Sie kann es einfach

Erneut beweist Ute Lemper in ihrem einzigen Deutschlandkonzert in Frankfurts Alter Oper, dass sie zu den Weltstars des Chanson gehört.
Von BETTINA BOYENS
Das kleine, gemeine Wörtchen „noch“ ist bei dem Ex-Musicalstar Ute Lemper fehl am Platz. Sie ist nicht immer „noch“ gut mit ihren 52 Jahren, sie ist und bleibt absolute Weltspitze in der Professionalität, Hingabe und Gegenwärtigkeit ihrer Kunst. Ihr neues Programm „Paris Days – Berlin Nights“ feiern die Fans mit Standing Ovations.
Unverwechselbar, wie sie Chansons, die man in- und auswendig zu kennen glaubt, bis zur Unkenntlichkeit in die Länge zieht, mit verschiedenen Jazz-Stilen mixt und meisterlich persifliert. Da wird die „fesche Lola“ zum improvisierten Scat-Gebrabbel und ihre Stimme zur Chet-Baker-Trompete, während Pablo Nerudas Liebeslieder klingen, als habe Erik Satie sie vertont und Kurt Weills „Surabaya Johnny“, als sei es ein Tango Nuevo Piazzollas. Dabei grimassiert, lacht, schreit und lärmt die Lemper, als hätten 30 verschiedene Persönlichkeiten in ihr Platz. Beten wir, dass diese Frau sich niemals Botox spritzen wird; es gäbe ja nichts mehr zu sehen in diesem lebhaften Gesicht mit den weit hochgezogenen Marlene-Dietrich-Augenbrauen.
Zwischendurch erzählt sie kleine Geschichten über die großen Reisen ihres Lebens zu sich selbst. Wie sie begann hier vor „27 Jahren in Frankfurt im Peter-Pan-Musical. Was ist nicht alles passiert bei euch, bei mir in dieser Zeit“, sagt sie voller Wehmut.
Mit einer jiddischen Ballade von Chava Alberstein eröffnet sie, bestens unterstützt von ihren langjährigen Begleitern: dem tastenkundigen Vana Gierig am Flügel, Bassist Steve Millhouse, Cyril Garac an der Violine und Victor Villena, der sein Bandoneon grandios weinen, lachen und schluchzen lassen kann.
Bisweilen verliert sich die Lemper derart in ihrer manierierten Verspieltheit, dass man sich dabei ertappt, wie man die wenigen Songs, die sie unbearbeitet singt, genießt. Jacques Brels „Ne me quitte pas“ gehört dazu und Léo Ferrés wehmütiges „Avec le temps“, das sie mit der Innigkeit eines Gebets zelebriert. Ausblicke gewährt sie noch auf ihr Album „9 Secrets“ mit verjazzten Texten Paulo Coelhos, das in diesen Tagen erscheint. Dann setzt sie ihren schwarzen Hut auf und stimmt Brechts „Mackie Messer“ an, mit einer Rotzigkeit, in der aller Schrecken und Charme der 20er Jahre lebendig werden. Noch Piafs „Je ne regrette rien“ als Zugabe, dann packt sie wieder ihre Koffer für all die Weltstädte, in denen sie zu Hause ist: Buenos Aires, Berlin, London, New York.