Das ist die Schatzkammer des Weinguts Kloster Eberbachs

Türchen öffne Dich: Bis zum Heiligabend werfen wir jeden Tag einen Blick auf geheimnisvolle Orte im Rhein-Main-Gebiet. Heute geht es dorthin, wo die kostbarsten Tropfen von Kloster Eberbach lagern.
Hinter den großen Eisengittern erstreckt sich ein hohes Gewölbe, bis zur Decke hinauf Flaschen, Flaschen, Flaschen. Manche sind blank, andere dick von Spinnweben überkrustet – und es sind viele. Wie viele genau, mag Dieter Greiner nicht sagen: „Das ist eines der am besten gehüteten Geheimnisse“, sagt der Geschäftsführer von Kloster Eberbach schmunzelnd: „Hier lagert unser weinkulturelles Gedächtnis, auch für die Region.“
Die Schatzkammer des Weinguts Kloster Eberbach liegt, wie könnte es anders sein, in einem alten Keller von Kloster Eberbach, jener 1136 im Kisselbachtal gegründeten legendären Zisterzienserabtei im Rheingau. Der Zutritt zur Schatzkammer führt durch den alten Hospitalkeller, ein hoher Gewölbebau aus dem Jahr 1220 und das wohl älteste frühgotische Gebäude in Deutschland, das noch vollständig erhalten ist.
Im Film mit Sean Connery
Hier wurde einst der Wein der Mönche hergestellt, hier wurde auch der Film „Der Name der Rose“ gedreht – der Hospitalkeller war in der Romanverfilmung mit Sean Connery der Speisesaal. In der rechten Seitenwand führt die Pforte mit den Eisengittern in die Schatzkammer, das Allerheiligste des Weinguts Kloster Eberbach. Die Tür öffnet sich nur zu besonderen Gelegenheiten, für Gäste der Hessischen Landesregierung etwa.
Bis zur Decke lagern hier unter den Gewölbebögen Weine in Regalen aus Metall, ganz oben, in den kleinen Fächern, die Raritäten. Der älteste Wein? „1706“, erzählt Greiner: „Davon gibt es noch drei Flaschen.“ Wie schmeckt ein 300 Jahre alter Wein? „Wie ein Sherry, den man mehrere Tage offen im Glas stehen hatte“, erklärt Greiner, die Alterungsnoten verändern den Geschmack hin zu Brauntönen und goldenen Noten. Ein Hochheimer sei es, wohl ein Riesling, genau weiß man es nicht. „Die Rebsorten wurden damals nicht gekennzeichnet“, erklärt Greiner, „da steht nur 1706er Hochheimer.“
Zur Schatzkammer wurde das Gewölbe erst in den 1960er Jahren, erbaut wurde es im frühen 19. Jahrhundert vom Herzog von Nassau, als Gärkeller. Davon kündet noch der schwarze Belag der Decke: „Cladosporium cellare“, sagt Greiner prompt.
Der „Schwarze Kellerpilz“ lebt vom Alkohol allein und ist das Zeichen für das ideale Kellerklima von Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Um die 13 Grad sind es hier dauerhaft, mit leichten Schwankungen zwischen Sommer und Winter, „ideal für die Lagerung“, erklärt Greiner: „Nur leider wird nicht mehr genug Alkohol getrunken.“ Der Pilz, er bröckelt.
53er der Queen kredenzt
Gerade die Rieslinge und Spätburgunder aus dem Rheingau mit ihrem hohen Säureanteil eignen sich gut für die lange Lagerung. „Weine zwischen 50 und 150 Jahre alt, das sind immer noch feinste, gereifte Weine“, betont Greiner – und schwärmt von einem 1846er Steinberger. „Ein feiner gereifter Wein mit Aromen von getrockneten, kandierten Früchten“, erzählt Greiner, „da habe ich beim Öffnen der Flasche gezittert.“
Nur ganz, ganz selten machen sie hier eine der alten Flaschen auf, meist erst nach rund 40 Jahren, wenn die Weine umgelagert und die Korken erneuert werden. Was solch alten Weine Wert sind, kann – oder will – Greiner nicht sagen. Ein 1917er erzielte einmal bei einer Versteigerung 14000 Euro, es war ein Wein aus dem Geburtsjahrgang John F. Kennedys, und als der amerikanische Präsident 1963 in Wiesbaden zu Besuch weilte, bekam er einen der Weine als Geschenk.
Viele der Weine hier erzählen Geschichte, wurden zu Krönungen von Monarchen kredenzt, im Zarenpalast getrunken, bei Nobelpreisverleihungen serviert. Ein 1957er Rotwein vom Assmannshäuser Höllenberg wurde zur 50-Jahr-Feier der Römischen Verträge in der EU kredenzt, und als Queen Elisabeth zu Besuch kam, wurde ihr ein Weißwein des Jahrgangs 1953 serviert – es war ihr Krönungsjahr. Neben der Schatzkammer eines Weinguts in Burgund „dürfte das hier die größte Schatzkammer eines Weinguts weltweit sein“, sagte Greiner.
Zweimal wurde die Schatzkammer evakuiert, einmal 1866, als der Herzog von Nassau vor den Preußen floh, und einmal 1920, als die Franzosen nach dem Ersten Weltkrieg das Rheinland besetzten. „Die Bestände vor 1866 sind deshalb sehr rar, und auch zwischen 1920 und 1922 gibt es Lücken“, sagt Greiner.
Ab 1890 sind die Weinjahrgänge indes nahezu lückenlos erhalten, jedes Jahr werden hier 120 der besten Weine des jeweiligen Jahrgangs eingelagert. „Die Jahrgangsunterschiede schmeckt man“, sagt Greiner, vor allem aber auch die Typizität der jeweiligen Weinbergslage – durch die Jahrhunderte hindurch. „Das“, sagt Greiner, „untermauert das Mysterium des Weins.“