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Autor Daniel Fuhrhop: "Macht Offenbach zu Frankfurt-Südost!"

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Daniel Fuhrhop im Gespräch mit Redakteurin Sarah Bernhard.
Daniel Fuhrhop im Gespräch mit Redakteurin Sarah Bernhard. © Rainer Rueffer-- FRANKFURT AM MA

Der Autor Daniel Fuhrhop (50) hat ganz eigene Ansichten zur Lösung des Frankfurter Wohnraumproblems: Bauen will er verbieten und Offenbach in Frankfurt-Südost umbenennen. Für einen Vortrag war der Autor jetzt in Niederursel zu Gast. Redakteurin Sarah Bernhard hat mit ihm über seine Ideen gesprochen.

Herr Fuhrhop, Sie behaupten, dass die Frankfurter Wohnungsnot ohne neue Häuser behoben werden kann. Wie kommen Sie darauf?

DANIEL FUHRHOP: Die Einwohnerzahl Deutschlands hat sich seit Jahren nicht erhöht, gleichzeitig entstanden aber fast sieben Millionen neue Wohnungen. Wenn wir vorhandene Häuser in und um Frankfurt besser nutzen würden, bräuchten wir keine Neubauten.

Wie soll das gehen?

FUHRHOP: Zum Beispiel stand 2017 in Frankfurt etwa eine Million Quadratmeter Büroflächen leer. In Niederrad hat die Stadt immerhin in den vergangenen Jahren geholfen, Büroflächen in Wohnungen umzuwandeln. In Amsterdam ist man allerdings schon sehr viel weiter, hier ist also noch Luft nach oben. Noch größeres Potenzial liegt aber tatsächlich im unsichtbaren Leerstand.

Unsichtbarer Leerstand?

FUHRHOP: Das sind Häuser, in denen nur noch eine Person wohnt, weil der Partner verstorben und die Kinder ausgezogen sind. Hier könnte man umbauen und zum Beispiel eine Einliegerwohnung abtrennen. Häufig ist das nicht sehr aufwendig, aber ein Planer muss schauen, ob es technisch machbar ist. Da würde ein kleiner Zuschuss helfen. Oder man könnte Untermiete fördern, etwa „Wohnen für Hilfe“. Dabei ziehen junge Leute zu älteren und helfen bei der Gartenpflege oder beim Einkaufen, statt Miete zu bezahlen. Hier und dort gibt’s auch Menschen, die sich einen Umzug vorstellen können, aber nicht mehr Miete bezahlen wollen als vorher. Die LEG Wohnen in Nordrhein-Westfalen bietet seit Kurzem den Mietern ihrer rund 130 000 Wohnungen an: Wer sich verkleinert, zahlt die gleiche Quadratmetermiete wie vorher. So wird verhindert, dass die kleinere Wohnung durch Mietpreissteigerungen über die Jahre genauso viel kostet wie die große. Das wäre bei der ABG Frankfurt sicher auch machbar.

Aber was ist mit: Mein Auto, mein Haus, mein Boot?

FUHRHOP: Das Auto liegt bei der jungen Generation sowieso schon nicht mehr Trend. Beim Wohnen ändert sich das vielleicht langsamer, aber es wird sich ändern, weil heute nicht mehr drei Generationen unter einem Dach zusammenleben müssen. Einerseits ist das eine Befreiung, andererseits bedeutet das nicht, dass jetzt so viele Menschen alleine leben wollen, wie es tatsächlich tun. Deshalb gibt es immer mehr gemeinschaftliche Wohnprojekte. Das kann eine WG sein, in der man sich Küche und Bad teilt. Wer es weniger intim mag, könnte sich zum Beispiel nur das Gästezimmer teilen. Wenn 20 Parteien jeweils ein Gästezimmer haben, würde es locker reichen, wenn ein Drittel der Zimmer vorrätig wäre. Und schon wird ein Dutzend Zimmer frei, die andere nutzen können.

Dazu müsste man aber umdenken.

FUHRHOP: Ich möchte niemandem etwas vorschreiben, sondern nur die Möglichkeiten zeigen, die es gibt. Es geht darum, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass Raum eine wichtige Ressource ist. Dazu gehört auch, sorgsam mit dem Platz in der Wohnung umzugehen – und sich zu überlegen, was man wirklich braucht. Wenn sich jeder von den Dingen trennen würde, die überflüssig sind, entstünde Platz für andere. Es ist die gemeinschaftliche Aufgabe aller, Wohnraum zu schaffen.

Das wird vielleicht bei einigen klappen, aber sicher nicht bei allen. Welche Möglichkeiten gibt es noch?

FUHRHOP: In Kopenhagen gibt es zum Beispiel kreuzungsfreie, beleuchtete Rad-Schnellwege ins schrumpfende Umland. Oder man lockt Menschen mit kostenlosem Nahverkehr aus der Stadt. Das würde nur einen Bruchteil der Neubau-Milliarden kosten. Und im Odenwald stünden nicht mehr so viele Häuser leer.

Wer in Frankfurt eine Wohnung sucht, will aber nicht im Odenwald leben.

FUHRHOP: Man muss unterscheiden zwischen den persönlichen Bedürfnissen und der Frage, inwieweit die Politik dazu beitragen kann, das Wohnungsproblem zu lindern oder zu verschärfen. Denn dass so viele Menschen nach Frankfurt kommen, hat nicht alleine rationale Gründe, da spielen auch Vorurteile eine Rolle. Und Frankfurt heizt den Boom definitiv an. Nach der Brexit-Entscheidung etwa hat die Stadt noch am gleichen Tag eine Website geschaltet, die Banker und ihre Familien nach Frankfurt einlud. Wer so aggressiv um Zuzug wirbt, sollte sich nicht beschweren, wenn er auch kommt.

Frankfurt sollte weniger werben?

FUHRHOP: Ich plädiere für Anti-Stadtmarketing. Wenn Frankfurt werben würde mit: „Die Mieten hier sind richtig teuer!“, würden die Menschen eher ins Umland ziehen. Oder wie wäre es mit einem Musikantenstadl im Nordend? Wenn die angesagten Viertel plötzlich teuer und gleichzeitig uncool sind, gäbe es vor allem für junge Menschen deutlich weniger Anreiz, dorthin zu ziehen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Marketing-Ausgaben in Werbung für Landstriche im Odenwald, im Bayerischen Wald oder im Osten Deutschlands zu investieren. Am besten aber wäre es, das Geld einfach zu sparen.

In Ihrem Buch schlagen Sie außerdem vor, unbeliebte Orte einzugemeinden, etwa das uncoole Duisburg ins hippe Düsseldorf-Nord.

FUHRHOP: Es gibt Gegenden, die boomen, und daneben gibt es die, die schrumpfen. Nehmen Sie zum Beispiel Offenbach: In bestimmte Stadtviertel dort will niemand ziehen, obwohl die meisten Menschen noch nie da waren und einfach nur Vorurteile haben. In dem Moment, in dem man Offenbach in Frankfurt-Südost umbenennen würde, würden die Immobilienpreise steigen, weil allein schon der Name „Frankfurt“ die Preise anhebt. Die Menschen würden das Viertel ernster nehmen und sehen, dass es gar nicht so schlecht ist.

Das ist doch jetzt nicht Ihr Ernst.

FUHRHOP: Natürlich ist das etwas polemisch überspitzt. Aber die Art und Weise, in der wir bisher neu bauen und unsere Städte zugrunde richten, scheint mir so absurd, dass ich gerne einen noch absurder scheinenden Gegenvorschlag mache, um darauf hinzuweisen, wie verrückt unser jetziger Umgang mit der Umwelt ist.

Aber die heutigen Passiv- und Niedrigenergiehäuser brauchen doch kaum noch Energie.

FUHRHOP: Berücksichtigt man nur die Heizenergie, stimmt das. Aber wenn man eine ganzheitliche Bilanz erstellt, sind diese Häuser nicht sehr ökologisch. Denn ein Neubau muss gebaut werden und das bedeutet einen hohen Energieaufwand, den man mit einberechnen muss. Dazu kommt, dass ein Neubau auf der grünen Wiese zu längeren Autofahrten führt. Alles zusammen macht in vielen Fällen eine Sanierung aus ökologischer Sicht sinnvoller.

Halten Sie sich an Ihre Ratschläge?

FUHRHOP: Nach meinem ersten Buch hat meine Frau scherzhaft gesagt: Wir können ja nie wieder in einen Neubau ziehen. Zufälligerweise hat sich ergeben, dass wir tatsächlich einen Umzug in ein Hausprojekt in die Wege geleitet haben, in dem es zwar einzelne, in sich abgeschlossene Wohnungen gibt, sich aber alle Gemeinschaftsraum, Werkstatt und Garten teilen. Wenn wir durch solche Modelle etwas mehr in Richtung der niedrigeren Pro-Kopf-Wohnfläche von früher kommen würden, gäbe es überhaupt kein Wohnraumproblem.

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