Tatort aus München: Sie hoffen auf ein gutes Ende

„One Way Ticket“, ein etwas verwickelter, aber auch lapidarer München-Tatort.
„Die Wahrheit ist ein grobes Viech“, der Satz von Hauptkommissar Franz Leitmayr passt allemal als Fazit zu einem München-Tatort, der zeigt, wie der Mensch in den Schlamassel stolpern kann und die Wahrheit über den Schlamassel am Ende keinen froh macht, nicht einmal die doch eigentlich gelassen ihren Dienst versehenden Ermittler.
„One Way Ticket“, so der Titel, klingt gleich ominös – und tatsächlich wird hier so manchem ein Ticket ohne Rückkehr ausgestellt. Andere erhalten eine zweite Chance. Rupert Henning, Buch und Regie, vollzieht dabei Wendungen, die einem zum Teil aberwitzig, gleichzeitig lakonisch und nach einer Weile schon nicht mehr so aberwitzig vorkommen.
Der München-Tatort „One Way Ticket“ ist eine ziemlich komplexe Geschichte
Man hat es in Hinblick auf eine Seniorengruppe nicht nur mit braven, man hat es doch offensichtlich mit guten Menschen zu tun. Sie werden die „alten Hasen“ genannt, weil sie so lange schon in der Welt unterwegs sind, mit Rat und Tat für eine Nichtregierungsorganisation namens „Help Know-how“. In keinem Flüchtlingslager der Welt verlieren sie die Nerven; schon gar nicht normalerweise Uschi Drechsl, Ulrike Willenbacher, die in Kenia sein soll, aber von einer Kollegin in einer Münchner B-Ebene getroffen wird – und auf diese wirkt wie jemand, der rauchend auf dem Schulklo erwischt wurde.
Indessen ein anderer aus der Rentnergruppe in Nairobi im Flughafen gefilzt wird, Geldbündel im Koffer hat und im Knast landet unter Kakerlaken und drohend blickenden jungen Männern. Und da weiß der von Siemen Rühaak gespielte Alt-68er Martin noch gar nicht, dass er zum Problem erklärt wurde, um das man „sich kümmern“ müsse.
Da hofft er noch auf ein gutes Ende in Zweisamkeit mit Numa Imani, Cynthia Micas, eine milchkaffeebraune Schöne, die Henning ein bisschen penetrant als Traumbild am Strand inszeniert. Die Zuschauerin kann da schon ahnen, dass Imani mit dem alten, noch nicht einmal wohlhabenden Mann aus ganz anderen Gründen angebandelt hat.
Ein lapidarer München-Tatort zum Jahresende
„Tatort: One Way Ticket“, ARD, 26.12., 20.15 Uhr.
Doch die Zuschauerin weiß auch schon deutlich mehr als die Kommissare Leitmayr, Udo Wachtveitl, und Batic, Miroslav Nemec*, hat sie doch zu Anfang gesehen, wie die junge Frau von einem Auto wegläuft, in dem ein Mann – ihr Freund? – just ums Leben gekommen ist. Dieser hat, das ist mal eine neue Variante für die Ermittler, noch selbst den Notruf gewählt und seine eigene Ermordung angekündigt.
Wer gegen wen und warum – „One Way Ticket“ ist eine ziemlich komplexe, bisweilen leicht überanstrengte, ihre Karten erst nach und nach aufdeckende Geschichte. Korruption in Kenia und Stasi spielen eine Rolle, eine alte „Dunkeldeutschland“-Konkurrenz der Geheimdienste von Ost und West, aber eben auch ganz normale Lebensläufe von Menschen, die in den Schlamassel gestolpert sind.
Regisseur Henning lässt ihnen Zeit, dies zu erzählen. „Mit Moral hat das alles einen Scheißdreck zu tun“, sagt die Rentnerin, die von 600 Euro leben muss. „Wir sind keine Geschichte, wir werden vergessen“, sagt ein alter Mann, der trotzdem alles tut, um von seinen Gegnern nicht so einfach vergessen werden zu können. Zum Jahresende ist das ein lapidarer Tatort.
Von Sylvia Staude
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