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Apfel und Birne stehen Spalier

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In Gonzenheim genießen Luigena und Sean Daniele Pflüger mit Söhnchen Domenic (21 Monate) ihr verwunschenes Reich.
In Gonzenheim genießen Luigena und Sean Daniele Pflüger mit Söhnchen Domenic (21 Monate) ihr verwunschenes Reich. © Heiko Rhode

Rosen in der Badewanne, mannshoher Knoblauch und Marmelade aus dem Schulgarten. Die „Bad Homburger Gartentage“ stecken voller Überraschungen.

Schinnenburgs „Traumbienen“ können so verträumt nicht sein, denn der blassweiße cremige Rapshonig schmeckt himmlisch. Ein Löffel am Eingang zum Garten auf dem Platzenberg genügt schon und ist Belohnung genug, das versteckte Kleinod tief in den Wiesen gefunden zu haben. Kein Gedanke an städtische Betriebsamkeit. Irgendwo da hinten liegt Bad Homburg, hier oben aber ist es still. Die rotweißen Petunien erzählen vom Sommer, die kleinblütigen Kletterrosen, die frisch gepflanzte Säulenbirne und der Spalierapfel auch. Eine Ameise läuft ungeniert über den Notizblock, und die vielleicht 60 000 Bienchen gehen ihrer Arbeit nach, von der Familie Schinnenburg hier Abstand nimmt. Jetzt aber backt der Vater die ersten Waffeln (mit Honig, nicht mit Zucker gesüßt) seines Lebens. Sie schmecken trefflich, besonders den Kindern, die abgetobt vom Trampolin kommen.

Die „Bad Homburger Gartentage 2015“, bei denen 14 Teilnehmer – etwa das Gästehaus Sahr an der Kisseleffstraße, der Lernbauernhof vom NABU und Kleingärtner – ihre Gärten öffnen, lassen sich gemächlich an; der Samstagvormittag fordert doch seinen Tribut. Nur wenige Schritte abseits der Louisenstraße klingt im lauschigen Hausgarten an der Löwengasse 13 sphärische Musik; wie ein Kunstwerk aus der Natur liegt das verschlungene Holz einer Glyzinie auf dem Tisch. Hinterm Blattwerk unvermittelt Holzstelen, an einer Wand grüne Blattpflanzen, die ihre Nahrung aus Erdsäcken ziehen. Gina Egenolf bereitet noch die Verköstigung vor, Anton Färber holt das farbenfrohe Gemälde eines Peruaners an die frische Luft. Beiden schwebt ein Kunstgarten vor, auch dann, wenn keine „Gartentage“ sind.

Zwei Mädchen zupfen Johannisbeeren vom Strauch, während Eltern Marmelade verkaufen. Die Strauchbohnen wachsen noch, die Erdbeeren warten auf Sonne. Seit 2006 bestellt die Lehrerin Anja Kipp mit 20 Schülern den Schulgarten der Ketteler-Francke-Schule. „Die Kinder sollen erleben, wie Pflanzen wachsen“, sagt sie. Die Salatköpfe gedeihen prächtig beim Nieselregen, der sich jetzt eingestellt hat, und sehen aus wie Kreationen vom Hutsalon Rosemann.

Der größte Garten der alle zwei Jahre stattfindenden Veranstaltung liegt an der Fleck’schen Mühle in Gonzenheim. Stephan Müller ist der beste Beweis dafür, wie sehr ein Mensch mit der Natur verwachsen kann. Trotz seiner starken Sehbehinderung läuft der Bildhauer und Maler geschwind über das weite, unebene Terrain. Er hat die 65 Bäume auf der Streuobstwiese gesetzt und den Fühlpfad angelegt, ein Abenteuer für nackte Fußsohlen. Mannshoch der Knoblauch, buschig die Ausdauernde Gartenkresse, das Currykraut duftet.

Elizabeth Pflügers Rosen wachsen in der Badewanne und in Teekesseln. Ein elegantes Exemplar bedankt sich gerade mit einer ausladenden Blüte dafür, dass sich die gebürtige Irin seiner angenommen hat. Sie sagt: „Hier bekommen Gnadenpflanzen, die ausrangiert wurden, ein zweites Leben.“ Bis zum frühen Nachmittag waren schon 19 Besucher in diesem kleinen Paradies.

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