"Hydra": Beklemmend und aufwühlend

Spät
Spätestens seit "Voll auf Hass" von 1987 mit den Kommissaren Paul Stoever (Manfred Krug) und Peter Brockmöller (Charles Brauer) hat sich der "Tatort" immer wieder des Neonazi-Problems angenommen. "Hydra" ist dabei besonders gelungen.
Der Mord an Kai Fischer, einem Anführer der Neonazi-Szene in Dortmund, führt die Kommissare Peter Faber (Jörg Hartmann), Martina Bönisch (Anna Schudt), Nora Dalay (Aylin Tezel) und Daniel Kossik (Stefan Konarske) mitten hinein ins tiefbraune Milieu. Fischers Witwe Tanja verdächtigt Jesida Steinmann (Valerie Koch), eine Jüdin und Leiterin einer örtlichen Beratungsstelle gegen rechte Gewalt, mit der Tat etwas zu tun zu haben: Ihr Mann wurde von Neonazis ermordet und sie verlor dabei ihr Baby. Doch es gibt nicht nur die "Nationalsozialen" unter Fischer, sondern noch eine andere ultrarechte Gruppierung.
Neonazis ohne Klischees
Mit der Schilderung von kriminellen Subkulturen hatte der "Tatort" in der Vergangenheit nicht immer eine besonders glückliche Hand: In der Doppelfolge "Wegwerfmädchen" mit etwa ähnelte die Rockergruppe mit dem Fortlauf der Handlung immer mehr einer Karikatur, zumal sich die Handlung sich auch immer unglaubwürdiger entwickelte. Nicht so in "Hydra": Die Neonazis hier mischen sich unter Fussballfans, sind höflich und hilfsbereit zu alten Damen und erst auf den zweiten Blick bemerkt der Beobachter die Risse im Vertrauten: Den Hass gegen alles Nichtdeutsche und besonders gegen Juden.
In vielen kleinen Details nimmt das Drehbuch von Jürgen Werner Bezug auf die Realität: So wird in einem Nebensatz das rechtsradikale Netzwerk "Blood and Honour" erwähnt. Dieses Netzwerk ist leider keine Erfindung. Es hält nicht nur Kontakte zu neonazistischen Bands, sondern wird auch mit den Morden der NSU in Verbindung gebracht. Auch die Verknüpfung des Neonazi-Führers mit dem Verfassungsschutz und der Anwerbung von V-Leuten weckt Erinnerungen an bis heute nicht erschöpfend geklärte Zusammenhänge mit der NSU.
Besonders gut: Aylin Tezel und Jörg Hartmann
Von den Kommissaren spielen Jörg Hartmann - der unrasiert und mit struppigem Haar eine gewisse Ähnlichkeit zu dem von dem Schauspieler Huub Stapel gespielten Inspektor Eric Visser in dem klassischen Actionthriller "Verfluchtes Amsterdam" (1987) nicht leugnen kann - und die ausgezeichnete Aylin Tezel ihre Rollen besonders gut. Aber auch die Nazis sind mit Rolf Peter Kahl oder Franz Pätzold ausgezeichnet besetzt.
Und was noch einmal besonders an diesem Film gefällt: Trotz des aufwühlenden und mutigen Themas ist "Hydra" vollkommen unprätentiös und verzichtet auf jeden pädagogischen Zeigefinger. "Ich hätte dich für intelligenter gehalten" sagt Kossik zu seinem Bruder Tobias (Robert Stadlober), als er erkennt, dass dieser mit der Szene verstrickt ist. Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen.