Die Show, die aus dem Kampfsport kam
Seit 25 Jahren besteht das britische Musiktheater „Stomp“. Noch kurz vor den Sommerferien kommt das witzige Rhythmusspektakel in die Alte Oper, um dies zu feiern.
Kaum ein Mensch würde behaupten, dass Besen, Gummischläuche, Plastiktüten, Zeitungen, Pfannen, Töpfe, Blecheimer, Kunststoffflaschen, Geschirrspülbecken, Klappstühle und Streichholzschachteln sehr schöne Musikinstrumente sind. Außer, wenn er in den letzten 25 Jahren eine Show von „Stomp“ besucht hat. Genau das könnte in mittlerweile 50 Ländern auf fünf Kontinenten geschehen sein. Dabei ist die Auswahl an Instrumenten, mit denen die Stomper spielen, die vom 28. Juni bis 2. Juli in die Alte Oper kommen, sehr streng, wie Steve McNicholas sagt. Dieser Multi-Instrumentalist und Luke Cresswell gelten als die Väter von „Stomp“. McNicholas erklärt: „Es muss ein Gegenstand sein, den jeder zu Hause haben könnte. Bloß muss man mit ihm einen absolut interessanten Sound kreieren können. Auch soll es gut aussehen, während unsere Performer mit ihm Musik machen und sich auf der Bühne bewegen.“
Zum Auftakt einer Show von „Stomp“ geschieht dies traditionell mit Straßenbesen. Hier wird nicht nur ordentlich gekehrt, sondern zwischendurch mit den Holzkanten der Besen auf den Boden geschlagen. So entfaltet sich ein ganz eigener Rhythmus.
Rhythmusgefühl
Eine perkussive Symphonie von faszinierender Schönheit entsteht, die in ihrem Verlauf immer wieder überrascht. Nur mit geschlossenen Augen sollte man ihren Klängen nicht allzu lange zuhören. Schließlich passiert zu viel auf der Bühne, das witzig und skurril wirkt. So stampfen die Stomper nicht nur mit ihren Arbeiterstiefeln auf den Boden. Zudem machen sie einige amüsante Gesten untereinander und natürlich zum Publikum hin. „Stomp“ ist weiterhin die Show ohne Worte.
In ihr muss jeder der acht Performer nicht nur über ein ausgeprägtes Rhythmusgefühl verfügen. Steve McNicholas und Luke Cresswell würden keinen noch so begabten Musiker auf die Bühne schicken, der kaum Talent im Tanz und Schauspiel und keinen vitalen Sinn für Komik besitzt. Außerdem „ist es gut, wenn man Erfahrung in Martial-Arts mitbringt. Viele Bewegungen, die in der Show zu sehen sind, stammen ursprünglich aus dem Kampfsport“, erklärt McNicholas.
Ja, in der Tat kann es wüst und wild zugehen, wenn einige Stomper riesige Mülltonnendeckel wechselweise vor der Brust und hinter ihren Rücken zusammenschlagen. Ab und an gehen sie mit den hoffnungslos verbeulten Blechen sogar aufeinander los. Dann wird es höllisch laut. Aber das ist eben nur eine Facette des britischen Musiktheaters, in dem längst Künstler mitwirken, deren Heimat außerhalb von England liegt. So kann es wunderbar romantisch, poetisch und leise werden, wenn im Dunkeln metallische Geräusche vom Auf- und Zuklappen von Sturmfeuerzeugen erklingen und die Stomper diese Töne zu einer reizvollen Komposition zusammenfügen. Wann sieht man in einer Show so wenig Licht – nämlich nur das von Feuerzeugflammen, das derart wirkungsvoll eingesetzt wird? Nur hier. Und wo hört man Instrumente, deren Klänge nicht durch technische Effektgeräte verfremdet werden? Nur hier. Oder eben in klassischen Konzerten.
Überhaupt wirkt an „Stomp“ nichts protzig und pompös. Dieses Musiktheater hat seine Wurzeln im Straßentheater. Und mit viel Charme, Humor und Fantasie bezieht es immer noch seine Themen von dort. Betrachtet man die Kostüme der Stomper, bestätigt sich dieser Eindruck: Viel zerfetzter und lässiger gehen weltweit kaum Künstler auf die Arbeit.
Wenn der Schlagzeuger Luke Cresswell, der selbst viele Jahre als Pionier auf der Bühne stand, zurückblickt, sagt er nicht ohne Stolz: „In den ersten Jahren haben wir das Alphabet von ,Stomp‘ gelernt und zu einer Sprache verbunden. Heute ist diese Sprache wesentlich komplizierter. Mit der Zeit wurde die Choreografie der Show immer wieder verändert. Sie fordert heute von unseren Künstlern erheblich mehr körperlichen Einsatz als früher. ,Stomp‘ hat sich zu einem eigenen Genre entwickelt. Dabei ist das Konzept dasselbe geblieben.“
Schaut man sich die Mitglieder eines Ensembles von „Stomp“ an, bemerkt man noch etwas anderes. Hier regiert kein Schönheitsideal. Es gibt den braven Kerl und den muskulösen Hünen ebenso wie das tätowierte Schwergewicht, das mit der schlanken Frau in der schlabberigen Hose seine Späße treibt. Und diese wie andere Späße verstehen auch Kinder. So waren in der von Journalisten besuchten Nachmittagsshow, die in dem Theater von „Stomp“ im London stattfand, fast nur Schüler im Grundschulalter zu Gast. Eine absolute Seltenheit.
Aber für alle: ein riesiger Spaß. Mit ihren kleinen Händen klatschten sie mächtig viel Applaus. Kein Kind schlief gelangweilt ein, keins wurde zappelig. Und das alles über gut anderthalb Stunden hinweg. Wenn das kein großes Kompliment ist!