So war das Konzert der Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ in der Frankfurter Batschkapp

Egal, wo die Band im Moment auftritt, überall sind ihre Konzerte ausverkauft. Allein in die „Batschkapp“ kamen an zwei Abenden 3000 Fans. Die Band erlebt es wie im Rausch, verliert dabei aber ihre politische Botschaft nicht aus dem Blick.
Das erste Lied nach dem Vorprogramm und der Pause sollte das musikalisch beste des Abends bleiben. Das kam von der US-Punkband „Dead Kennedys“ und aus dem Computer wie drei weitere Songs zur Einstimmung. Die erste Single des Quintetts aus San Francisco richtete sich 1979 gegen die Kandidatur des Gouverneurs Jerry Brown, der Präsident werden wollte. Sänger Jello Biafra sah aufgrund von dessen Machthunger Unheil auf seine Landsleute zukommen.
Das wollte er drastisch zum Ausdruck bringen. „California über alles“ zitiert im Titel nicht von ungefähr das „Deutschlandlied“, verpackt das Ganze aber in stark verfremdete Flamencoklänge und überraschende Themen- und Tempiwechsel. Ein Referenzstück nach wie vor. Auch die „Toten Hosen“ coverten es.
Revoluzzer unter sich
„Halbstark“, das gleich darauf erklang, wird Campino & Co. zugeschrieben, erschien aber unter deren Einmal-Pseudonym „Die Roten Rosen“. Die einzige Single der Bremer Beatband „The Yankees“ von 1965 hatten sich die Düsseldorfer für ihre Schlager-Hommage herausgepickt. Die hätte auch den „deutschen Elvissen“ Ted Herold und Peter Kraus gut zu Gesicht gestanden. Sich allein auf Presley zu berufen war damals schon hochgradig verwerflich. Heute lacht man über deren „Revoluzzer“-Potential.
Nimmt man nun an, dass sich „Feine Sahne Fischfilet“ die Stücke nicht zufällig ausgesucht hat, sondern sie auch zur Positionierung ihres Tuns als Warm-up bewusst gewählt wurden, dann steht „Halbstark“ für die Lust am Partymachen bei den Nordostdeutschen, „California . . .“ als Vorbild für ihr Bedürfnis, die Bühne auch für politische Botschaften zu nutzen.
Nach reichlich greller Atmosphäre aus den Boxen mit Stimmengewirr und Polizeisirenen mitten aus einer Demo fällt es Gitarrist Christoph Sell, Bassist Kai Irrgang und Schlagzeuger Olaf Ney im Stroboskopgewitter nicht schwer, den Lärmpegel locker zu übertrumpfen. Getreu dem Motto „Stecker rein und alle Knöpfe auf 10“ bekommen die Zuhörer die Mucke vom ersten Ton an voll auf die Zwölf. Sänger Jan „Monchi“ Gorkow ist wahrlich kein Caruso, aber wenn Sell den Gesang übernimmt, wird er noch krasser.

Klar denkt man bei den geradeaus herausgeprügelten Beats und scharfen Gitarren sofort an Punk, auch wenn der Frontmann immer wieder betont: „Ich war nie Punk. Ich werde nie Punk sein. Ich bin Monchi.“ Es ist diese ungestüme Energie, die immer schneller, immer härter, immer lauter wird, die diese Assoziation hervorruft.
Wirklich destruktiv und aggressiv wird die Performance von „Feine Sahne Fischfilet“ aber nie. Da fliegen mal Becher, da gibt es Stagediving, die Fans tanzen sich klatschnass und skandieren textsicher die plakativen Zeilen lautstark mit – nicht nur bei „Komplett im Arsch“, der Hymne vom Scheitern im Finale.
Live bleib das Konzert eher eindimensional, obwohl sich „FSF“ mit Max Bobzin und Jacobus North zwei Trompeter leisten, deren Akzente für den Ska-Einschlag im Sound sorgen. Ihre schön angesetzten Chorusse gehen gerne mal unter, ein Shanty-Zitat kann man nur erahnen, und auch klarer intonierte Gitarren-Intros und nette Schrammel-Passagen auf den Studioproduktionen bleiben in der Batschkapp nur angedeutet. Das Mitteilungsbedürfnis von „FSF“ ist letztlich relevanter als die Musik. Der „Agit-Pop“ feiert fröhliche Urstände.
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Wo sich legendäre deutsche Bands wie „Ton Steine Scherben“ („Macht kaputt, was euch kaputt macht“) in den Siebzigern und „Fehlfarben“ („Ein Jahr [Es geht voran]“) in den Achtzigern dagegen verwahrten, mit ihren Parolen politisch vereinnahmt zu werden, haben die sechs Jungs kein Problem damit, Tacheles zu reden. Selbst auf die Gefahr hin, als linksextrem unter ständiger Beobachtung des Verfassungsschutzes zu bleiben.
Mehr Solidarität
Die als Schülerband gegründete Gruppe hat klare Feindbilder. Sie findet sie daheim in Mecklenburg-Vorpommern ebenso wie an der fernen türkisch-syrischen Grenze. So warten sie mit „Geschichten aus Jarmen“ nahe der Ostseeküste auf und singen über „Suruç“ in Südostanatolien nahe des syrischen Kobane. Dahin war Sänger Monchi mit einem Hilfskonvoi gefahren. Da erlebte er hautnah ein Selbstmordattentat. Ob IS oder Neo-Nazis, gegen die gilt es aufzubegehren. Mehr Mut, mehr Menschlichkeit, mehr Solidarität wünschen sich „FSF“. Sie haben die Brände „In der Au“ und im „Café Exzess“ in Frankfurt, die sie als Anschläge auf die Szene werten, genauso wie die Chat-Skandale beim 1. Frankfurter Polizeirevier auf dem Schirm.
Ihren Respekt bringen sie dagegen für Katharina König-Preuss und ihre Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuss sowie für die Arbeit der Seenotrettung im Mittelmeer nachdrücklich zum Ausdruck. Letztere ist mit einem Infostand beim Konzert vertreten ist. Dass der kriminalisiert werde, sei skandalös.
von Detlef Kinsler
Info: umstrittene Band
Die linksradikale Band „Feine Sahne Fischfilet“ wurde in Mecklenburg gegründet und versteht sich als Gegenband zu rechtsradikalen Bewegungen. Gründer Jan „Monchi“ Gorkow, heute 31, wurde in Jarmen geboren. Mit seinen Bandfreunden, die er größtenteils aus der Schule kennt, singt er von dem Gefühl, in verlassenen Dörfern zu Hause zu sein und in einer hoffnungslosen Gesellschaft zu leben. Wegen gewaltverherrlichender Texte und Angriffen auf die Staatssicherheit wurde die Gruppe drei Jahre lang vom Verfassungsschutz beobachtet. In dem Lied „Staatsgewalt“ auf dem ersten Album „Backstage mit Freunden“ heißt es auszugsweise: „Die Bullenhelme, die sollen fliegen /Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein!“ Jan Gorkow selbst war als Jugendlicher Hooligan des Fußballvereins Hansa Rostock und wurde mit 18 Jahren wegen Brandstiftung an einem Polizeiauto zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Der ebenfalls aus Mecklenburg stammende Schauspieler Charly Hübner hat in seiner Kinodokumentation „Wildes Herz“ im vergangenen Jahr die Entstehungsgeschichte von „Feine Sahne Fischfilet“ erzählt und vor allem den Frontmusiker Gorkow porträtiert. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier wurde in Zusammenhang mit „Feine Sahne Fischfilet“ kritisiert, als er nach den politischen Ausschreitungen in Chemnitz diesen Sommer ein Festival mit der linksradikalen Band empfahl. Öffentliche Kritik zog auch Claudia Perren, die Direktorin der Designhochschule Bauhaus in Dessau auf sich, nachdem sie ein geplantes Konzert der Gruppe zum 100. Jahrestag ihres Hauses abgesagt hatte. Hintergrund waren Drohungen rechtsradikaler Bands gegen „Feine Sahne Fischfilet“ und deshalb zu befürchtende Ausschreitungen. Das Konzert wurde später an anderer Stelle nachgeholt.