Spiegel des nicht gezeigten Grauens: „Tatort“ zeigt organisierten Kindesmissbrauch

Der „Tatort: Monster“ verbindet die Rache eines infamen Geisteskranken mit dem Alptraum organisierter Pädophilie. Die TV-Kritik
Es ist kaum zu ermessen, wie viel Kraft Autoren von Kriminalgeschichten, diesmal: Jürgen Werner, in die Entwicklung komplizierter Untaten stecken müssen. Und zwar ist hier von einer besonderen Untergattung die Rede, den Verbrechen infamer Geisteskranker (ViGk). Die Täter, die iGk, scheuen weder Kosten noch Mühen, um ihr Hassobjekt – im Tatort gemeinhin eine Kriminalbeamtin oder ein Kriminalbeamter – in eine Zwangslage zu bringen, bei der die Opferung von Nebenfiguren eine ebenso wesentliche Rolle spielt wie irrwitzige Überwachungstechniken: Der iGk weiß alles, sieht alles, und er verfügt über Topkontakte.
„Tatort: Monster“ (ARD): Verbrechen infamer Geisteskranker
Seine Verbündeten sucht er sich in finstersten Milieus, gerne bei Leuten, die eine Rechnung offen haben und denen die Teilintelligenz und jedenfalls kriminelle Energie, die der iGk mitbringt, dabei zunutze sein kann. Der neue Dortmund-Tatort „Monster“, einerseits hart, andererseits dezent inszeniert von Torsten C. Fischer, bietet von alledem eine besonders dunkle Variante. Der Titelschuft, man ahnt es schon, ist jener Markus Graf, der Kommissar Faber, Jörg Hartmann, seit 2014 immer wieder herausfordert – beider schlimme Bekanntschaft ist weit älter – und nun ein hochdramatisches Shootout anstrebt.
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Wie so oft, sind aber die packendsten Minuten des Films jene, in denen noch nichts davon zu ahnen ist und bloß der Zipfel eines ViGk vor uns auftaucht. Die kleine Familie des neuen, zu prosaischem Missmut neigenden Ermittlers Pawlak, Rick Okon, schleckt Eis und hat gute Laune, was im Kriminalfilm selten Gutes verheißt. Ein ernstes Kind wird dazwischengeschnitten, damit man noch mehr zittert. Aber nun muss der Papa rasch zum Tatort, wo die Polizei schon ratlos vor einer blutbefleckten Frau und ihrem erstochenen Opfer steht.
„Tatort: Monster“ (ARD): Um die Ecke gedacht
Die Frau will nur mit Faber sprechen. Das Spiel kennen wir, jetzt jedoch ruft auf einmal Pawlaks Tochter an, ein böser Mann sei im Haus, und als Pawlak und die extrem konzentrierte Dalay, Aylin Tezel, vor Ort sind, finden sie Frau Pawlak mit einer Überdosis vor. Das Kind aber ist verschwunden. Noch bevor sich Markus Grafs Plan allmählich enthüllt – und dem zuschauenden Publikum auch immer wieder verhüllt, denn die iGk denken zu oft um die Ecke für unsereinen –, sieht Faber ihn schon auf einer Überwachungskamera: zum Greifen nah wäre er zwischenzeitlich gewesen. Graf, Florian Bartholomäi, versteckt sich jedoch hinter Polizeimütze und jenem Bart, hinter dem sich momentan mancher Bubi verbirgt. Kein Fundus ist dem iGk verschlossen, außerdem mangelt es ihm nicht an Zeit für die Vorbereitungen.
Die Mörderin, die den Tatort nicht verlassen hat, wird von Luisa-Céline Gaffron mit stoischer Intensität gespielt. Dass sie als Werkzeug des iGk von einer Opferrolle in die nächste stolpert, wird kaum ausgeführt, es ist auch vor allem Faber zu verdanken, dass die üblichen Katz-und-Maus-Spiele beim Verhör diesmal so viel Rasanz bekommen. Die coole Anna Schudt als Bönisch komplettiert das sehr abgeklärte, noch im Abwegigen inzwischen glaubwürdige Dortmund-Team.
„Tatort: Monster“ (ARD): Organisierter Kindesmissbrauch
Im Hinter- und bald im Vordergrund der Handlung geht es um organisierten Kindesmissbrauch. Das ist so bitter und wird so bitter vorgetragen – das Entsetzen der Polizei ist der Spiegel des nicht gezeigten Grauens –, dass holpernde Logik unwichtig wird. „Sie versuchen wie alle anderen zu verdrängen, dass es so etwas tatsächlich gibt“, hieß es gegen Ende und erwischt uns nicht kalt, aber es erwischt uns.
„Tatort: Monster“, ARD, So., 20.15 Uhr.
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