohne Schüler machen, Sie machen sie letzten Endes für die Schüler. Sie können Schule auch nicht ohne Eltern machen, weil die Schüler, jedenfalls bis zur Oberstufe, nicht volljährig sind und nicht alleine für sich entscheiden können. Sie können Schule nicht ohne Lehrer machen, und Bildungsverwaltung brauchen Sie auch. Es liegt in der Essenz von Schule, dass all diese Akteure miteinander arbeiten müssen.
Wie schwer ist es, alle Interessen unter einen Hut zu bringen?
LORZ: Bildungspolitische Debatten sind immer sehr lebhaft. Das hat etwas damit zu tun, dass hier stark artikulierte Interessen und Meinungen aufeinanderprallen. Aber das gehört zur Schule in der Demokratie dazu. In autoritären Regimen ist die Sache einfach: Da bestimmt der Staat durch seine Lehrer, was geht, da haben Eltern und Schüler nicht viel zu melden. Aber wir sind stolz darauf, dass wir ein Diskurssystem haben und dass wir Demokratie so schon in der Schule einüben. Da muss man auch die Prozesse durchführen, die dafür erforderlich sind.
Wo sehen Sie die hauptsächlichen Reibungspunkte?
LORZ: Der Hauptpunkt, mit dem wir im Moment zu kämpfen haben, ist der, dass die Gesellschaft dazu neigt, einerseits von der Schule alles zu erwarten, andererseits ihr nichts zuzutrauen. Das erzeugt ein Spannungsfeld. Schule ist aber nicht der alleinige Reparaturbetrieb der gesamten Gesellschaft. Wir können nicht zu jedem gefühlten gesellschaftlichen Missstand nur sagen: Da kümmert sich jetzt die Schule drum, da muss man die Lehrer entsprechend weiterbilden und dann wird schon alles gut.
Und das funktioniert nicht, ist aus Ihren Worten herauszuhören …
LORZ: Die Gesellschaft muss bestimmte Aufgabenstellungen für sich insgesamt anerkennen. Dann kann sich Schule mit ihren Anstrengungen eingliedern. Umgekehrt gehören Respekt und Wertschätzung vor der professionellen Arbeit dazu, die in Schulen geleistet wird. Daran fehlt es nach meiner Wahrnehmung manchmal in der öffentlichen Debatte. Die Reibungspunkte sind also: Es fehlt an hinreichendem gegenseitigem Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung der einzelnen Gruppen – jedenfalls teilweise. Wenn es irgendwo „knallt“, liegt es meistens daran.
Sind nicht auch die Erwartungen der Eltern an Schule gestiegen?
LORZ: Ich habe schon den Eindruck. Vor allem sind die Erwartungen an die Schule gestiegen, was den Erziehungsauftrag betrifft. Klassischerweise hat Schule einen Bildungs- und einen Erziehungsauftrag. Aber in früheren Zeiten stand der Bildungsauftrag im Vordergrund. Schule war dazu da, bestimmtes Wissen und bestimmte Kompetenzen zu vermitteln. Weil man in diesem Lebensraum größere Teile des Tages verbringt, muss man natürlich auch soziales Miteinander einüben, aber das lief früher sozusagen mit. Inzwischen hat sich der Erziehungsauftrag sehr in den Vordergrund geschoben, das ist schon eine zusätzliche Belastung von Schule.
Wie kann die Zusammenarbeit der Akteure verbessert werden?
LORZ: Spannend sind die Interaktionen untereinander. Das Kultusministerium hat nicht die Herrschaft über den Diskurs, sondern es besteht ein Geflecht von vielen Akteuren. Wichtig sind wechselseitige Anerkennung auch unterschiedlicher Positionen, Wertschätzung von Professionalität und die Anerkennung der legitimen Interessen und auch der Emotionalität von Eltern, wenn es um ihre Kinder geht. Wenn dieses Grundverständnis füreinander vorhanden ist, dann sind auch Zusammenarbeit und ein fruchtbarer Dialog möglich. Grundsätzlich gibt es im Bildungssystem wie überall, wo Menschen aufeinandertreffen, immer Dinge, die man verbessern kann. Das ist nie zu Ende.