Aus einer Idee wurde eine Leidenschaft

Jutta und Dieter Stockmann sammeln Eisenbahn-Objekte
Bad Homburg -Jutta und Dieter Stockmann haben im Keller ihres Hauses ein kleines Eisenbahnmuseum. Angefangen hat alles vor etwa 33 Jahren. Dieter Stockmann arbeitete als Diplom-Ingenieur bei der Bundesbahn und hatte damals - wenige Monate nach dem Fall der Mauer - einen Kollegen zu Gast, der bei der Reichsbahn der DDR tätig gewesen war. Dieser machte den Vorschlag, das Gastzimmer mit Eisenbahnobjekten zu dekorieren. Eine Idee, die den Stockmanns so gut gefiel, dass sie sie kurze Zeit später in die Tat umsetzten. Bis zum heutigen Tag ließ sie sie nicht mehr los.
Über den Kollegen hatten sie den Kontakt zu einem S-Bahn-Werk im Osten Berlins bekommen, in dem gerade alte Holzbänke aus dem Jahr 1935 ausgemustert wurden. Sie fuhren hin und holten drei Vierer-Sitzgruppen, die nun bei ihnen wie kleine Abteile an einer Seite des Raumes hintereinanderstehen. An der Wand zwischen zwei der Sitzbank-Abteilen sind Klapptische montiert, wie es sie früher in den Reisezugwaggons unterhalb der Fenster gab. Auf einem dieser Klapptische stehen eine Kaffeekanne und -tasse mit dem Emblem der früheren Schlaf- und Eisenbahngesellschaft Mitropa, die das Ehepaar Stockmann in einem Eisenbahnshop erstanden hat.
Links daneben hängt oben an der Wand eine Notbremse. Eine zweite, erzählt Jutta Stockmann augenzwinkernd, gibt’s auf dem Gäste-WC. Und an einem großen Tisch zwischen der dritten Sitzgruppe trifft sich Dieter Stockmann regelmäßig mit Freunden zum Skat.
Projekte führten ihn rund um den Globus
Zur Deutschen Bundesbahn kam der Bad Homburger eigentlich eher durch einen Zufall. Ursprünglich wollte er nach seinem Maschinenbau-Studium bei VW in Wolfsburg arbeiten, wo er bereits als Student in den Semesterferien am Fließband gejobbt hatte. Doch die Pläne zerschlugen sich. Durch eine Gruppe von Bundesbahnreferendaren erfuhr er, dass bei der Bahn noch Mitarbeiter gesucht wurden, und bewarb sich. Nach einem zusätzlichen Referendariat und dem Staatsexamen für die Beamtenlaufbahn, kam er nach Berlin. Später arbeitete er als „Railway Senior Ingenieur“ bei der Weltbank in Washington.
Durch seinen beruflichen Hintergrund und die Fachkenntnisse im Maschinenbau wurde Dieter Stockmann bei der Weltbank als Experte eingesetzt, wenn es darum ging, schnell und fundiert die Wirtschaftlichkeit von Eisenbahnprojekten zu beurteilen.
Die Projekte, die er zu bewerten hatte, brachten ihn zu Zielen auf der ganzen Welt. Und von jedem dieser Orte brachte er irgendein Objekt für sein Eisenbahnmuseum zu Hause mit. So hängen an einer Wand historische Aktien von längst nicht mehr existierenden Eisenbahngesellschaften. Gegenüber Schilder, wie sie von den Herstellern alter Dampflokomotiven an den Zugmaschinen angebracht wurden.
An einem dieser Schilder hängt Stockmann besonders: Es ist das Messingschild einer alten Dampflok der japanischen Ost-Eisenbahn mit dem Aufdruck D 51498. Das Schild hatte er als „Dankeschön“ von Shuichiro Yamanouchi, dem damaligen Chef der japanischen Eisenbahngesellschaft, geschenkt bekommen, nachdem er diesen bei einer Internationalen Konferenz in Berlin getroffen und während einer Schifffahrt auf der Havel betreut hatte.
In einem Regal hebt Dieter Stockmann verschiedene Dienstmützen auf, darunter eine blau-weiß gestreifte. „Sie ist eine typische Lokführerkappe, wie sie in Amerika getragen wurde“, erklärt er. Eine andere stammt aus Algerien. Auch unter den Mützen hat Stockmann ein Lieblingsstück: eine Schildkappe aus Indonesien, blau mit einem goldenen Emblem. Es stellt einen Garuda-Adler dar, der das Wappen Indonesiens trägt. Seine Flug- und Schwanzfedern stehen für den 17. August 1945, den Tag der Unabhängigkeitsproklamation des südostasiatischen Staates.
Sie war Reiseleiterin und brachte ihm Eisenbahnnägel mit
Aber auch aus der näheren Umgebung hat Stockmann Objekte in seiner Sammlung, etwa eine Uhr vom Bahnhof in Friedberg. Die Wanduhr mit Perpendikel hing früher im Zimmer des Stationsvorstehers. Aus Friedberg stammen auch einige alte Petroleumlampen, die früher vorne bei den Dampflokomotiven als Richtungslaternen festgeschraubt waren.
Doch nicht nur er hat die Objekte für das hauseigene Museum gesammelt. Viele stammen auch von Jutta Stockmann, die früher als Reiseleiterin weltweit unterwegs war. „Ich habe immer zu meiner Frau gesagt. Du darfst verreisen, wohin Du willst, aber Du musst mir von überall einen Eisenbahn-Schwellennagel mitbringen“, erzählt Dieter Stockmann. Und das hat seine Frau auch getan. In einem Regal neben dem Fenster liegen Dutzende von Eisenbahnnägeln, die früher in die Schwellen eingehauen waren. An ihnen konnte man das Alter der Gleise erkennen, da auf ihrem Kopf die entsprechende Jahreszahl der Verwendung eingraviert wurde. Normalerweise sollten die Schwellen 30 Jahre halten, sagt Dieter Stockmann. Es wurde aber jedes Jahr nachgeprüft, ob sie auch tatsächlich noch in Ordnung waren, da sie durch das Rütteln der darüber hinwegfahrenden Eisenbahnen auch locker werden konnten und dann wieder festgemacht werden mussten.
Man merkt dem Homburger Paar die Liebe an, mit der es an den einzelnen Objekten hängt. Jedes Stück erzählt eine Geschichte aus seinem bewegten Leben. Doch jetzt, so sagen die Stockmanns wehmütig, müssen sie aus Altersgründen ihr kleines Museum aufgeben. Sie würden sich sehr freuen, wenn sich Eisenbahn-Sammler finden würden, die es in gute und kompetente Hände übernehmen würden. (kob)


