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Der Horror auf Schienen: ICE nach Frankfurt braucht zwölf statt vier Stunden

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Von: Ines Alberti

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Ein ICE der Deutschen Bahn fährt durch eine begrünte Gegend.
Ein ICE der Deutschen Bahn wurde auf der Strecke Hamburg nach München unfreiwillig zur Übernachtungsstätte für 1400 Reisende. © Michael Gstettenbauer/imago (Symbolbild)

Selten klappt alles, wenn ich mit der Deutschen Bahn reise. Aber eine unfreiwillige Nacht im ICE toppt alles, was ich bisher erlebt habe. Ein Erfahrungsbericht.

Hamburg/Frankfurt - Die Deutsche Bahn hat sich mittlerweile einen Namen als nicht gerade zuverlässiges Verkehrsmittel gemacht. Verspätungen und Ausfälle sind an der Tagesordnung und manchmal verfährt sich ein ICE sogar. All das ist man als Bahnreisender (leider) gewohnt und plant gezwungenermaßen Puffer ein. Doch was ich am Freitag (12. Mai) erleben durfte, ist kaum mehr zu toppen.

Ich reise im Schnitt einmal im Monat mit dem ICE irgendwohin. In diesem Fall wollte ich die Rückfahrt einer Dienstreise von Hamburg nach Frankfurt antreten. Mein ICE sollte um 17.24 Uhr am Hauptbahnhof Hamburg abfahren, doch schon dort gab es eine Verspätung von einigen Minuten – denn sowohl das Gleis, auf dem der Zug eigentlich einfahren sollte, als auch das Ausweichgleis waren belegt. So weit, so gewöhnlich für DB-Verhältnisse.

Deutsche Bahn: ICE von Hamburg nach Frankfurt mit Hammer-Verspätung

Mit unserer noch vertretbaren Verspätung machten wir uns auf gen Süden und für etwa zwei Stunden gab es nichts zu klagen. Doch noch bevor wir den Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe erreichten, kamen wir unverhofft zum Stehen – in einem Tunnel. Wie üblich muss man sich in solchen Fällen erst einmal in Geduld üben, bis das Zugpersonal den Passagieren verrät, was denn eigentlich los ist. Wie sich herausstellte, war ein Stellwerk defekt, das in der Folge den gesamten Zugverkehr in dem Gebiet lahmlegte, hieß es.

Aus Minuten wurden Stunden, in denen das sehr bemühte und zunehmend verzweifelte Zugpersonal nicht müde wurde, die Fahrgäste darüber zu informieren, dass niemand wisse, wann es weitergeht. Beruhigend. Nach etwa eineinhalb bis zwei Stunden im dunklen Tunnel mit dürftigem Handyempfang und schlechter Luft (man konnte ja nicht raus) die erlösende Information: Ein Techniker konnte ausfindig gemacht werden und nahm sich des Stellwerks an. Statt um 19.35 Uhr erreichten wir Kassel-Wilhelmshöhe um 23.03 Uhr – entspannte dreieinhalb Stunden später als geplant.

Eine dreistündige Verspätung allein ist bereits eine Erfahrung, die kein Bahnreisender machen möchte. Doch wer jetzt denkt, das sei bereits der schlimme Teil dieser Fahrt gewesen, der irrt – denn die Odyssee war noch lange, um nicht zu sagen, sehr lange, nicht vorbei. Sagen wir es so: Als ich gegen Mitternacht jemandem auf WhatsApp schrieb „Oh mein Gott, ich glaube, ich werde die ganze Nacht in diesem scheiß Zug verbringen“, konnte ich noch nicht ahnen, wie viel Wahrheitsgehalt in dieser Nachricht stecken würde.

Deutsche Bahn: Defektes Stellwerk, Personenschaden und Warten auf Personal

Denn rund 50 Minuten später kam der Zug wieder zum Halt und die nächste Hiobsbotschaft erreichte die etwa 1400 Reisenden. „Sehr geehrte Fahrgäste, wir haben leider noch einmal schlechte Nachrichten für Sie“ – juhu, darüber freuen wir uns alle. „Aktuell ist der Streckenabschnitt vor uns gesperrt wegen eines Personenunfalls“, tönte es aus den Lautsprechern. Ein Satz, der übersetzt heißt: Wir werden uns für mindestens zwei weitere Stunden nicht vom Fleck bewegen. Zugegeben, dafür kann nun niemand etwas. Immerhin war diesmal frische Luft atmen und Beine vertreten möglich, denn wir konnten am Bahnhof in Bebra halten – und die Feuerwehr versorgte uns mit Getränken. Das Bordbistro war selbstredend bereits beim ersten dreistündigen Halt an seine Grenzen gekommen.

Eine Anzeige in einem ICE der Deutschen Bahn zeigt Verspätung an.
Ein ICE der Deutschen Bahn von Hamburg nach München musste nach diversen Komplikationen auf der Fahrt auch noch auf einen Lokführer warten. © Screenshot: privat

Während in manchen Abteilen die Korken knallten und Fahrgäste sich eine schöne Zeit machten, zweckentfremdeten in anderen Schülergruppen die Gepäckablagen als Klettergerüste. In meinem Abteil wurde viel geflucht und es machten sich Verschwörungstheorien breit, denen zufolge es gar keinen Personenschaden gebe, sondern die Bahn dies nur vorgebe, um keine Entschädigungen zahlen zu müssen. In so einer Gesellschaft befindet man sich doch gerne über Stunden.

Gegen nunmehr 2.30 Uhr konnte der ICE Richtung München die Fahrt wieder aufnehmen. Endlich, dachte ich, das wird es jetzt wohl gewesen sein mit den Komplikationen. Nach einem defekten Stellwerk und einem Personenschaden hat man als Bahnreisender schließlich so ziemlich alles erreicht, was eine wahre Höllenfahrt ausmacht. Doch da hatten wir die Rechnung ohne die Arbeitszeiten der Bahn-Mitarbeiter gemacht, die verständlicherweise auch einmal ihr Ende haben.

ICE der Deutschen Bahn durch zahlreiche Komplikationen stundenlang aufgehalten

Um kurz nach 3.00 Uhr erreichten wir den Fuldaer Bahnhof. Und erneut zuckten wir bei den nun merklich zerknirschten Worten „Sehr geehrte Fahrgäste, wir haben leider erneut schlechte Nachrichten für Sie“ zusammen. Was konnte jetzt schon wieder passiert sein? „Wir haben in Fulda jetzt eine Stunde Stehzeit, weil wir auf den neuen Lokführer warten müssen“ – ah, Musik in den Ohren eines jeden Bahnreisenden, der eigentlich schon seit fünf Stunden am Ziel gewesen sein wollte.

Um kurz nach 4.00 Uhr ging die wilde Fahrt schließlich weiter und eine weitere Stunde später erreichten wir endlich den Hauptbahnhof Frankfurt. Und ich hatte mich schon gesorgt, dass ich genau in dem Zeitfenster ankommen würde, in dem ich wegen des Nachtverkehrs nicht sofort eine S-Bahn nach Hause erwische. Gott sei Dank war es ja schon wieder Morgen! Und ich schlussendlich um 6.00 Uhr daheim.

Zu sehen ist die Anzeige in einem ICE der Deutschen Bahn, die eine gravierende Verspätung des Zuges anzeigt.
Statt um 21.44 Uhr kam der ICE von Hamburg um 5.05 Uhr in Frankfurt am Main an. © privat

Eine Reise, die planmäßig knappe fünf Stunden hätte dauern sollen, kostete mich 12,5 Stunden meines Lebens. Mehr als einen halben Tag. Und machte mich um eine Erfahrung reicher, die ich so nicht machen wollte: eine ganze Nacht in einem ICE verbringen. Immerhin gibt’s Geld zurück – sage und schreibe 50 Prozent des Preises. Völlig angemessen für ein Martyrium dieser Art, oder? Mein herzliches Beileid übrigens an die Passagiere, die es noch bis München in diesem Unglückszug ausgehalten haben.

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