"Die Sturmnacht": Erzählerisches Meisterstück

In "Die Sturmnacht" fragen sich Krüger und sein Assistent Fichte (Thorsten Merten) nicht nur, wo die drei jungen Leute geblieben sind, in deren verlassenem Haus es aussieht, als habe ein heftiger Kampf stattgefunden. Es geht auch um zwei weitere Frauen, die fünfzehn Jahre zuvor spurlos von einer Feier verschwunden sind. Sie hatten eine lesbische Liebesbeziehung. Haben sie gemeinsam ihre Familien - eine hatte einen kleinen Sohn - hinter sich gelassen und ein neues Leben begonnen, fielen sie einem Verbrechen um Opfer oder ist tatsächlich was dran an der Legende vom Nix?
Die Grenzen zum Phantastischen werden hier schon mal gestreift im achten Film der ZDF-Reihe "Spreewald-Krimi": Kommissar Krüger (Christian Redl), der grübelnde Ermittler, spricht häufiger von Dämonen, und im Mittelpunkt der Geschichte stehen die drei verschwundenen jungen Filmstudenten Mirko (Pit Bukowski), Laura (Luise Heyer) und Dennis (Julius Feldmeier), die einen Film über den phantastischen Wassermann drehen wollten, einen Wassergeist. Titel: "Das Nixprojekt".
Was natürlich an "Blair Witch Project" erinnert, jenen Horrorfilm, der wiederum von dem berüchtigten Kannibalenfilm "Cannibal Holocaust" von Ruggero Deodato beeinflusst wurde. Während die Hexe aus "Blair Witch Project" aber speziell für den Film ersonnen wurde, ist die Legende vom Wassermann oder Wassernix weit verbreitet. "Der Nix ist keine lokale Erscheinung, er ist universell" sagt Laura in die Kamera, und man findet ihn außer in Sagen sogar bei Wilhelm Busch. Dort taucht er in "Die beiden Schwestern" als "der alte, kalte Wasserneck" auf - und mit einer der beiden Schwestern auch wieder unter.
Zwei Frauen verschwanden Jahre zuvor
In "Die Sturmnacht" fragen sich Krüger und sein Assistent Fichte (Thorsten Merten) nicht nur, wo die drei jungen Leute geblieben sind, in deren verlassenem Haus es aussieht, als habe ein heftiger Kampf stattgefunden. Es geht auch um zwei weitere Frauen, die fünfzehn Jahre zuvor spurlos von einer Feier verschwunden sind. Sie hatten eine lesbische Liebesbeziehung. Haben sie gemeinsam ihre Familien - eine hatte einen kleinen Sohn - hinter sich gelassen und ein neues Leben begonnen, fielen sie einem Verbrechen um Opfer oder ist tatsächlich was dran an der Legende vom Nix?
Krüger sichtet das filmische Material, dass die drei - bewusst? - auf ihrem Laptop hinterlassen haben. Was ist echt, und was ist inszeniert? Die drei haben sich an den zunächst freundlichen Landwirt Sebastian Fähnrich (Norbert Stöß) gewendet, der aber hochaggressiv reagierte, als die beiden verschwundenen Frauen erwähnt wurden: Mit der Frau, die den Sohn hatte, war er verheiratet, und nach ihrem Verschwinden hat er den Hof geerbt. Der Sohn wurde als das "Mörderkind" gehänselt. Krüger, dessen Vater einst seine Mutter ermordete, weiß nur zu genau, was das bedeutet.
Hervorragend verschachtelte Erzählstruktur
Drehbuchautor Thomas Kirchner, Regisseur Christoph Stark und vor allem Kameramann Frank Blau erzählen die Handlung nicht linear, sondern lassen die Erzählebenen auf geniale Weise buchstäblich immer wieder ineinander verschwimmen. Immer wieder wechselt die Perspektive von der Fiktion zur Realität, von aufgenommenen Bildern zu tatsächlichen Ereignissen. Szenen entstehen in Krügers Kopf, schwarz-weiße Aufnahmen finden unmittelbar darauf ihre Fortsetzung in Farbe. Das erzählerische Experiment ist bestens gelungen.
Und zu allem kommt immer wieder der heimliche Star der Filmreihe "Spreewald-Krimi": die dschungelartige Landschaft mit viel Grün und verzweigten Flussläufen, die hier aufs Beste die labyrinthische und assoziative Erzählstruktur der Handlung spiegelt. Ergänzt hier durch eindrucksvolle Aufnahmen von schlammigen Wassermassen, die ihre schrecklichen Geheimnisse erst preisgeben, nachdem die Feuerwehr sie abgepumpt hat. Und eine hypnotische Musik von Thomas Osterhoff.
Unter der Flut von Fernsehkrimis - die Bezeichnung scheint angesichts der Bilder des Films besonders geeignet - ragt "Die Sturmnacht" turmhoch heraus. Sie erreicht in ihrem Niveau tatsächlich sogar den hervorragenden Beitrag "Mörderische Hitze" vom vergangenen Jahr. Und ähnlich wie dieser zu Recht ausgezeichnete Film der Reihe erzählt "Die Sturmnacht" auch vom Verlust der Unschuld. Zwar eher am Rand, nämlich in der Figur von Fähnrichs Sohn (Sammy Scheuritzel) - aber dennoch sehr, sehr gut.