Wildtierarche in Not
Die Wildtierarche Rodgau hat Ärger mit dem Kreisveterinäramt Offenbach. Die Behörde drängt auf Erfüllung von Auflagen, sonst droht die Schließung der Arche. Das will die Vereinsvorsitzende Petra Kipper so nicht hinnehmen.
Petra Kipper hat ein großes Herz für Tiere, genauer gesagt Wildtiere, einheimische wie exotische. Seit 30 Jahren kümmert sich die Vorsitzende der Wildtierarche Rodgau um tierische Notfälle, etwa verletzte Kleinvögel und Amphibien sowie mutterlose Großsäuger wie Marder, Waschbären oder Füchse. 500 Tiere nimmt sie pro Jahr in den 300 Quadratmeter großen Räumen im Dudenhofener Gewerbegebiet sowie in den speziell hergerichteten Außengehegen auf. Dort pflegt sie die Tiere gesund oder zieht sie auf, bevor sie wieder ausgewildert werden. „Ich war immer 24 Stunden täglich für Polizei und Tierretter erreichbar“, erzählt sie.
Doch zurzeit ist ihr Engagement auf Eis gelegt. Denn auf Betreiben des Kreisveterinäramts wurde die Halteerlaubnis der Wildtierarche nicht verlängert. Die Behörde drängt auf Erfüllung von Auflagen, die sich auf eine Dauerhaltung beziehen, sonst droht die Schließung der Wildtierarche. „Die rechtlichen Grundlagen für diese Auflagen sind deutschlandweit nicht geklärt und deshalb für die Veterinärbehörden sehr willkürlich anwendbar“, kritisiert Kipper. Viele Pflegestationen im Kreis dürften ihre Tätigkeit ohne Erlaubnis ausführen. „Hier werden offensichtlich andere Maßstäbe beim Nachweis der Sachkunde und den Räumlichkeiten angelegt“, so Kipper.
Sollte die Wildtierarche die Auflagen übrigens nicht erfüllen, droht ihr das Aus. „Das wäre eine Katastrophe“, sagt Tierärztin Cornelia Konrad. Sie ist Mitglied im Verein Tierfreundlich, der sowohl hilfsbedürftige Haus- und Heimtiere als auch heimische Wildtiere im Landkreis Gießen versorgt. „Großsäuger wie Füchse brauchen besondere Unterkünfte. Frau Kipper ist eine der wenigen in Hessen, die solche Tiere aufnimmt“, sagt sie. Wenn die Wildtierarche schließen müsste, könnten das die übrigen Wildtierstationen in Hessen nicht ausgleichen. „Alle Stationen verfügen über beschränkte Aufnahmekapazitäten. Die Belastungsgrenze ist längst erreicht.“. Folglich sehe Konrad für viele Tiere „zappenduster“.
Der Kreis Offenbach will sich den Schwarzen Peter nicht zuschieben lassen. „Wir haben zahlreiche Brücken gebaut“, sagt die stellvertretende Pressesprecherin Ursula Luh. „Wir wollen Ehrenamtlern keine Steine in den Weg legen.“ Allerdings müsse der Kreis und das zuständige Veterinäramt auf die Einhaltung der Gesetzesnormen bestehen. „Und die Wildtierarche hat einen Antrag eingereicht, den wir so nicht genehmigen können“, sagt Luh. Die Begründung: Der Sachkundenachweis fehle, woraufhin ein Aufnahmestopp für die Wildtierarche verhängt wurde. „Ich habe sowohl einen Verlängerungs- als auch einen Erweiterungantrag gestellt“, so Kipper, die nicht versteht, warum nicht wenigstens Ersterer genehmigt wurde.
Sachkunde erwiesen
Kippers Anwalt Ulrich Rommelfanger hält das Gebaren des Kreises für eine Farce: „Meine Mandantin, die staatlich anerkannte Referentin für Tier- und Naturschutz ist, hat sich in den vergangenen 30 Jahren einen Namen in der Wildtierpflege gemacht“, sagt er. Und durch eben diese langjährige Arbeit mit den Tieren könne Sachkunde nachgewiesen werden – so steht es auf dem Merkzettel des Veterinäramtes, der dem Antrag beigefügt ist.
Zudem lägen dem Amt schon zahlreiche Sachkundenachweise vor. „Wie kann die Sachkunde wegfallen, wenn sie doch zuvor Voraussetzung für die Erteilung der Halteerlaubnis war?“, fragt er. Das sei doch äußerst „mysteriös“ und „makaber“. Er vermute, dass die Ablehnung das Ergebnis einer persönlichen Fehde ist, welche die Amtstierärztin gegen seine Mandantin führe. „Das ist ein Machtkampf, der zulasten der Tiere geht.“
Der Kreis Offenbach bestreitet das. „Frau Kipper hat eine Aufnahmegenehmigung für weitere Tiergattungen beantragt. Dafür muss die Sachkunde nachgewiesen werden“, so Luh. Zwei Varianten seien denkbar gewesen: Erstens eine neutrale Überprüfung der Wildtierarche durch einen Gutachter. Zweitens die Benennung eines Tierarztes, der die Verantwortung übernimmt. Tierärzten wird nämlich grundsätzlich eine Sachkunde unterstellt.
Letzteres hat Petra Kipper bereits 2014 getan, doch ohne Erfolg. „Warum hat die umgesetzte Vorgabe nicht zu einer Erlaubnis geführt“, fragt sie.
In diesem Zusammenhang hat der Bürgermeister von Rodgau jüngst dem Kreis Offenbach drei Gutachten von Tierärzten vorgelegt, die Petra Kippers allgemeine Sachkunde in Bezug auf heimische Wildtiere bestätigen. Jetzt hat der Kreis ein Mediationsverfahren vorgeschlagen, das Petra Kipper im Sinne der ehrenamtlichen Tätigkeit annimmt.
Rommelfanger hat dafür Klage auf Erteilung des Aufnahmebescheids eingereicht, die Voraussetzung für ein Güterichterverfahren. Das Verwaltungsgericht Darmstadt bestätigt den Eingang der Klage. Das Verfahren werde sich wohl bis Ende des Jahres hinziehen. „Wir werden bis dahin keine Tatsachen schaffen und die Wildtierarche auch nicht zwangsschließen“, verspricht Luh.