Durch jede Tür bricht das Chaos ein
Ein schöner Spaß: Claus Helmer inszeniert am Frankfurter Fritz-Rémond-Theater die Boulevard-Komödie „Die spanische Fliege“.
Alles fängt recht harmlos an: Die Senffabrikantentochter Paula hat sich in den charmanten Rechtsanwalt Fritz Gerlach verguckt. Ihrer sittenstrengen Mutter gefällt die sich anbahnende Beziehung gar nicht. Schließlich soll Gerlach ein Schwerenöter gewesen sein. Völlig unbrauchbar als Schwiegersohn für eine Frau, die Präsidentin eines Vereins ist, der über die Sitten wacht.
Doch mit Heinrich ist ein den Ansprüchen dieser strengen Sittenwächterin genügender Schwiegersohn-Kandidat schnell zur Stelle. Der Versuch, die eine Beziehung zu verhindern, um eine andere einzufädeln, Menschen zusammenzubringen, die gar nicht wollen, und zudem noch die Falschen für die Richtigen halten, könnte schon Verwirrung genug stiften. Doch in ihre dramaturgisch raffinierte „Spanische Fliege“ haben die Autoren Franz Arnold und Ernst Bach noch einen weiteren Handlungsstrang eingezogen: Ausgerechnet im sittenstrengen Kaiserreich gab es honorige Männer, die ein Vierteljahrhundert zuvor eine Affäre mit einer Tänzerin hatten, aus der ein Sohn hervorgegangen sein soll. Einer von ihnen ist Paulas Vater und Gatte der Vereinspräsidentin.
Regisseur Claus Helmer belässt die Handlung im kaiserlichen Deutschland. Klaus-Ulrich Jacob hat im Rémond-Theater ein biedermeierliches Jahrhundertwendezimmer gebaut. Natürlich gibt es einige Türen, durch die nach Komödienart die falschen Leute zum falschen Zeitpunkt hinein- oder herausgehen, hinter denen Menschen versteckt oder durch die belastende Dokumente hinausbefördert werden müssen. Die bürgerlichen Fassaden bröseln zunehmend. Ein herrlicher und kurzweiliger Spaß! Mutter Klinke trägt ein hochgeschlossenes, langes Kleid (Kostüme: Ulla Röhrs), das wunderbar zu der sich moralisch überlegen fühlenden Trägerin passt. Und Anette Krämer verkörpert ihre Rolle so gut, dass man weiß Gott nicht mit ihr zusammenleben möchte, denn man ahnt: Diese selbstgerechte Frau zerrt jedes noch so kleine Vergehen mit spitzen Fingern und gestrenger Stimme ans Licht – unmöglich, vor ihr zu bestehen.
Walter Renneisen als ihr Gatte und Senffabrikant Klinke hat da wegen seiner früheren Affäre natürlich schon bald seine liebe Not: Immer wieder geht er schnellen Schrittes über die Bühne, als könne er so den Gesetzen der Zeit ein Schnippchen schlagen und seiner (vermeintlichen) Vergangenheit doch noch davonlaufen – schön, wie er versucht, der wachsenden Überforderung Herr zu werden. Wunderbar auch der sächselnde Heinrich (Sascha Jähnert), der hier als fleischgewordene Naivität auftritt. Auch die übrigen Rollen sind gut besetzt. Am Ende gibt es reichlich Applaus für alle!