Sinkflug im Leerlauf

Nur einen Tag vor der mit Spannung erwarteten Vorstellung der Lärmobergrenze für den Frankfurter Flughafen stellten Fraport und Umwelthaus am Montag eine neue Software zur Lärmreduzierung vor: LNAS soll die Piloten zu leiseren Anflügen steuern.
Es quietscht, es jault, es dröhnt, denn der Flieger oben gibt noch einmal kräftig Schub, und das Fahrwerk ist auch schon ausgefahren. „Bei manchen Fluggesellschaften hat man das Gefühl, dass einfach alles gemacht wird: Klappen raus, Fahrwerk raus und Schub geben“, stöhnt Tarek Al-Wazir. Am Wochenende, so erzählte der hessische Verkehrsminister von den Grünen am Montag, habe er beim Grillen in seinem Garten in Offenbach „viele Stunden die Anflüge betrachten“ können. Und wieder einmal festgestellt: Es gebe „große Unterschiede in der Frage, wann wer Klappen und Fahrwerk ausfährt“ und damit auch, wer wie viel Krach mache – und das ganz unabhängig vom Modell.
Künftig soll nun eine Software den Piloten dabei helfen, genau diesen, für Flughafen-Anwohner extrem belastenden Lärm der landenden Flugzeuge deutlich zu verringern. LNAS heißt die neue Software, das steht für „Low Noise Augmentation System“, eine neue Assistenzsoftware im Cockpit, die den Piloten exakt den idealen Zeitpunkt zur Nutzung der Landeklappen und zum Ausfahren des Fahrwerks zeigt. Das Ziel ist ein möglichst langer Sinkflug im geräuscharmen Leerlauf.
Das helfe auch beim Sparen von Sprit, betonte Al-Wazir: „Ökonomie ist an dieser Stelle dann gleich Ökologie.“ Das Land unterstützte die Entwicklung von LNAS denn auch über das Umwelt- und Nachbarschaftshaus mit 560 000 Euro. Entwickelt wurde das System seit Oktober 2015 vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), in ein bis zwei Jahren könnte es flächendeckend zum Einsatz kommen.
Ausgehend von den Daten eines DLR-Testfliegers A 320 wurde ein Simulationsmodell eines idealen vertikalen Anflugprofils entwickelt. In der Praxis seien die Piloten „vom Idealverlauf sehr weit entfernt“, erklärte Stefan Levedag, Leiter des DLR-Instituts für Flugsystemtechnik. Die Landung eines Flugzeugs sei nämlich eine ungeheuer komplexe Aufgabe: Das sei, wie wenn man mit einem Auto im Parkhaus runterfahre, „dabei aber ein Loch im Auspuff und laut quietschende Bremsen hat, möglichst wenig bremsen und wenig Gas geben will.“
Einflussfaktoren von außen wie Wetter oder die Ansagen aus dem Tower erschwerten die Aufgabe zusätzlich, in der Praxis sei es deshalb „für den Menschen fast nicht möglich, so ein Profil ideal abzufahren“. Die Technik soll nun den Menschen dabei unterstützen, Geschwindigkeit, Fahrziel und Störklappen deutlich präziser einzusetzen.
Bislang wurde LNAS in Flugzeugsimulatoren und an einzelnen kleineren Flughäfen erprobt, seit Montag nun erstmals drei Tage lang im Normalbetrieb am Frankfurter Flughafen – der Stresstest für das System. Der Zeitpunkt ist gut gewählt, am heutigen Dienstag will Al-Wazir sein lange erwartetes Modell für eine Lärmobergrenze vorstellen. LNAS unterstreiche „einmal mehr unsere Anstrengungen, aktive Schallschutzmaßnahmen voran zu treiben“, beeilte sich denn auch Fraport-Vorstand Anke Giesen zu betonen.
Und auch Condor-Chefpilot Dietmar Wolff betonte ausdrücklich, es sei doch wichtig, gemeinsam Lösungen und „freiwillig wirksame Maßnahmen“ für eine Lärmobergrenze zu finden – bitte ohne strikte Anordnung der Politik. Er freue sich, „ein Plädoyer für die Lärmobergrenze gehört zu haben“, merkte Al-Wazir daraufhin süffisant an: „Wir sehen, bei entsprechender Anstrengung geht vieles, was man vorher für unmöglich hielt.“
Die neue Technik habe „auch im normalen Verkehr ohne Sonderbehandlung sehr gut funktioniert“, sagte DLR-Projektleiter Fethi Abdelmoula, trotz starken Rückenwinds. „Die Piloten waren sehr überrascht“, berichtete er, das System habe die einzelnen Schritte deutlich später vorgesehen, als die Piloten sie sonst durchgeführt hätten. Eine exaktere Punktlandung sei so möglich, dazu kämen die Einsparungen beim Kerosin: 8 bis 10 Kilogramm pro Flugzeug und Anflug seien realistisch. „Wir können näher an den Flughafen heranfliegen, das Fahrwerk später ausfahren“, bestätigte Lufthansa-Pilot Sven Schötteling: „Man merkt dann, das System hat Recht.“