1. Startseite
  2. Kultur

Mit Herz und Charme

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Marc Rybicki

Kommentare

In seinen Shows sang er gern, aber der ausgebildete Schauspieler konnte mehr: Peter Alexander
In seinen Shows sang er gern, aber der ausgebildete Schauspieler konnte mehr: Peter Alexander © Martin Athenstädt (dpa)

Der Österreicher gehörte zu den letzten großen Entertainern des Fernsehens. Peter Alexander beherrschte sein Handwerk. Das ist heute aber kaum noch gefragt.

„Eines Tages sind wir wieder vereint“, sangen Peter Frankenfeld, Hans-Joachim Kulenkampff, Rudi Carell und Peter Alexander im Jahr 1969. Vielleicht regnet es in letzter Zeit deshalb so häufig, weil die vier Show-Legenden gemeinsam auf einer Wolke im Himmel sitzen und das TV-Programm beweinen.

„Jede Woche fallen neue Tabus, das Fernsehen wird immer ordinärer, blöder und fader“, grantelte Peter Alexander einige Monate vor seinem Tod im Jahr 2011. In seinen Glanzzeiten verkaufte er mehr Konzertkarten als die „Rolling Stones“, landete Hitparaden-Erfolge, füllte die Kassen an den Kinos und erzielte Fernseh-Einschaltquoten von 70 Prozent. Am Donnerstag, 30. Juni, wäre das charmante Multitalent 90 Jahre alt geworden. Man nannte ihn „Peter den Großen“.

Am besten Spektakel

Noch immer gibt es Leute, die ihm nachzueifern suchen – manch einer sogar auf eine an Imitation grenzende Weise, wie der hölzerne Volksmusik-Präsentator Florian Silbereisen. Männer von Alexanders Schlag, die geschmackvolle, generationenübergreifende Unterhaltung boten, wo sind sie geblieben?

Die Lagerfeuerromantik des Fernsehens von einst ist einem Flächenbrand des Spektakels gewichen: In all den Dschungel-Camps, Casting-Shows und Quiz-Marathons geht es meist um die Bloßstellung der Teilnehmer – zur Erheiterung eines gehässigen Publikums. „Es ist unendlich schade, dass einem Peter Alexander mittlerweile so wenig Ehrerbietung entgegen gebracht wird, der wirklich singen, moderieren und spielen konnte“, sagt ausgerechnet Dieter Bohlen, dessen Name zum Synonym geworden ist für salonfähig gewordene Kandidatenbeschimpfung.

Bohlen, der Alexanders letzte CD produziert hat, bezeichnet sich als „größten Fan“ des stets höflichen Grandseigneurs. „Ich kenne keinen, der so top vorbereitet zu mir ins Studio gekommen ist wie er.“ Kein Wunder, denn Peter Alexander Ferdinand Maximilian Neumayer, Sohn eines Wiener Bankrats, hatte sein Handwerk gelernt. Er war kein zum Superstar beförderter Hobby-Sänger. „Peter hat sich von unten nach oben gearbeitet und dadurch Disziplin gelernt“, hat sein verstorbener Produzent Wolfgang Rademann einmal gesagt. Alexander hat eine Schauspielausbildung am renommierten Max-Reinhardt-Seminar absolviert, die er 1948 mit Auszeichnung abschloss. Er spielte die großen klassischen Rollen wie Shakespeares „Hamlet“, fühlte sich aber mehr zum komödiantischen Fach hingezogen. Seine Fähigkeit, Menschen die Sorgen des Alltags vergessen zu machen, stellte er in rund vierzig Filmen unter Beweis, ob als Kellner Leopold „Im weißen Rössl“, als „Graf Bobby“ neben Gunther Philipp, als „Charleys Tante“ oder „Musterknabe“ mit Conny Froboess. „Es waren keine Kunstwerke“, ahnte Alexander, „aber sie hatten etwas, was den heutigen Produktionen fehlt: ein Herz.“

Oberhalb der Gürtellinie

Während in den Komödien-Hits von Schweiger bis Schweighöfer stets die sozialkritisch angehauchte Härte des Alltags-Lebens Platz findet, setzten Alexanders Lustspiele gänzlich auf die heile Welt. Das machte ihn zum Feind der 68er, die ihm rückwärtsgewandte Verklärung vorwarfen. Dabei hatte der überzeugte Pazifist sehr wohl eine politische Meinung. Bloß ging er damit nicht hausieren. „Irgendwann wird diese Erde unbewohnbar werden durch den Menschen, seine Profitgier, Gemeinheit und Blödheit. Wir erleiden das Schicksal der Dinosaurier, das ist meine feste Überzeugung“, gründelte er.

Dergleichen äußerte der Entertainer indes selten: „Meine Aufgabe ist es, den Leuten Freude zu bereiten. Andernfalls wäre ich Polit-Kommentator geworden.“ Über narzisstische Kollegen, die sich auf Facebook und Twitter in allen Facetten selbst entblößen, hätte Alexander nur milde gelächelt.

Die Botschaften, die er zu senden hatte, verbargen sich in seinen Liedtexten: „Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere“ oder „Hier ist ein Mensch, schick ihn nicht fort“, ein Hit von 1971, der in Zeiten der Flüchtlingskrise wieder an Aktualität gewinnt. Egoismus war ihm widerlich.

Als Moderator drängelte er sich nie in den Vordergrund wie die Fischers oder Silbereisens, die in ihren Sendungen neuerdings mindestens eine gewagte Stunt-Einlage abliefern. „Sie waren bezaubernd. Dankeschön“, hauchte hingegen Alexander am Ende eines Abends: Er richtete die Worte nicht an sein Spiegelbild, sondern an die Kamera, also ans Publikum. „Rampensau“? Das hatte in seinem Wortschatz keinen Platz. Weil es ihn nicht mit aller Gewalt zum Star-Ruhm drängte, hätte man ihn nie aus einem Urwald herausholen müssen. Er gewann Sympathien mit seiner Bescheidenheit. Auch bei seinen beliebten Parodien blieb Alexander zurückhaltend: Der ewige Lausbub persiflierte, doch er stellte nie bloß. Sein Witz endete oberhalb der Gürtellinie. Ihm war ein Wiener Schmäh zu eigen, der ohne Schmähgedichte auskam.

Spiele im Internet

„Ich hatte bei ihm immer das Gefühl, dass sich da jemand Gedanken gemacht hat, um mir einen tollen Abend zu bereiten“, sagt Hape Kerkeling, selbst ein Vielseitiger, für den zielgruppenorientierte Programmgestalter kein passendes Format mehr haben. Das quotenorientierte Schubladendenken haben die Öffentlich-Rechtlichen in den vergangenen zwanzig Jahren vorbildlich von den Privatsendern gelernt. Für die Kleinen gibt es den Kinderkanal, für die Senioren die Nostalgiewellen „EinsFestival“ und „ZDF Neo“ – die Übrigen werden mit Krimis und Ratespielen beglückt.

„Heute kann es keinen Alexander-Nachfolger geben, weil so etwas hierzulande nicht mehr funktioniert“, sagt Texter Michael Kunze, der „Die kleine Kneipe“ und andere Evergreens schrieb. Wer mehr könne als singen, müsse sich im englischsprachigen Raum umsehen.

Das Fernsehen der Zukunft wird von Männern wie Etienne Gardé verkörpert. Der 37 Jahre alte gebürtige Frankfurter gründete den Sender „Rocket Beans TV“ und strahlt im Internet erfolgreich Talkshows und Spiele-Sendungen aus. „Die Zeiten für einen Showmaster, der singend die Showtreppe runterkommt und eine heile Welt vorgaukelt, sind vorbei“, sagt Gardé. „Das klassische Fernsehen ist für unsere netzaffine Zielgruppe nicht mehr das Nonplusultra der Freizeitgestaltung, und das gilt für eine nachkommende Generation erst recht.“

Peter Alexander erkannte die Zeichen rechtzeitig und zog sich schon Mitte der 90er vom Bildschirm zurück. Anders als Thomas Gottschalk, der immer noch wie ein bedauernswertes Zirkuspferd durch die Arena läuft, zur Melodie einer längst verklungenen Auftrittsmusik. Das ZDF, der Sender, der Alexander traumhafte Einschaltzahlen zu verdanken hat, strahlt ihm zu Ehren eine Dokumentation aus – verspätet, am 3. Juli, um 10.15 Uhr. Und morgen Abend? Da kommt ein Krimi – von 2010.

Auch interessant

Kommentare