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Bockenheim: Ausstellung zeigt, was bei der Sanierung des Stadtteils richtig gemacht wurde

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Über zehn Jahre prägten Bauzäune und Bagger das Bild Bockenheims. Dafür hat die Stadt in den 70er Jahren etwas geschafft, das nicht selbstverständlich ist: das Viertel so zu sanieren, dass sein Charakter erhalten bleibt. Wie sich Bockenheim über die Jahre verändert hat, zeigt eine Ausstellung von Stadtteilhistoriker Norbert Saßmannshausen noch bis 30. September.

Eigentlich ist die Studentenrevolte Norbert Saßmannshausens Lebensthema. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sich der Bockenheimer Stadtteilhistoriker mit den Ereignissen von 1968 und ihren Folgen. „Aber irgendwann stellte ich fest, dass ich eigentlich keine bildliche Vorstellung davon habe, wie die Kneipen aussahen, in denen sich die Gruppen damals trafen, wie die Straßen, durch die sie zogen.“ Denn zwischen den Studentenunruhen und heute liegen – zumindest in Bockenheim – 25 Jahre Sanierungsmaßnahmen.

„Aber die Leute, die das damals miterlebt haben, sind ja noch ansprechbar“, dachte sich Saßmannshausen – und rief kurzerhand alle Bockenheimer dazu auf, ihm alte Fotos zu schicken. Er selbst fotografiert gerne, einen Grundstock hatte er bereits. „Aber ich dachte, er wäre viel leichter zu ergänzen.“ Ein Jahr wartet er ab, „die Leute brauchen ja Zeit, um in den Keller zu gehen und zu gucken“. 20 Einrichtungen und Personen melden sich in dieser Zeit bei ihm.

Am Schluss hat Saßmannshausen Fotos aus den 60er Jahren von Häusern, die zunächst dem Verfall preisgegeben werden, weil die Stadt damals große Pläne schmiedet: Ein Hochhausviertel sollte Bockenheim werden, autogerecht mit vielen Parkhäusern und Konsumtempeln. „Außer den Kirchen gab es bei den Abrissplänen kein Tabu.“

Er hat Fotos aus den 70er Jahren von riesigen Brachen, die als Werkstätten oder Autofriedhof genutzt wurden. Von einstöckigen Gebäuden mitten in Straßenzeilen, deren obere Stockwerke den Krieg nicht überlebt hatten. Von leerstehenden Fabrikgebäuden, deren Nutzer in die Vororte gezogen waren. Und von endlosen Autoschlangen: Direkt zu den Geschäften fahren zu können gehörte damals zum Ideal einer lebenswerten Stadt.

Charakter blieb erhalten

Doch ab 1978 wandelt sich das Bild. Nach langen Verhandlungen wies die Stadt zwei Sanierungsgebiete aus. Knapp 14 Prozent der Häuser in diesen Gebieten waren abrissreif, in der Kleinen Seestraße gar 90 Prozent. 1077 von 1749 Wohnungen fehlte ein eigenes Bad, eine Toilette oder Heizung. „Romantisch, aber eben auch ruinös“, sagt Saßmannshausen.

In den kommenden Jahren wurden – immer unter Einbeziehung der Bewohner – die Gebäude, die nicht mehr zu retten waren, abgerissen, die Brachflächen bebaut, Straßenzüge begradigt, kriegsgeschädigte Häuser wieder aufgestockt. Viele Straßen verändern sich völlig. „Aber eines hat die Stadt richtig gemacht: Sie hat den speziellen Charakter Bockenheims erhalten.“ Die Kleinteiligkeit vieler Straßenzüge. Die Mischung aus Wohnen und Kultur, die möglich macht, dass Arbeiter ihr Bier neben Studenten trinken. Die Orientierung an den Menschen, die im Viertel leben.

Heute sei das nicht immer so: Baulücken würden ohne Augenmaß geschlossen, Viertel ohne Bezug zu den Menschen geplant. „Nehmen Sie doch mal die City West. Wenn man nicht dort wohnt, gibt es keinen Grund, dorthin zu gehen.“

Mahnung an die Stadt

Deshalb soll seine Ausstellung im Studierendenhaus auch eine Mahnung sein. An die Stadtplaner, denen Investoren oft wichtiger seien als die Bürger. Aber auch an die Bürger selbst, die nicht einfach hinnehmen dürften, dass ihre Viertel zu gesichtslosen Einheitsquartieren saniert würden. „Die Lehre ist, immer achtsam zu bleiben, was den Stadtteil eigentlich ausmacht, und dafür zu kämpfen, dass es auch so bleibt.“

Die Öffnungszeiten

Die Ausstellung „Sanierung Bockenheim“ im 2. Stock des Studierendenhauses auf dem Uni-Campus, Mertonstraße 26, ist bis 30. September dienstags bis sonntags von 16 bis 19.30 Uhr geöffnet. Wer noch Fotos von Bockenheim vor 1990 hat, kann sie mitbringen oder sich über mit Norbert Saßmannshausen in Verbindung setzen: Im Nachgang zur Ausstellung soll ein Buch entstehen, in das auch Fotos und Dokumente aufgenommen werden, die bei der Ausstellung keine Berücksichtigung finden.

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