Lage beim Gas auch in Hessen „sehr ernst“ - Al-Wazir: „So eine Situation gab es noch nicht“

Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir mahnt zum Sparen bei Gasverbrauch. Sonst könnten die Speicher im Winter leer sein. Und das Kohlekraftwerk Staudinger bei Hanau soll länger laufen.
Wiesbaden – Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) hat eindringlich dazu aufgerufen, Gas zu sparen. Die Lage aufgrund der Liefereinschränkungen durch Russland sei „sehr ernst“. Es müsse nun alles dafür getan werden, damit man über den nächsten Winter komme.
„So eine Situation gab es noch nicht“, sagte Al-Wazir am Donnerstag (23. Juni) bei einer Pressekonferenz in Wiesbaden, die eigentlich nur ein Hintergrundgespräch für interessierte Journalist:innen sein sollte. Weil aber Bundeswirtschaftminister Robert Habeck (Grüne) drei Stunden zuvor die zweite Alarmstufe ausgerufen hatte, wurde daraus eine offizielle Konferenz, die Al-Wazir vor allem dazu nutzte, zum Gassparen aufzurufen.
Sorge vor der Notfallstufe: Hessen ist ebenfalls von fehlendem Gas betroffen
Aktuell gebe es zwar keine kritische Knappheit. Allerdings müssten die Speicher dringend gefüllt werden, „damit wir im Februar oder März nicht bei Null sind“, wie Al-Wazir mahnte. Müsste die dritte und letzte Notfallstufe auf Bundesebene ausgerufen werden, werde die Bundesnetzagentur entscheiden, wer Gas bekomme und wer nicht. „Das müssen wir auf jeden Fall verhindern“, sagte der Minister. Eine solche Entscheidung könne niemals richtig getroffen werden.
Betroffen wären zunächst vor allem Industrie, Handel und Gewerbe. Für Hessen, das bislang mehr als die Hälfte seines Erdgases aus Russland bezog, bedeutete das einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts, weniger Steuereinnahmen und weniger Bedarf an Arbeitsleistung. Dies müsste allerdings nicht zwangsläufig zu einer höheren Arbeitslosigkeit führen, da gerade die Möglichkeiten zur Kurzarbeit verlängert worden seien.
Möglichkeiten die Lage des Gases zu bremsen: 20 Prozent Einsparung bei Erdgas
Al-Wazir geht davon aus, dass rund 20 Prozent eingespart werden könnten. Viele Betriebe suchten bereits nach Möglichkeiten, den Energieverbrauch zu senken oder Gas durch Heizöl zu ersetzen. Allerdings sei dies nicht überall möglich. Privathaushalte und soziale Einrichtungen wie beispielsweise Krankenhäuser würden auch weiterhin mit Gas beliefert. Sie hätten Vorrang vor der Wirtschaft.
Al-Wazir erwartet, dass auch in vielen kommunalen Einrichtungen nach Einsparungsmöglichkeiten gesucht werde. Als Beispiel nannte er die Frage, wie warm Hallenbäder im nächsten Winter sein müssten. Auch in der öffentlichen Verwaltung werde überlegt, wie der Verbrauch reduziert werden könne. Gleiches gelte für die Hochschulen des Landes.
Apell Al-Wazir von an Verbraucher: Gas-Lage kann ernst werden
Sehr viele direkte Einwirkungsmöglichkeiten hat das Land allerdings nicht. So können Unternehmen nicht zu einer Umstellung auf Öl verpflichtet werden. Auch die Kommunen können über ihre Liegenschaften selbst entscheiden.
An die Verbraucher und Verbraucherinnen appellierte Al-Wazir, auch im eigenen ökonomischen Interesse den Energieverbrauch zu senken. Die Preise seien schon gestiegen und würden noch deutlich weiter steigen. Alle seien gefordert, damit kein echter Liefernotstand eintrete. Privathaushalte verbrauchen rund die Hälfte des Gases in Hessen, davon wiederum rund 70 Prozent fürs Heizen.
Steinkohlekraftwerk als Alternative zu Gas: Lage wird ernst
Aktuell macht das Land eine Bestandsaufnahme um festzustellen, wer wie viel Energie verbraucht und wofür. Dies geschehe in Zusammenarbeit mit der Bundesnetzagentur. Eine eigene Entscheidungskompetenz über mögliche Lieferstopps hat das Land allerdings nicht, ebenso wenig verfügt Hessen über eigene Gasreserven.
Kommentar zum Thema: Erdgas sparen ist nichts für Warmduscher
Al-Wazir geht davon aus, dass das Steinkohlekraftwerk Staudinger in Großkrotzenburg bei Hanau nicht wie geplant demnächst abgeschaltet wird. Stattdessen werde es wohl für eine begrenzte Zeit mit seinem Block 5 wieder in die reguläre Stromerzeugung und -versorgung einsteigen. Bislang war Staudinger vor allem dafür eingeplant, die Stromversorgung bei Schwankungen in der Erzeugung von Strom durch Wind und Solar auszugleichen. (Peter Hanack)