Wasserwirtschaft auf der Welt: Zum Nachteil der Meisten

Der Themenabend „Wasser“ bei Arte wird von einem investigativen Dokumentarfilm eröffnet.
Margaret Thatcher hat mit ihrer Politik die Welt tiefgreifend verändert. Zuerst in ihrer traditionsverhafteten englischen Heimat, wo sie die Modelle für viele Nachfolgetäter entwarf und lieferte. Zum Beispiel das Modell der Privatisierung von allem, was bis dato in öffentlicher Hand (wie das britische Eisenbahnwesen) oder einfach als öffentliches Gut vorhanden war wie das Wasser.
Themenabend „Wasser“ auf Arte: Beunruhigende Geschichten
Wie heute der Blondschopf Johnson versprach vor vier Jahrzehnten die Eiserne Lady mit der Betonfrisur ihren Landsleuten eine wunderbare Zukunft: Alles werde besser, wenn es in private Hände gerate. Das stimmte, wie man bald sehen konnte, nur für ein paar wenige Leute, vornehmlich aus dem Berufsstand des Finanzinvestors. Jérôme Fritels investigativer Dokumentarfilm, mit dem Arte den Themenabend über das Wasser eröffnet, liefert tief beunruhigende Geschichten vor allem aus der anglophonen Welt, nämlich Großbritannien, Australien und den USA.
Hier wird Wasser als Rohstoff an Rohstoffmärkten gehandelt. „Rohstoff“ und „Markt“, das bedeutet: maximale und rücksichtslose Ausbeutung der Ressourcen, und nur wer sie sich leisten kann, bekommt die Ware. Weil weltweit 70 Prozent des Wassers für die Produktion von Nahrung verwendet werden, also in der Landwirtschaft, hat diese Branche die Veränderungen zuerst zu spüren bekommen. In Australien zum Beispiel, dem heißesten und mittlerweile trockensten Kontinent. Im Sommer 2019 stieg der Wasserpreis bis auf 700 Dollar für einen Gigaliter.
Themenabend „Wasser“ auf Arte: „Die Welt verändert sich eben“
Landwirte, die ihre Wasserrechnung nicht mehr bezahlen können, müssen aufgeben, irgendwer kauft ihre Ländereien für Spottpreise. In Kalifornien zum Beispiel ist der Erwerb von Land inzwischen auch interessant, weil damit der Erwerb der Wasserrechte verbunden ist für alles Wasser, das auf diesem Landstück gefördert werden kann. Egal, ob sich deshalb der Boden absenkt und Häuser zerbröseln. Zwischendurch gibt es in dem Film immer einen kurzen Wetter-Spot: 39 Grad in London, Hitzewarnungen in Kalifornien, 45 Grad in Adelaide. Man sieht den Wasserbedarf auf dem Planeten förmlich steigen.
Man sieht arrogante Banker in ihren hellblauen Hemden mit Krawatte und aufgedunsene Anzugträger, die von den Renditen schwärmen und von ihrer Pionierrolle auf dem Wassermarkt. Es gibt auch Länder ohne Wassermarkt, die dennoch über eine funktionierende Wasserversorgung verfügen, das sollte man nicht vergessen. Es gibt Maude Barlow, die bei der UNO eine Resolution durchgesetzt hat, nach der der Zugang zu Wasser vor der Bedrohung durch Privatisierung und Handel geschützt werden muss. Es gibt in Australien Aborigines, die das Prinzip der Ausbeutung natürlicher Ressourcen fundamentalistisch kritisieren. Und es gibt die Ignoranten und die Resignierten, die immer wieder einen Satz sagen wie „Die Welt verändert sich eben.“ Aber dieser Satz stimmt nicht.
Themenabend „Wasser“ auf Arte: Zum Nachteil der Meisten
Es sind Menschen wie Margret Thatcher oder Hedgefonds-Manager und Finanzinvestoren, die die Welt für alle verändern. Sehr oft eben nicht zum Vorteil der Vielen und langfristig zum Nachteil der Meisten. Und wer weiß, vielleicht findet ja auch bald jemand, dass Atemluft nicht mehr einfach gratis zur Verfügung stehen, sondern an der Börse gehandelt werden sollte.
Reinigung von Abwasser und die Trinkwasseraufbereitung werden aufwendiger und teurer, weil immer mehr kritische Stoffe wie zum Beispiel Arzneimittel- und Pestizidrückstände in den Wasserkreislauf gelangen.
Wasser im Visier der Finanzhaie (Main basse sur l’eau). Dokumentarfilm, Arte, 17.12.2019, 20:15 Uhr.
Von Hans-Jürgen Linke