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"Wir sind ein Gegenentwurf"

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Christopher Annen, Malte Huck, Severin Kantereit und Henning May von ?AnnenMayKantereit? (v. l.).
Christopher Annen, Malte Huck, Severin Kantereit und Henning May von ?AnnenMayKantereit? (v. l.). © Fabien J. R. Raclet (Universal Music)

"AnnenMayKantereit" aus Köln sind die derzeit heißeste neue deutsche Band. Sie kennen sich aus der Schule. Und mit Straßenmusik fing es an. Diese Woche haben die Jungs ihr erstes Album herausgebracht: "Alles Nix Konkretes"

Die Kölner Band „AnnenMayKantereit“ gibt es seit fünf Jahren. Doch erst jetzt ist ihr erstes Studioalbum erschienen: Henning May singt auf „Alles Nix Konkretes“ mit einer sagenhaft rauen Stimme Lieder über die Liebe, das junge Leben, die große Traurigkeit. „AMK“ bedienen sich bei Pop, Rock, Blues und Folk. Mehr als zwei Wochen hat die Band nicht gebraucht, um die zwölf Stücke einzuspielen. Ihre Konzerte sind stets ausverkauft, auch die kommende Tournee mit einem Auftritt am 28. April in der Frankfurter „Batschkapp“. Olaf Neuman traf in Berlin Christopher Annen (25), Henning May (24), Severin Kantereit (23) und Malte Huck (22) von der gerade angesagtesten neuen deutschen Band.

Mit Ihrem offiziellen Debütalbum „Alles Nix Konkretes“ haben Sie sich viel Zeit gelassen. Warum?

HENNING MAY: Wir sind der Meinung, dass man bis zum Debütalbum verschiedene Dinge gemacht haben muss: Man sollte mit Straßenmusik anfangen und sich anschließend selber Auftritte in kleinen Clubs oder auf Festivals besorgen. Und dann in Eigenregie ein Album machen. Nachdem wir all diese Schritte hinter uns hatten, haben wir uns ein Management gesucht und erst einmal eine EP aufgenommen. Jetzt haben wir uns ans Debütalbum gewagt. Wir wollten nichts erzwingen, weshalb wir das Songmaterial ein Jahr lang auf Tour ausprobiert haben.

Wo fühlen Sie sich wohler: auf der Bühne oder im Studio?

CHRISTOPHER ANNEN: Unsere Live-Gang ist für uns momentan das Wichtigste. Es ist die Familie, mit der man rumfährt. Natürlich fragen wir uns selber, warum gerade so ein Hype um unsere Konzerte entsteht. Vielleicht, weil alle auf unser Studioalbum warten. Ich glaube, es spricht sich herum, dass uns das Livespielen großen Spaß macht. MAY: Ich hoffe, es liegt auch daran, dass wir etwas richtig gemacht haben. Wir bemühen uns, ehrlich zu sein und uns nicht zu verstellen. Wir nehmen nicht jeden Komfort einfach an, sondern hinterfragen vieles. Wir haben zum Beispiel keinen Bock auf Coca-Cola im Kühlschrank. Diese Marke wollen wir bei uns nicht sehen. Ich glaube, wir sind ein Gegenentwurf zu vielem, was momentan in der Musikbranche erfolgreich ist.

Die Band wird offensiv vermarktet.

MAY: Natürlich versuchen wir, uns zu vermarkten, und probieren dies gerade mit einem großen Label. Es stärkt uns den Rücken und eröffnet finanzielle Möglichkeiten. Dabei behalten wir weiterhin unsere Prämissen im Auge und versuchen, alles mit Geduld zu machen. ANNEN: Wir wollen alles unter Kontrolle behalten, was wir uns in den letzten Jahren aufgebaut haben. Das Management hat zum Beispiel ein guter Freund und ehemaliger Schulkamerad übernommen.

War die Entscheidung, bei dem großen Label Universal zu unterschreiben, einhellig?

ANNEN: Wir haben sehr lange dafür gebraucht. Weil wir uns gesagt haben, dass unser Konzept erst von alleine funktionieren muss, bevor wir zu einem Label gehen. Wir wollten einen Partner, der uns nicht reingrätscht, sondern unsere Ideen unterstützt. MAY: Ein Label kann etwas nicht zum Laufen bringen, sondern etwas Laufendes nur noch schneller laufen lassen. Ich sehe es überhaupt nicht so, dass das Label uns ausnutzt, sondern eher andersherum.

Wie machen Sie das?

MAY: Wir haben unsere Merchandising-Produkte immer nachhaltig herstellen lassen. Und jetzt weiß unsere Produktmanagerin, dass unsere Hörer es zu schätzen wissen, dass wir nur Öko-Pullis verkaufen.

Viele Entscheidungen der Band scheinen „politisch“ begründet zu sein. Verstehen Sie sich als politische Band?

ANNEN: Ich finde es immer schwierig, wenn eine Band ganz klare politische Statements abgibt. Denn das ist oft halbherzig. Man kann schon politische Statements raushauen, aber wir machen das eher auf subtile Weise. Wir wollen niemandem unsere Positionen aufdrängen. Einen politischen Song muss man auch erst mal schreiben können. Und dann müssen noch vier Personen dahinterstehen, es soll ja auch einen gewissen Anspruch haben.

In Ihren Liedern geht es oft um die Liebe. In „Dritter Stock“ werden jedoch die traurigen Seiten der Liebe besungen. Warum?

MAY: Nun, ich habe den Jungs erzählt, wie es gerade war mit meiner Fernbeziehung. Dass mich dieser Zustand fürchterlich fertig machte, und ich überhaupt nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte. Irgendwann fing ich an, darüber zu schreiben. Auf diese Weise konnte ich es ablegen. Bei „Dritter Stock“ wurde ich anfangs für die eindeutige Wortwahl verspottet, jemand meinte, der Text sei fürchterlich kitschig. Aber ich meine das so! Ich hätte es sehr schön gefunden, wenn meine Freundin und ich das damals geschafft hätten. Aber es hat nicht geklappt, ich war sehr traurig.

Zu welchem Zeitpunkt haben Sie den Song geschrieben?

MAY: Noch in der Krise. Und zwar mit dem Hintergedanken, noch etwas rumreißen zu können. Auch wenn ich den Text geschrieben habe, ist das ein Lied, das uns alle vier sehr berührt. Immer, wenn wir es im Konzert spielen, fühlen wir gemeinsam. Das hört sich vielleicht kitschig an, aber es ist schön, weil ich weiß, dass die anderen in dem Moment auch traurig sind.

Schreiben Sie Gedichte?

MAY: Ja, und auch Tagebuch. Das tut eigentlich jeder von uns. Und dann tauschen wir uns zu viert darüber aus. Uns ist unangenehm, dass wir oft zu unseren Texten befragt werden und selten zu unserer Musik. Natürlich sind sie wichtig, aber die Musik macht uns als Band aus, und nicht die Texte.

Wie haben Sie Ihren Sound gefunden?

SEVERIN KANTEREIT: Wir sind zusammen zur Schule gegangen und schon ewig befreundet. Dann haben wir Straßenmusik gemacht und durch das Improvisieren unseren Stil gefunden. Das Live-Spielen war für uns ganz wichtig. Wir waren von Anfang an offen für alles. MAY: Bei dem Lied „Wohin du gehst“ zum Beispiel ging uns der Rhythmus immer fürchterlich auf die Eier. Das ging soweit, dass wir irgendwann keinen Bock mehr hatten, es zu spielen. Wir haben dann versucht, das gemeinsam zu analysieren und dabei musikalische Elemente entwickelt, die alle gerne mögen. KANTEREIT: Wir haben eigentlich erst innerhalb der Band unsere Instrumente so richtig kennengelernt. Das trug auch zur Stilentwicklung bei. Wären wir schon vorher krasse Instrumentalisten gewesen, würden wir heute wahrscheinlich ganz anders zusammen spielen.

Ihre Songs wurden mit Rio Reiser verglichen. Ist das ein Künstler, auf den sich alle einigen können?

MAY: Die Hommage an Reiser habe ich gemacht, um meinen Vater zum Lachen zu bringen, denn eine Platte von Rio haben wir zusammen im Auto rauf und runter gehört.

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