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Annett Louisan zeigt ihre dunkle Seite

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Mit „Das Spiel“ wurde die Kindfrau Annett Louisan einst berühmt. Jetzt hat die Sängerin ein Album mit Stücken von Udo Jürgens bis „Rammstein“ eingespielt. Sie sind auf der nächsten Tournee auch in der Frankfurter Jahrhunderthalle zu hören.

Annett Louisan ist bei der aktuellen Ausgabe der TV-Show „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ dabei – und hat so sehr Gefallen an Songs aus fremder Feder gefunden, dass sie sogleich das Coveralbum „Berlin – Kapstadt – Prag“ aufgenommen hat. Darin verneigt sie sich vor ihren Lieblingsplatten und interpretiert Lieder unter anderem von „Rammstein“, „Kraftwerk“, Udo Jürgens und Marteria. Olaf Neumann sprach mit der Sängerin, die am 5. März 2017 in der Frankfurter Jahrhunderthalle auftritt.

Frau Louisan, warum macht man Coverversionen?

ANNETT LOUISAN: Das ist gar nichts Ungewöhnliches. Früher war es gang und gäbe, Standards zu singen. Und als Jazzsängerin ist das sowieso normal. Wenn ich mir mein Repertoire mal so anschaue, dann gibt es da sechs Studioalben und relativ wenige Nebenprojekte. Das ist alles sehr homogen. Natürlich habe ich in Südafrika bei den Dreharbeiten zu „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ Blut geleckt. Für mich ist „Berlin – Kapstadt – Prag“ eine Zwischenstation auf dem Weg zum nächsten Studioalbum. Es gab in Südafrika ein paar Aha-Erlebnisse, die mir für diese Platte wirklich etwas gebracht haben.

Welche waren das?

LOUISAN: Für mich war es als Sängerin immer wichtig, eigen und signifikant zu klingen. Irgendwann habe ich mich gefragt, ob es überhaupt noch nötig ist, ein siebtes Annett-Louisan-Album in dieser Form zu veröffentlichen. Irgendetwas musste passieren. Wenn man sich mit fremdem Repertoire befasst, macht das etwas mit einem – schon allein der Tonfall und die Art des Songwritings. Ich gehe seit vielen Jahren auf bestimmte Art und Weise an Lieder heran. Wenn man sich verändern will, dann bringt es manchmal schon etwas, mal nach links statt nach rechts zu gehen. Erfrischend war auch, mal in einer anderen Stadt als Hamburg Musik aufzunehmen. In Prag hatte ich inspirierende Erlebnisse.

Um was geht es Ihnen, wenn Sie die Songs anderer Leute singen?

LOUISAN: Ich möchte Geschichten erzählen und mir diese Sachen auf meine Weise zu eigen machen. Die Coverplatte hat Spuren hinterlassen bei meiner Art zu schreiben und zu singen. Für mich war es wichtig, mal wieder ohne Druck über Grenzen zu gehen und mich in einem neuen Licht zu sehen. Wir haben in zehn Tagen zehn Songs gemacht. Ich kenne es auch, dass man jahrelang an Liedern herumschraubt und jeden Stein umdreht. Manchmal läuft man Gefahr, sich selbst zu überholen, so dass die Lieder dann für einen gar nicht mehr aktuell sind. Das ist die Jagd nach der Perfektion. Mit der Coverplatte wollte ich aber die erste Euphorie und den magischen Moment einfangen. Den Druck, der einen sonst immer umtreibt, habe ich ausgemerzt und einfach nur pure Musik gemacht, ohne viel zu überlegen. Das Album klingt für mich wie eine Sammlung meiner Lieblingsplatten.

„Tokio Hotel“ hätte man allerdings nicht unter Ihren Lieblingsplatten vermutet. Was verbinden Sie mit dem Teenie-Hit „Durch den Monsun“?

LOUISAN: Ein paar Lieder auf dieser Platte haben etwas mit meiner Vergangenheit zu tun. „Durch den Monsun“ etwa ist ein wunderbares Lied mit einer tollen Melodie. Die Band war damals noch sehr jung, dementsprechend ist auch der Text. „Tokio Hotel“ und ich haben zur selben Zeit angefangen und stammen aus derselben Gegend.

Welche Songs haben Sie damals immer in Ihrem Kinderzimmer gesungen?

LOUISAN: „Merci Chérie“ von Udo Jürgens gehört zu meiner Kindheit. Er war ein Schlagersänger, der seltsamerweise nicht feige war und die heile Welt durchbrach. 2014, kurz vor seinem Tod, habe ich noch mit ihm arbeiten dürfen. Diese Begegnung hat mich nachhaltig beeinflusst.

Bei welchem Song fühlten Sie sich als Sängerin am meisten herausgefordert?

LOUISAN: „Merci Chérie“ hat nicht viel Text, deshalb muss man da viel zwischen die Zeilen legen. Ich wollte es so interpretieren wie eine Schlagersängerin aus den 70ern. Auch „Stark“ von Annette Humpe ist eine tolle Nummer. Ich habe Annette angerufen, um sie zu fragen, ob ich den Text ein bisschen ändern kann, weil ich ihn als Frau singen wollte. Das war eine große Hilfe. Dieses Lied ist eigentlich am weitesten von mir weg, aber es ging mir leicht von der Hand.

Und was können Sie mit einer Coverversion von „Rammsteins“ „Engel“ von sich selbst erzählen?

LOUISAN: Ich finde es wahnsinnig klug, was „Rammstein“ machen. Sie spielen auf großartige Weise mit archaischen Klischees und werden dabei international verstanden. Im Grunde bin ich gar nicht so weit weg davon, wie es vielleicht oberflächlich scheint. Denn ich spiele auch gern mit Klischees, aber mit ganz anderen. Das Lied zeigt die dunkle, tief melancholische Seite in mir, die ich musikalisch in der Vergangenheit viel zu wenig beleuchtet habe.

Warum müssen Ihre Fans noch bis 2017 auf Ihre nächste Tournee warten?

LOUISAN: Weil ich Ende August 2015 eine Tourpause eingelegt habe. Ich bin 13 Jahre lang extrem viel unterwegs gewesen. Ich musste einfach mal den Stecker ziehen, um wieder Sehnsucht zu empfinden. Ich brauche dieses Jahr noch, um mich auf mein neues Album zu konzentrieren, damit ich nächstes Jahr voller Hunger wieder auf die Bühne steige.

CD: Annett Louisan, „Berlin – Kapstadt – Prag“. Konzert: Jahrhunderthalle Frankfurt, Pfaffenwiese, 5. März 2017, 19 Uhr. Karten von 35,30 bis 56,50 Euro unter Hotline 0 18 06-57 00 99. Internet

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