Bad Homburg: Geschosswohnungsbau für Vögel und Fledermäuse

Im Bad Homburger Stadtteil Ober-Eschbach hat der Nabu das erste Artenschutzhaus der Kurstadt errichtet. Weitere Projekte sind geplant.
Bad Homburg -In Ober-Eschbach wird Wohnraum geschaffen - und zwar nicht nur auf der Megabaustelle am Südcampus, sondern auch etwas versteckter, im alten Ortskern. Hier, im Schulgarten der Grundschule im Eschbachtal, zwischen rotem Schulbau und evangelischem Gemeindebüro, sollen sich allerdings ausschließlich gefiederte Neubürger ansiedeln: Ein großes Artenschutzhaus für Vögel und Fledermäuse, das die Nabu-Ortsgruppe Ober-Eschbach am Freitag hat aufstellen lassen, bietet Platz für mehr als 50 Tiere, darunter sechs Mauersegler-Paare und Mehlschwalben, für die ringsum 24 Nester angebracht sind.
Es handelt sich, um im Bild zu bleiben, um Geschosswohnungsbau - der Ausblick in luftiger, vor Waschbären sicherer Höhe, die ein sechs Meter hoher Stahlmast garantiert, ist sicherlich sehr schön. Und lebenswichtig für den Mauersegler, der sich beim Abflug zunächst mehrere Meter fallen lässt, um die benötigte Fluggeschwindigkeit zu erreichen. Im Haus selbst, das einen Durchmesser von rund zweieinhalb Metern hat, gibt es verschiedene "Etagen" und "Flure", also Bereiche und Abteilungen, die für ein friedliches Miteinander der multikulturellen Bewohner sorgen: Die Einfluglöcher, die unterschiedlich groß sind, sollen außer Mauerseglern und Schwalben den Haussperling anlocken, für den zwölf Brutkammern zur Verfügung stehen, zudem Stare sowie Nischenbrüter wie den Hausrotschwanz. Drei Fledermaus-Kombikästen im unteren "Geschoss" runden das besondere Wohnraumangebot ab.
Das nottut, wie Günter Schuchmann weiß. "Die Bestände in Ober-Eschbach nehmen stark ab", mahnt der 81-Jährige, der seit 35 Jahren Vorsitzender der Nabu-Ortsgruppe ist. Wie anderswo auch sei jeder fünfte Vogel nicht mehr da. Das hängt mit dem Insektensterben zusammen, speziell in diesem Jahr aber auch mit dem kalten, nassen Frühling. "Anfang Februar haben die Vögel ihre Brut wieder verlassen, weil es zu kalt war", berichtet Schuchmann. Umso mehr freut er sich, dass das Artenschutzhaus endlich steht - ein Projekt mit längerem Vorlauf, schließlich mussten die Vogelschützer erst einmal einen geeigneten Standort finden. Damit viele Tiere einziehen, muss der unter anderem über hindernisfreie An- und Abflugmöglichkeiten von allen Seiten verfügen. Der Platz im Garten an der Jahnstraße - den die evangelische Gemeinde an den Förderverein der Grundschule verpachtet hat - sei ideal, so Schuchmann, der glücklich ist, dass alle Beteiligten "sehr gut mitgespielt" hätten. Das Artenschutzhaus werde eine Bereicherung für den Schulgarten darstellen, ist sich der Vogelschutzexperte sicher: "Bei den Kindern werden die Vögel für Gesprächsstoff sorgen. Auch junge Leute brauchen Natur - jetzt und in 30 Jahren."
Das Artenschutzhaus, das das erste dieser Art in der Kurstadt ist, stammt von der Firma Agrofor (Wettenberg) und hat rund 11 000 Euro gekostet. 8000 Euro hat die Stadt übernommen, für deren "großartige Unterstützung" man sehr dankbar sei, wie Schuchmann sagt. Um den Rest zu finanzieren, hat der Nabu Spenden eingesammelt; schließlich können die Fachvorträge - die Haupteinnahmequelle - seit bald zwei Jahren nicht mehr stattfinden.
Auch die Stadt freut sich: "Jetzt haben wir in Ober-Eschbach das Flaggschiff. Mal schauen, wo sich ein solches Haus sonst noch realisieren lässt", sagt Bürgermeister Dr. Oliver Jedynak (CDU) beim "Richtfest" mit Brezeln und Apfelwein. Werde es für die Tiere doch immer schwieriger, so Jedynak, Nistplätze an Privathäusern oder anderen Gebäuden zu finden. Mauersegler etwa brauchten einen ganz kleinen Spalt, erklärt Holger Fröhlich, der die Umweltabteilung im Rathaus leitet. "An einem Neubau wie der Grundschule gibt es aber keinen." Deshalb nehme man den Mauersegler genau wie die Schwalbe verstärkt in den Blick, sagt Fröhlich.
Genau wie Schuchmann hofft er, dass sich die Bestände mit dem Artenschutzhaus erholen. Der Standort in der Ortsmitte jedenfalls biete günstige ökologische Voraussetzungen. "Als wir einzelne Schwalbennester entlang der Ober-Eschbacher Straße montiert haben, hatten wir nach 14 Tagen den ersten Besatz. Die Wohnungsnot ist also da", ergänzt Schuchmann.
Er wünscht sich, bald wieder mehr Mauersegler zu zählen, wenn er abends draußen sitzt. "Vor 15 Jahren waren noch viele am Himmel. Heute sieht man manchmal nur zwei - das ist erschreckend." Die Mauersegler, die aktuell in wärmeren Gefilden weilen, erwartet er aber erst Mitte Mai zurück in Ober-Eschbach, wo sie dann bis August bleiben, um zu brüten und ihre Jungen aufzuziehen. Meisen und Sperlinge indes ziehen schon im Winter ins neue Schutzhaus. Schuchmann: "In ein paar Wochen sind die Sperlinge drin." von Manuela Reimer