1. Startseite
  2. Film, TV & Serien

Anne Will: Kevin Kühnert im Clinch mit Paul Ziemiak

Kommentare

Anne Will diskutierte über das Thema „Die SPD rückt nach links – wohin rückt die Koalition?“
Anne Will diskutierte über das Thema „Die SPD rückt nach links – wohin rückt die Koalition?“ © Scrennshot/ARD

Anne Will lässt schon mal den Koalitionsausschuss proben, und Juso-Chef Kevin Kühnert weiß die Gelegenheit zu nutzen.

Eine Talkshow spielt Koalitionsausschuss: Was zwischen den Partnern der GroKo demnächst ausgehandelt werden muss, wurde bei Anne Will schon mal diskutiert. „Die SPD rückt nach links – wohin rückt die Koalition?“ lautete ihr Thema. Dabei musste die Moderatorin tatsächlich irgendwann dazwischengehen, als die Vertreter der beiden Parteien, Paul Ziemiak, Generalsekretär der CDU, und Kevin Kühnert, seit neuestem Stellvertretender Parteivorsitzender der SPD, zu stark in den Dialog gerieten. Aber die Sendung brachte dennoch mehr Klarheit in das Themengewirr als vergleichbare Veranstaltungen zuvor. Das lag zum einen an Kühnerts Fähigkeit, seine Haltung einleuchtend zu erklären, als auch an den anderen Gästen.

So wurden die nun von der SPD beim jüngsten Parteitag formulierten Forderungen auf eine Weise abgearbeitet, dass auch das geneigte Publikum die unterschiedlichen Positionen verstanden haben dürfte. Und es gelang dem Juso-Chef darzulegen, dass die (auch wieder von Ziemiak benutzte) Phrase von der angeblichen „Selbstbeschäftigung“ einen notwendigen demokratischen Diskussionsprozess diskreditiert.

Anne Will: Investitions-Programm und Mindestlohn

Kühnert antwortete auf Anne Wills Frage, was denn nun geschehen werde, es sei wichtig, dass die Gespräche erst mal stattfänden. Das Beharren der Christdemokraten darauf, dass es keine „Verhandlungen“ geben werde, weil der Koalitionsvertrag die Grundlage der Regierungsarbeit sei, wird sich als Wortklauberei entlarven. Denn selbst CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte schon im Februar, gesagt, zur Halbzeit der Koalition werde man Revision machen und schauen, was geändert werden müsse. Und selbstverständlich wird geredet werden, schon bald im Koalitionsausschuss. Aber über welche Themen?

Ein Investitions-Programm (die SPD will Investitionen von 450 Milliarden Euro für die kommenden zehn Jahre) hätten doch auch Teile der Arbeitgeber schon gefordert, erläuterte Cerstin Gammelin, Stellvertretende Leiterin des Parlamentsbüros der „Süddeutschen Zeitung“. Sie rief den strukturellen Umbruch in Erinnerung, vor dem das Land stehe, die drohenden Jobverluste durch die Digitalisierung beim Bankensektor und in der Autoindustrie. Da sei die Forderung nach Investitionen „total vernünftig“.

Auch Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts und zu großer Nähe zur SPD unverdächtig, plädierte für mehr Investitionen, vor allem im privaten Bereich. Er bescheinigte den Sozialdemokraten, sie seien „relativ konstruktiv“ vorgegangen, die im Leitantrag formulierten Thesen seien „relativ zahm“.

Der von der SPD geforderte Mindestlohn von zwölf Euro nahm einigen Raum in der Debatte ein. „Darüber brauchen wir nicht zu sprechen“, wiegelte Ziemiak ab. Doch die Arbeitnehmervertretung seiner eigenen Partei will mehr Geld für die Betroffenen. Der CDU-Generalsekretär scheute sich auch nicht, aus der Mottenkiste das Argument hervorzukramen, dass „die, die nicht arbeiten wollen“, nicht so viel bekommen dürften wie Facharbeiter. Wie demagogisch diese Behauptung ist, zeigte Kühnert mit einer Zahl: Lediglich bei drei Prozent der Fälle habe die Bundesagentur für Arbeit Sanktionen verhängt. Ohnehin solle es 2020 eine Evaluation des Mindestlohns geben.

Anne Will: Schriftstellerin Jagoda Marinić empört sich über Mindestlohn-Debatte

Schriftstellerin Jagoda Marinić sind auch die zwölf Euro zu wenig. Sie empörte sich über die Debatte an sich, denn es gebe „so viel Kapital im Land“, und in Kalifornien etwa betrage der Satz 15 Dollar, also rund 13,50 Euro. Hier aber müssten immer mehr Menschen zu den Tafeln gehen, um etwas zu essen zu bekommen. Darauf reagierte Ziemiak mit einer Lobpreisung des bundesdeutschen Sozialsystems, musste aber auf Anne Wills Fragen nach der Zunahme bei den Tafeln gestehen, dass man „daran arbeiten“ müsse.

Clemens Fuest, auch Mitglied in der Regierungskommission zum Mindestlohn, verwies darauf, dass die Erhöhung sich bislang an den Tariflöhnen orientiert habe, die Politik müsse über eine Änderung entscheiden. Zwölf Euro wären allerdings eine „massive Umverteilungsentscheidung“ zu Lasten der kleinen Unternehmer und Ostdeutschlands. Der Mindestlohn sei auch nicht der Hauptgrund für Altersarmut, sondern die Teilzeit-Beschäftigung. Viele Sozialleistungen seien nicht aufeinander abgestimmt – er vergaß wohl zu sagen, welche Partei in den vergangenen Dekade dafür vor allem verantwortlich war ...

Die Grundrente soll nun der Altersarmut entgegenwirken. Aber Annegret Kramp-Karrenbauer stellt sie neuerdings in Frage. Wenn die SPD aus der Regierung ausscheide, werde es die Grundrente nicht geben. Ziemiak nannte als Argument, es gebe ja keine Mehrheit mehr im Parlament dafür. Als ob die SPD dann das von ihr mitbeschlossene Gesetz ablehnen würde ... Kühnert nannte das zu Recht ein „polit-taktisches Manöver“ – das die CDU offenbar auf dem Rücken der Rentner auszutragen gewillt ist.

Anne Will: Frage nach der Schwarzen Null bleibt spannend

Anne Will, ARD, von Sonntag, 8. Dezember, 21.45 Uhr. Mediathek 

Spannend bleibt die Frage nach der „Schwarzen Null“. Denn Finanzminister Olaf Scholz hatte noch vor kurzem das Festhalten daran bestätigt. Die neue SPD-Spitze Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken will sie wegen der notwendigen Investitionen abschaffen. Cerstin Gammelin riss das Problem auf: Soll Scholz nun exerzieren, was das Führungs-Duo verlange, also im Kabinett als Bote seiner Chefs agieren? Man wisse ja, was mit Boten bisweilen geschehe, so Gammelin. Fuest fand die Debatte um die Schwarze Null eine Scheindiskussion, denn schon jetzt werde viel Geld bürokratischer Hemmnisse wegen nicht abgerufen. Bei diesem Thema könnte es also auf einen verklausulierten Kompromiss hinauslaufen.

Anne Will: Jagoda Marinić ist von der SPD enttäuscht

Der wird Jagoda Marinić nicht genügen. Sie gab dem Kreis um Kevin Kühnert eine Ahnung davon, wie schwierig es sein wird, trotz aller „Befriedungsarbeit auf dem Parteitag*“ (Cerstin Gammelin) die SPD zusammenzuhalten. Sie sei enttäuscht. Die Radikalität vom Anfang sei total verschwunden, binnen weniger Tage sei „alles kleingeschrumpft“. Alles sei nun nur noch „perspektivisch“, aber wann, so fragte die Autorin, solle das alles denn passieren? Und ein Programm für die Zukunft könne doch nicht darin bestehen, aktuelle Defizite aufzuheben: „Die Menschen warten schon lange genug“.

Könnte also sein, dass letztlich nicht der Koalitionspartner für Kevin Kühnert und Genossen das größte Problem wird, sondern die eigene Klientel ...

Von Daland Segler

Bei der TV-Talkshow Maybrit Illner im ZDF ging es um die Corona-Proteste. Boris Palmer kritisiert die Regierung - und zieht einen kühnen Vergleich.

*fr.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

Auch interessant

Kommentare