Ein Gigant des Rock

Als Chef der „Dire Straits“ gelangte Mark Kopfler vor Jahrzehnten zu Weltruhm. Als Solist liebt der britische Musikus es bis heute stiller und intimer.
Von Maximilian Steiner
Vom Starrummel auf roten Teppichen im Blitzlichtgewitter von Fotografen hielt sich Mark Knopfler schon immer gerne fern. Er thematisierte schon 1985, damals noch als Chefmusiker seiner zehn Jahre später zum zweiten Male aufgelösten Erfolgsformation „Dire Straits“, die Schattenseiten des Ruhms im US-Nummer-eins-Hit „Money For Nothing“. Zugunsten eines wesentlich stilleren und intimeren Daseins als „Musician’s Musician“ ließ der britische Ausnahmegitarrist, Vokalist und Komponist die Stadion-Karriere mit den „Dire Straits“ einfach sausen.
Mit Stratocaster
Doch wie etwa auch die Kollegen der „Rolling Stones“, wie Eric Clapton oder Bob Dylan, der jetzt nur einen Tag später auf der Nordmole im Mainzer Zollhafen gastierte und mit dem Knopfler seit Jahrzehnten eine gleichermaßen berufliche wie private Freundschaft pflegt, lässt ihn die ruhmreiche Vergangenheit offenbar nicht los. Sind es doch ausgerechnet jene vier Titel von den „Dire Straits“ im mit vierzehn Songs recht knapp bemessenen Live-Repertoire, die das ein wenig behäbig auf seinen engen Plastiksitzreihen platzierte Publikum von jung bis alt aus der Reserve locken: Für das elegisch ausladende „Romeo And Juliet“, immerhin schon der siebte Song dieses Abends, für den Knopfler erst seine metallene Resonatorgitarre National Reso-Phonic Style „O“ umschnallt, dann die rote Stratocaster, spendet die Fangemeinde beim Auftakt der alljährlichen Reihe „Summer In The City“ erstmals ausführlichen Applaus, gepaart mit einem Hauch Euphorie. Die Zuhörer sitzen in wetterfester Kleidung (der Himmel kann mit dem Regen nicht warten), die Kapuzen oder Schirmmützen auf den Köpfen. Sie heben Weingläser, machen „Victory“-Zeichen und Fotos: Manche Rituale ziehen sich durch sämtliche Rockkonzerte, unabhängig davon, wer auf der Bühne steht und wer gerade im Saal oder auf dem Freigelände sitzt. Und bei Knopfler oder eben Dylan könnte jedes Mal das letzte Mal sein, für den Musiker wie für dessen Bewunderer. Diese beiden Giganten des Rock in Mainz? Ohnehin bis vor einigen Jahren unvorstellbar.
Zwischenbeifall erhalten der 65-jährige Mark Knopfler und seine sieben überaus kompetenten Begleiter auch beim direkt an „Juliet“ angehängten Überhit „Sultans Of Swing“, nach dem viertelstündigem Epos „Telegraph Road“ und dem schon im Zugabenteil untergebrachten subtilen Rocker „So Far Away“. Dagegen erhalten der sachte, groovige Auftakt „Broken Bones“ und das fast schon poppig muntere „Skydiver“, beide vom aktuellen Solowerk „Tracker“, oder auch die gefühlige Andenfolklore „Postcards From Paraguay“ vom Publikum lediglich Höflichkeitszuspruch.
Geist der Pioniere
Ob Knopfler, der als zartbesaitet gilt, hinsichtlich seines Solowerks die reichlich ungerechte Publikumsresonanz anficht, lässt sich schwer sagen – etwas anzumerken ist ihm jedenfalls nicht, wenn er nach jedem Song artig „Thank You“ sagt und bis auf wenige Ausnahmen die direkte Ansprache seiner Zuhörer meidet. Er macht seine Arbeit. Und er macht sie uneitel. Das muss genügen.
Künstlerisch Exzellentes zu offerieren, hat der studierte Journalist und ehemalige Dozent am Loughton College in Leeds nämlich allemal: Im knackig verrockten „Corned Beef City“ demonstriert er seine Slide-Gitarren-Fähigkeiten. Im akustischen Fluss von „Privateering“ sowie in „Father And Son“, das in den „Hill Farmer’s Blues“ überleitet, fusionieren keltische und nordamerikanische Folklore. Zumindest musikalisch beschwören sowohl das abermals akustische „Marbletown“ als auch das elektrifizierte „Speedway At Nazareth“ den Geist der Besiedelung der USA durch Pioniere mit Durchhaltewillen und „Go-West“-Attitüde. Es ist eine ideale Spielwiese, auf der sich Knopflers virtuose Mitmusiker austoben dürfen.
Einmal mehr einen Anflug von Irish und Scottish Folk vermittelt zum Finale „Piper To The End“.