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Die dunklen Spiele der Macht

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Am Sonntag haben an der Oper drei Einakter Ernst Kreneks Premiere: „Der Diktator“, „Schwergewicht oder Die Ehre der Nation“ und „Das geheime Königreich“. David Hermann führt in Frankfurt Regie, Lothar Zagrosek dirigiert. Im Zentrum aber steht der Sänger Davide Damiani. Schon sein Name ist Musik.

Nicht nur die Musik, auch die Libretti für alle drei am 6. Mai 1928 in Wiesbaden uraufgeführten Opern hat der 1900 in Wien geborene, 1991 in Palm Springs (Kalifornien) gestorbene Ernst Krenek geschrieben, ein Jahr nach seinem Welterfolg „Jonny spielt auf“ (1927). Und abermals wurde er bejubelt. Nicht mehr lange. 1938, nachdem die Nazis seine Werke als entartete Kunst diffamiert hatten, emigrierte Krenek in die USA.

Mit den drei Einaktern hat Krenek ein Drama („Diktator“), eine Burleske („Schwergewicht“) und eine Märchenoper („Königreich“) geschaffen. Das nun in Frankfurt als mittleres Werk gezeigte „Schwergewicht“ entstand zuletzt. Erst im Nachhinein sah der Komponist selbst den inneren Zusammenhang der drei Stücke: die unterschiedlichen Facetten von Macht und Abhängigkeit.

Theater im Theater

Diesen Zusammenhang will Regisseur David Hermann aufgreifen, indem er verbindende Elemente für die drei Opern angelegt hat, um sie miteinander zu verbinden. Den machthungrigen Diktator und den machtmüden König verkörpert der italienische Bariton Davide Damiani. Im „Schwergewicht“ hätte er eigentlich Pause. Die Frankfurter Inszenierung bringt die Oper jedoch als Theater im Theater auf die Bühne, der Diktator sitzt im Publikum. Und am Ende landet nicht der Boxer im käfigartigen Trainingsgerät, sondern der Despot. „Eine ganz neue Erfahrung für mich“, sagt Damiani: „Ich fühle mich wie ein Astronaut in der Schwerelosigkeit. Ich schwebe richtig in diesem Gerät, das sich ständig dreht, und singe sogar kopfüber.“

Neue Erfahrungen zu sammeln, dafür war Davide Damiani schon immer offen. Nicht nur sein Name klingt wie Musik: Davide Damiani. Da ist mehr. „Musik ist mein Leben. Ich kann nicht anders leben, als Musik zu machen“, bekennt der Italiener.

Als er fünf Jahre alt war, erkannte sein Onkel bereits Damianis Leidenschaft für die Musik und schenkte ihm ein Akkordeon: „Ich habe später damit als Profi Bach und klassische Musik gespielt, aber es war als Instrument begrenzt.“ Damiani studierte am Konservatorium seiner Heimatstadt Pesaro Kontrabass, Kompositionslehre und Dirigat, denn Dirigieren war das, was er eigentlich immer gewollt hat. „Aber mir wurde schon am Konservatorium wegen des Klanges meiner Sprechstimme auch zum Gesang geraten“, so der Bariton. „Eines Tages, als ich wusste, dass Luciano Pavarotti für ein paar Tage zu Hause in Pesaro war, habe ich bei ihm angerufen. Er war gleich selbst dran, und ich fragte ihn, ob ich wirklich eine Stimme zum Singen hätte. Er sagte, ich solle zu ihm kommen. Arien konnte ich keine vorsingen, nur Vokalisen. Aber Pavarotti fand, dass ich eine ,Stimme‘ hätte und gleich mit dem Lernen von Arien beginnen sollte. Er hat mir sogar einen Lehrer vermittelt.“

Das war 1987. Doch statt Sänger zu werden, ging Damiani für zwei Jahre nach Parma, um sein Kompositionsstudium abzuschließen, bevor er sich endgültig entschloss, nach Wien zu ziehen und Dirigent zu werden. Das Rossini-Festival hatte Pesaro hat seine Begeisterung für das Genre Oper geweckt. Und so studierte er bei der gefeierten österreichischen Sopranistin Hilde Zadek in Wien doch noch Gesang. Und der Erfolg kam rasch. Schon 1993 wurde er in der Titelpartie von Mozarts „Don Giovanni“ an die Buchmann-Mehta School of Music in Tel Aviv verpflichtet. Eine Rolle, die er später auch am St. Gallener Opernhaus sang. 1995 kam für Damiani das Debüt an der Wiener Staatsoper mit Sharpless in Puccinis „Madama Butterfly“, als Ensemblemitglied sang er in Wien 23 Partien in mehr als 100 Vorstellungen, vornehmlich Hauptrollen. Zu den Highlights seiner bisherigen Karriere zählt der Auftritt als Schaunard in Turin an der Seite von Luciano Pavarotti, Mirella Freni und Nicolai Ghiaurov in „La Bohème“: „Das Schicksal hat entschieden, dass ich Sänger geworden bin“, ist Davide Damiani überzeugt. „Und solange ich gut bei Stimme bin, werde ich singen.“

Als Sänger aufzutreten, hat ihn große Überwindung gekostet: „Ursprünglich war mir das Publikum lieber hinter als vor mir. Anfangs fühlte ich mich vor tausend Leuten unwohl. Ich hatte große Angst, die Stimme käme nicht heraus, aber es ist immer gutgegangen, ich hatte Erfolg. Inzwischen genieße ich es, auf der Bühne zu stehen und meine tiefsten inneren Gefühle dem Publikum zu schenken“, schwärmt Damiani in seiner überschwänglichen italienischen Art. „Es ist schön, den Zuschauern eine Rolle so zu zeigen, dass sie sie mitleben können. Ich spüre so viel Energie vom Publikum. Auf der Bühne zu stehen, ist für mich auch nach 23 Jahren eine Riesenfreude.“

Katz’ und Maus

Und diese Freude spürt man. Schon mit seinem Frankfurter Debüt begeisterte der Bariton 2012 als Minnochet in „Adriana Lecouvreur“ das Publikum. Ein weiteres Rollendebüt folgte 2015 mit der Partie des Fred Bucksmann in der Uraufführung von „An unserem Fluss“ des israelischen Komponisten Lior Navoks im Bockenheimer Depot. Auch die Partien des Diktators und des Königs in den Krenek-Stücken singt Damiani in der Frankfurter Erstaufführung zum ersten Mal.

Vor allem das Ende von „Das geheime Königreich“, das mit seinen lyrischen Klängen auch stimmlich wie für ihn komponiert ist, berührt den Sänger im Innersten: „Ich bin als König des Lebens überdrüssig und entdecke im Wald die Schönheit der Natur. Die Bäume, die Gräser, die Tiere werden mein Königreich. Des Rätsels Lösung ist nicht mein Königsring, sondern das Auge eines Tieres“, erzählt Damiani.

„Krenek wollte mit diesem Ende zeigen, wie wichtig die Natur ist. Dass man nicht gegen die Natur handeln darf, sondern in ihr die Antwort auf die Fragen findet. Dieser Schluss berührt mich sehr. Das ist so aktuell wie der ,Diktator‘, ein Menschenverächter wie Scarpia in Puccinis ,Tosca‘. Dieser Diktator spielt mit den Menschen Katz’ und Maus. Alle sind wie Spielzeuge für ihn. Er macht mit ihnen, was er will“, sagt Damiani. Und es gibt einige Staatsführer, an die man dabei heute denken kann. Ob im fernen Nordkorea oder in der Türkei unter Erdogan.

Premiere 30. April, 18 Uhr. Oper Frankfurt. Telefon: (069) 21 24 94 94

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