Tierheime in der Corona-Krise: Haustiere unter Virus-Verdacht

Tierheime in Darmstadt und Umgebung leiden unter der Corona-Pandemie. Einnahmen brechen weg. Viele wollen ihre Haustiere loswerden.
- Die Corona-Krise stellt Tierheime in Darmstadt und Umgebung vor Herausforderungen
- Tiere werden abgegeben, weil die Besitzer eine Coronavirus-Ansteckung* fürchten
- Es fehlt an Personal, aber auch an Einnahmen – das führt zu Einschränkungen
Darmstadt – Eine Frau mit Handschuhen und Mundschutz bringt eine Katze in einem fast luftdichten Behälter ins Darmstädter Tierheim. Angeblich hat sie die sehr gepflegt wirkende Persermischlingskatze gefunden, berichtet Tierheimleiter Christian Zentgraf. Doch der Tierarzt vermutet, dass hier eher die Angst vor Corona Grund für die Abgabe des Tieres war. „Katzen werden verstärkt abgegeben“, sagt er. Dabei hätten die Tiere schon immer Coronaviren, ohne dass diese für den Menschen gefährlich seien. Doch wer sich damit nicht auskenne, habe womöglich Angst.
Pfungstadt bei Darmstadt: Corona lässt im Tierheim das Telefon schellen
Auch im Tierheim Pfungstadt rufen viele verunsicherte Menschen an, weil sie fürchten sich über ihr Haustier anzustecken, berichtet Vereinsvorsitzende Monika Roth. Die Unkenntnis sei sehr hoch. Kürzlich habe etwa eine Frau vermutet, ihr Pudel könne sich infizieren, wenn er auf der Straße Speichel aufleckt. „Wir müssen vermehrt Telefonpräsenz zeigen, um eine erhöhte Abgabe von Tieren zu verhindern“, sagt Roth. Auch würden mehr Tiere – vor allem Katzen – abgegeben werden, weil ihre Halter in Pflegeeinrichtungen kämen, wenn sie aufgrund der Corona-Pandemie* nicht mehr zu Hause versorgt werden könnten*. In einem Fall wurde ein Hund abgegeben, weil die Familie ihn in ihrer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung nicht mehr halten konnte, als die Freifläche vor dem Haus vom Vermieter wegen Corona gesperrt* wurde.
Keine Überträger
Laut Deutschem Tierschutzbund geht die Wissenschaft davon aus, dass Hunde und Katzen das neuartige Coronavirus* nicht auf Menschen übertragen. Bisher gibt es nur vereinzelte Fälle, bei denen Haustiere positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden.
Bei allen Tieren wird davon ausgegangen, dass die Übertragung vom erkrankten Besitzer auf das Tier erfolgte. Auch andere Haustiere wie Hamster, Kaninchen oder Kanarienvögel können das Virus nicht übertragen. Infos unter: tierheime-helfen.de/coronavirus
Tierheime in der Umgebung:
www.tsv-darmstadt.de
www.tierheim-pfungstadt.de
tierheim-ruesselsheim.de
Übersicht aller Tierheime: www.tierheim-verzeichnis.de
Doch der vermehrte Zuwachs an Tieren ist derzeit nicht das einzige Problem der Tierheime. Die größte Angst ist, „dass Mitarbeiter erkranken und eine Quarantänesituation entsteht, bei der nichts mehr geht und die Tiere nicht mehr versorgt werden können“, sagt Zentgraf. Deshalb haben Tierheime vielerorts ihre Pforten für Besucher geschlossen. Oft wird in getrennten Teams gearbeitet und die Mithilfe von Ehrenamtlichen fällt weg, um die hauptamtlichen Mitarbeiter zu schützen. Die gute Nachricht: Tiere werden weiterhin vermittelt und das Interesse an ihnen ist ungebrochen. Zentgraf beobachtet sogar ein erhöhte Nachfrage, weil die Menschen offenbar mehr Zeit hätten. Die Vermittlung läuft allerdings nicht mehr an den regulären Besuchstagen, sondern oft nur nach vorheriger Absprache. „Wir schicken den Leuten Bilder und Beschreibungen per E-Mail“, erklärt Roth. „Das erste Kennenlernen erfolgt dann am Zaun.“ Zahlreiche Formalitäten, wie eine schriftliche Selbstauskunft und Datenschutzerklärung des zukünftigen Halters seien dafür notwendig. Zudem könnten Problemhunde derzeit nicht vermittelt werden, weil auch die Tiertrainer, die solche Vermittlungen begleiten, nicht aufs Gelände könnten.
Ähnliche Probleme wie in Darmstadt: Tierheim Rüsselsheim klagt über Corona-Probleme
Auch beim Tierschutzverein Rüsselsheim und Umgebung ist die Vermittlung wegen der Corona-Pandemie schwieriger geworden: „Es ist eine unglaubliche Arbeit über Telefon und Skype“, sagt Vorsitzende Claudia Kemmler. Und die Vermittlungszahlen und damit die Einnahmen würden sinken. Derzeit fallen laut Klemm 6000 bis 8000 Euro an Vermittlungserlösen monatlich weg. Die Kosten für Kastrationen, Impfungen und Futter bleiben jedoch bestehen. Die Einrichtung gehört mit 70 Hunden, 100 Katzen und 250 Kleintieren zu den größeren.
Das Tierheim ist für Fundtiere aus zwölf Kommunen zuständig und erhält dafür jährlich 100 000 Euro von den Kommunen. Die laufenden Kosten lägen jedoch bei 700 000 Euro, so Klemm. Auch andere Einnahmen und Spenden, die bei Festen, Flohmärkten oder Seminaren generiert werden, fallen weg. Urlaubs-Tierpensionen sind ebenfalls keine Stütze mehr. „Kein Mensch fährt mehr in Urlaub*“, sagt Zentgraf. Die finanzielle Lage sei angespannt. „Die Frage ist, wie lange wir das durchhalten.“
Tierheim Darmstadt: Hundetagespension öffnet wieder – Spendenaufruf in Pfungstadt
Im Tierheim Darmstadt ist deswegen seit diesem Montag die Hundetagespension wieder eingeschränkt geöffnet. Auch dürfen Hunde von Freiwilligen nach telefonischer Absprache und unter Beachtung der Hygienevorschriften jetzt wieder spazieren geführt werden. Bisher hatten die 15 Mitarbeiter dies zusätzlich erledigt.
Das Pfungstädter Tierheim hat wegen des finanziellen Engpasses einen Spendenaufruf gestartet und tatsächlich viele Sach- und Geldspenden erhalten, freut sich Monika Roth. Denn Corona-Zuschüsse von Bundesebene erhalte man keine: „Als Verein fallen wir da durchs Raster.“
Von Claudia Kabel
Das Coronavirus erschwert auch die Arbeit des Tierheims und der Tiertafel in Frankfurt. Große Hilfsbereitschaft ist da, aber Spenden werden dringend benötigt. In unserer Corona-Sprechstunde klärt Lea Schmitz, Diplom-Biologin und Sprecherin des Deutschen Tierschutzbundes, alle wichtigen Fragen zu Corona und Haustieren.*
Eine Pandemie macht vielen Menschen ihre Sterblichkeit deutlich - aber was passiert eigentlich mit unseren Haustieren nach ihrem Tod?
Im Herrngarten in Darmstadt jagen unbekannte Personen ein freilebendes Küken und nehmen es mit nach Hause - die Polizei ermittelt.
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