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Bad Homburg: Es braucht mehr Frauenpower

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Steht ihre Frau: Försterin Mandy Gantz.
Steht ihre Frau: Försterin Mandy Gantz. © NATASCHA HEIDENREICH

In Naturwissenschaften sind Frauen noch immer unterrepräsentiert. Projekte sollen Mädchen für MINT-Fächer interessieren

Sie solle sich doch lieber schminken und einen Rock anziehen. Das sagte ein Mitstudent zu Mandy Gantz. Die Försterin, die zu Gast beim Projekttag „girls go technic“ an der Gesamtschule am Gluckenstein (GaG) war, schüttelt noch heute den Kopf über diese Worte. Claudia Ludig, die neben ihr steht, bestätigt Gantz’ Erfahrung. „Das war früher für Frauen in Männerberufen völlig normal.“ Ludig weiß, wovon sie spricht. Die Lehrerin und Projektleiterin des Fachtags, der Mädchen für technische Berufe sensibilisieren soll, studierte erst Diplom-Biologie und im Anschluss als eine von nur drei Frauen Physik. „Wir wurden belächelt. Mich hat das aber immer angespornt. Ich wollte das ändern.“

Doch hat sich mittlerweile etwas getan? Denn noch immer ist ein Frauenmangel im MINT-Bereich deutlich erkennbar (siehe unten stehender Text).

Schülerinnen trauen sich weniger zu

MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Ein vorherrschendes weibliches Desinteresse kann es aber nicht sein, das Frauen von diesem Fachbereich entfremdet, denn sie immatrikulieren sich an den Hochschulen sehr wohl für naturwissenschaftliche und technische Fächer.

Aus den statistischen Zahlen lässt sich aber auch ablesen, dass es zwischen den einzelnen Fächern des MINT-Bereichs große Unterschiede gibt. Den höchsten Frauenanteil gab es 2021 in der Innenarchitektur (88,2 Prozent), den niedrigsten im Stahlbau (2,2 Prozent). In der Informatik liegt der Frauenanteil bei den Neueinschreibungen bei 20 Prozent. Aber woran kann es dann liegen?

Claudia Ludig betont, sie könne in ihrem Klassenraum keinen Hinweis dafür erkennen, dass Jungs in den Naturwissenschaften besser seien. In der Pubertät kommt es zu Veränderungen, die sich auch auf die MINT-Fächer auswirken. „Mädchen werden dann etwas zaghafter, trauen sich weniger zu“, sagt die Lehrerin. Demgegenüber seien die Jungs schneller, forscher. Studien belegen ihre Beobachtungen. So veröffentlichte die Internationale Hochschule in Erfurt im vergangenen Herbst eine Studie über „MINT“-Bildung und die Frage, was junge Frauen darüber denken. Diese bestätigt, dass Mädchen und Frauen eher Vorbehalte gegen diese Fächer hegen, Schwierigkeiten und Überforderung fürchten. So scheitere eine berufliche Zukunft in der Naturwissenschaft nicht etwa am Interesse - denn laut dieser Studie liegt dieses bei 70 Prozent der Befragten vor -, sondern an einem Mangel an Selbstbewusstsein.

Dabei werden „MINT“-Experten gerade händeringend gesucht. Eine Studie des ZDF fand kürzlich heraus, dass ein höherer Frauenanteil in Tech-Jobs die wirtschaftliche Entwicklung Europas erheblich ankurbeln würde. Männer alleine können diesen Mangel nicht mehr ausgleichen.

Um dieses Problem zu beseitigen, müsse früh angesetzt werden, betont die Schulleiterin der GaG, Ursula Hartmann-Brichta. Am besten schon in der Schule mit Projekttagen, wie dem „girls go technic“-Tag an der GaG. Dazu waren drei Unternehmen eingeladen, die den 30 Schülerinnen näherbringen sollten, dass es eine Vielzahl von spannenden Ausbildungsberufen und Dualen Studiengängen gibt, die in gut bezahlte Berufe in den Bereichen Forschung, Entwicklung oder Technik führen.

Rollenklischees bröckeln

Die Achtklässlerinnen hatten die Möglichkeit, den Expertinnen Fragen zu stellen und gemeinsam zu experimentieren. So brachten vier Azubis von „Procter & Gamble“ elektrische Zahnbürsten mit, die gemeinsam auseinandergebaut wurden, um die technischen Vorgänge und innovativen Ideen, die dahinterstecken, zu verstehen. Vom Amt für Bodenmanagement kamen die Auszubildende Lina Richter und die Studentin Luisa Ranglack, um vorzuführen, wie ein Tachymeter funktioniert, und zu erklären, was eine Geomatikerin macht. Mandy Gantz von Hessenforst hatte einige Mitbringsel aus dem Wald dabei. Sie beschrieb den Schülerinnen den Beruf der Försterin. Alle jungen Frauen hatten Positives zu berichten, etwa, dass in den von ihnen vertretenen Ausbildungsgängen ein relativ ausgeglichenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen besteht. „Mittlerweile gibt es auch mehr Försterinnen“, konnte Gantz berichten.

„Rollenklischees sind am Bröckeln, doch in den Mint-Fächern muss jetzt auch noch nachgezogen werden“, sagt die Bad Homburger Frauenbeauftragte Gaby Pilgrim. Für sie und ihre Kollegin Nadine Fork sei diese Problematik ganz klar gesellschaftlich begründet. Angesetzt werden müsse deswegen ganz früh. Beispielsweise auch mit „gendersensiblem“ Unterricht.

Das versucht auch Claudia Ludig umzusetzen, indem sie bei Experimenten Mädchen und Jungs in getrennte Gruppen steckt. Einfach, weil Jungs oft das „Zepter an sich reißen“. Mädchen seien da manchmal etwas schüchterner. „Sie müssen sich vielleicht ein paar Sekunden länger sammeln, aber dann machen sie das genauso gut wie die Jungs. Wenn diese aber dann schon den Versuch aufgebaut haben, dann erlangen die Mädchen nicht das nötige Selbstbewusstsein“, sagt Ludig. Zusätzlich raten Expertinnen zu Praktika, einem Girls’Day, an dem Mädchen in sogenannte „klassische Männerberufe“ hineinschnuppern können, und generell zu vielen Gesprächen im Freundeskreis und mit Familie und Mentoren.

„Jede sollte nach ihren Fähigkeiten einen Beruf wählen“, sagt Pilgrim.

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