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Drei kurze Stücke von Ernst Krenek hatten an der Frankfurter Oper Premiere

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„Diktator“, „Schwergewicht“, „Das Geheime Königreich“: Die Frankfurter Erstaufführung von drei Kurzopern Kreneks ist gelungen. Auch wenn die Regie einige Tricks braucht, um aus drei Opern einen Abend zu machen.

„Was nützt mir jetzt meine ganze Kraft?“, brüllt Ochsenschwanz. Adam Ochsenschwanz ist ein Boxer, der von Gaston, dem Tanzlehrer seiner Frau Evelyne, in einen neuen Trainingsapparat gespannt wird. Das Gestell steht leicht unter Strom. Es bewegt sich unerbittlich, der Sportler kommt nicht mehr los von ihm. „Jetzt ist Freiheit von diesem Mann“, freuen sich Gaston und Evelyne und verschwinden miteinander.

Aus dieser absurden Szene besteht das fünfzehnminütige Intermezzo „Schwergewicht oder: Die Ehre der Nation“ in dem Operndreiteiler von Ernst Krenek, der 1928 in Wiesbaden uraufgeführt wurde. Es war die Zeit solcher genrehaften Kurzstücke – Puccini und Hindemith haben Ähnliches zu Papier gebracht. Sie – zumal bei einer Gesamtkürze von nur rund 90 Minuten – zusammenzubinden ist eine anspruchsvolle Aufgabe, zumal Krenek, der auch die Libretti verfasst hat, den „Diktator“ als Tragische Oper, das „Schwergewicht“ als „Burleske Operette“ und „Das Geheime Königreich“ als Märchenoper bezeichnet und anlegt.

Wie im Zauberwald

Regisseur David Hermann identifiziert, das liegt nahe, Diktator und König miteinander, sekundiert von einem Narren, der zwar nur im dritten Stück vorkommt, zuvor aber schon die Spielorte ansagen darf. Um auch den Boxer mit in die Machtfigur zu packen, bedarf es großzügiger Eingriffe in die Burleske. Im ersten Stück war der Diktator glücklich einem Attentat entgangen; Marie, die Frau eines kriegsversehrten Offiziers, hatte mehrfach auf ihn geschossen, bevor sie seinem machtverbundenen Charme verfiel und ihrerseits von Charlotte, des Diktators Gemahlin, hingerichtet wurde.

Nun sitzt der Diktator also im Theater und schaut dem „Schwergewicht“ zu. Er greift sogar ein und tritt an die Stelle des zum Olympiateilnehmer ausgerufenen Boxers (wunderbar: Simon Bailey). Darunter leidet die an Groteske kaum zu überbietende Episode mit der blaustrümpfig-kessen Medizinstudentin Anna Marie ( Nina Tarandek) und ihrem Vater, dem Philosophieprofessor Himmelhuber (Ludwig Mittelhammer). Eine ebenfalls frei erfundene Detonation bereitet schließlich den Ort der folgenden Märchenoper vor. Das Dach über einem nun kahlen Betongemach ist weggesprengt, König und Narr vegetieren in unterirdischen Kasematten und finden sich später in einem cinemascopeartigen Zauberwaldrevier (Bühnenbild: Jo Schramm). Der Narr (wendig und weltklug: Sebastian Geyer) hatte den König, während draußen die Revolution tobt, mit einer Rätselfrage zur Selbsterkenntnis verhelfen wollen. Dafür erhält er die Krone. Sie wird auch von der Königin begehrt, um sie dem Rebellen aufzusetzen, in den sie sich verliebt hat. Die Erotik der Macht ist das eigentliche Leitmotiv der drei Opern; entsprechend hyperaktiv und aufgedreht haben die Figuren auch zu agieren: die koloraturenfeste Königin (Anbur Braid), der in die Höhe gejagte Revolutionär (Peter Marsh), zuvor sehr dramatisch Sara Jakubiak und Juanita Lascarro (Charlotte und Maria) sowie der vom Giftgaseinsatz erzählende, blinde Offizier (Vincent Wolfsteiner).

Der Kronreif wandert, ähnlich dem Ring des Nibelungen, wundersam von Hand zu Hand; drei Damen (köstlich: Alison King, Julia Dawson und Judita Nagyová), wie in der „Zauberflöte“, übertölpeln den Narren mit Hilfe eines vergifteten Tranks und eines Kartenspiels, bis doch so etwas wie ein Happy End gelingt. In allen drei Geschichten fängt der Librettist Krenek virtuos und witzig Themen der keineswegs „goldenen“ zwanziger Jahre ein. Hier wie in einem Brennglas Revolution, Krieg und Diktatur, dort Satiren auf die Begeisterung für Sport und Technik sowie revuehafte Elemente. Krenek schreibt ähnliche Musik, die Tradition im Blick und sie mit allen Moden und Stilen der Zeit, die zwischen „E“- und „U“-Musik zu unterscheiden begann, kontrapunktisch verknüpfend.

Faust auf Faust

Das Opern- und Museumsorchester (mit viel Schlagzeug und sogar einem Banjo) lässt sich konzentriert darauf ein, Lothar Zagrosek verpflichtet es auf rhythmische Präzision, lyrische Passagen und klangliche Wärme kennzeichnen eher die Vor- und Zwischenspiele.

Zwischen Surrealismus und Biederkeit changieren Katharina Taschs Kostüme. Besonders die der männlichen Macht verfallenen Frauen, ältere Semester auf der Suche nach verlorener Jugend, machen sich in quietschbunten Klamotten und schlagerstarhaften Perücken jünger als sie sind; Evelyne (wunderbar: Barbara Zechmeister) und Gaston (Michael Porter) im „Schwergewicht“ bilden ein ganz besonderes Gespann. Diktator und König in Personalunion finden in Davide Damiani einen flexiblen, hier selbstbewusst und dort als gebrochener Mann agierenden Bariton. Insgesamt einundzwanzig Rollen sind für die zwei Stunden zu besetzen – eine Herausforderung für das prächtige Frankfurter Ensemble, nebst einer nur aus dem Off singenden Gruppe aus dem Chor. Ein hüstelnder Journalist (Michael McCown) fragt Ochsenschwanz, das Schwergewicht, wie er denn Goethes „Faust“ fände. „Meine ist besser“ antwortet der Boxer. Soviel Witz darf sein. Einhelliger, starker Beifall.

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