Ab jetzt wird an der Kläranlage ganz tief gebuddelt

Mit den Arbeiten für die acht Meter tiefen Belebungsbecken beginnt Mammutprojekt.
Bad Homburg -25 000 Kubikmeter Erde müssen bis Mai alleine für den ersten Bauabschnitt der neuen Kläranlage Ober-Eschbach bewegt werden. Da reichen keine Spaten, nicht mal zum symbolischen Auftakt. Also setzte sich Oberbürgermeister Alexander Hetjes (CDU) ans Steuer eines Baggers, um den Auftakt des Mammutprojekts offiziell zu markieren.
Voraussichtlich 60 Millionen Euro werden investiert, avisierte Bauzeit: sechs Jahre. Alles, das steht längst nicht mehr im Kleingedruckten, unter Vorbehalt. Denn wie es mit Inflation, Energie- und Baustoffmangel weitergeht, steht in den Sternen. Zumal die Kläranlage nicht aus einem Guss entsteht, sondern das Ergebnis zwar eines Konzepts aber vieler Überlegungen und einzelner Aufträge sein wird. „Früher hat man so etwas einen Generalunternehmer bauen lassen, das ist heute nicht mehr praktikabel“, erklärt Dirk Herrmann, der den Neubau als Projektleiter betreut. Stattdessen werden die Teilprojekte einzeln ausgeschrieben, so dass sich Fachfirmen eher melden. „Beim Erdaushub im ersten Bauabschnitt hat sich schon gezeigt, dass sich mehr spezialisierte Firmen melden - wir hatten 13 Angebote, so viele wie lange nicht mehr.“
Herrmann kennt die Kläranlage wie seine Westentasche, war er doch von 2002 an 18 Jahre deren Leiter. Einen besonderen Meilenstein wird in seinen Augen die Zeit darstellen, wenn die ersten Teile des Neubaus in Betrieb gehen, die alte Anlage aber noch benötigt wird. Denn alle Umstellungen geschehen im laufenden Betrieb. Während man bei einer Straßenbaustelle einfach eine Umleitung einrichten kann, funktioniert das beim Abwasser nicht. „Für ungefähr fünf Stunden reichen die Rückhalte-Kapazitäten, danach muss die Kläranlage wieder laufen“, berichtet er - das gilt auch im Alltag, wenn Reparaturen oder Wartungen nötig sind.
Vieles ist noch aus den 1950ern
Bereits seit 1926 gibt es am Standort eine Kläranlage, wusste Hetjes zu berichten. „1954 kam der Neubau - und einige Anlagen stammen noch aus dieser Zeit. Kein Wunder, dass es schwierig wird, manche Ersatzteile zu bekommen. Hetjes gab auch einen Ausblick auf das, was auf die Belegschaft der Kläranlage und einige Ober-Eschbacher in den kommenden Monaten zukommt - und bat vorab um Entschuldigung.
Die kleine Straßenreinigungsmaschine, die im Bereich des Massenheimer Wegs im Dauereinsatz ist, lässt es ahnen: Es wird dreckig, wenn die bis zu acht Meter tiefen Baugruben für die beiden Belebungsbecken im Bereich des ehemaligen Übungsplatzes der Jugendfeuerwehren bis Mai ausgehoben werden. Und weil, um die Grube zu stützen, zuvor Löcher bis zu 16 Meter tief gebohrt und mit Beton ausgegossen werden. Die biologische Reinigungsstufe ist im späteren Betrieb die zweite Station des Abwassers. Vorher wird es mechanisch gereinigt, die Feststoffe werden mit Rechen herausgefischt.
Sind die ersten Abschnitte neu gebaut, werden sie getestet. Ein Teil des Abwassers geht in die neuen Abschnitte, der Rest durchläuft die alte Anlage. So kann genau und ohne Zeitdruck nachjustiert werden.
Mit der neuen Technik soll die Kläranlage den Anforderungen der regelmäßig verschärften Europäischen Wasserrahmenrichtlinie genügen. „Bis 2027 brauchen wir dringend die Verbesserung“, man arbeite diesbezüglich eng mit dem Regierungspräsidium in Darmstadt zusammen, so Herrmann. Dort wurde der Neubau in den vergangenen Jahren mehrfach angemahnt.
Stünden aktuell noch Phosphate und Stickstoff im Fokus, rückten bald wohl auch in Hessen die Medikamenten-Rückstände in den Blick, prognostiziert er. „Das Wasser im Eschbach wird künftig definitiv sauberer sein“, sagt er auch in Richtung Frankfurt. Am Unterlauf des Eschbachs wurde regelmäßig über die alternde Anlage der Kurstadt gemurrt. Durch den jetzt geplanten Membran Biologie Reaktor, also die vierte Reinigungsstufe, könne das gereinigte Abwasser sogar direkt als Brauchwasser, etwa zur Bewässerung städtischer Grünflächen, genutzt werden.
Solaranlagen auf den Freiflächen geplant
Im Blick steht auch die energetische Bilanz der Kläranlage. „Was können und was wollen wir uns leisten, um möglichst energieautark zu sein?“, das werde die Kernfrage werden. Schon jetzt trägt ein Biogas-Speicher für bis zu 1300 Kubikmeter Gas dazu bei, den Eigenbedarf zu decken, doch es gibt viele weitere Ansätze, für die man die Technische Universität Gießen ins Boot geholt habe. „Auf den späteren Reserveflächen können wir Photovoltaik-Anlagen errichten“, so Hermann. 900 Quadratmeter im Bereich der Belebungsbecken und 2500 Quadratmeter am Eschbach stünden nach Abriss der alten Anlagen definitiv zur Verfügung. Eine weitere Überlegung bei vielen Kläranlagen: Das Wasser könnte bei der Einleitung in den Bach eine kleine Turbine antreiben. Auch so lässt sich Energie gewinnen.
Ebenfalls Teil des ersten Bauabschnitts ist der Bau einer neuen Technik- und Fahrzeughalle. Die alte wird abgerissen, dort entsteht ein Technikgebäude.